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26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Februar 1987 i.S. X. und Y. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Kreisgerichtsausschuss Oberengadin und Kantonsgericht (Beschwerdekammer) Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 58 Abs. 1 BV; Strafverfahren, innerkantonale örtliche Zuständigkeit. | |
Sachverhalt | |
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Laut der Sachverhaltsdarstellung in der Anklageschrift liess X. als Direktor der Firma Z. das Grundbuchinspektorat innert erstreckter Frist wissen, es sei ihm leider nicht möglich, alle verlangten Auskünfte zu erteilen. Die G. SA sei bereits im Jahre 1965 gegründet worden, während die Firma Z. als Nachfolgerin der F. SA die Verwaltung erst vor einigen Jahren übernommen habe; sie könne jedoch dem Grundbuchinspektorat die Jahresabschlüsse der letzten zehn Jahre zukommen lassen. In der Folge unterliess es die Firma Z. aber, dem Grundbuchinspektorat diese Unterlagen zu senden. Als die G. SA, deren Verwaltungsratspräsident Y. ist, aufgefordert wurde, sich zur angekündigten Verfügung betreffend die Bewilligungspflicht für die in Frage stehenden Grundstückkäufe ![]() | 2 |
Mit Verfügung vom 4. Januar 1985 bejahte das Grundbuchinspektorat Graubünden die Bewilligungspflicht für den Kauf und die Überbauung der Grundstücke der G. SA in Celerina und verweigerte gleichzeitig die entsprechenden Bewilligungen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 9. April 1985 ab.
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Am 9. Juli 1985 eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden aufgrund einer Strafanzeige des Grundbuchinspektorates gegen ein Gründungsmitglied der G. SA, welche ihren Sitz ursprünglich in Zuoz hatte, gegen Y. und andere spätere Verwaltungsräte dieser Gesellschaft sowie gegen die verantwortlichen Organe der F. SA und der Firma Z. eine Strafuntersuchung wegen Widerhandlungen gegen Art. 23 BewB etc. Am 19. November 1985 wurde X. als Direktor der Firma Z. in dieses Verfahren einbezogen.
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Gegenüber X. und Y. stellte die Staatsanwaltschaft Graubünden die Strafuntersuchung mit Verfügung vom 29. April 1986 teilweise ein, nämlich soweit sie sich auf die Umgehung der Bewilligungspflicht gemäss Art. 23 BewB bezog. Das Strafverfahren gegen die übrigen Angeschuldigten wurde mit derselben Verfügung aus verschiedenen Gründen vollumfänglich eingestellt.
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Mit Verfügung vom 1. Mai 1986 wurden X. und Y. gestützt auf den vorstehend wiedergegebenen Sachverhalt wegen vorsätzlicher Widerhandlung gegen Art. 24 und 26 BewB (in der Fassung vom 21. März 1973) in Anklagezustand versetzt. Die Staatsanwaltschaft Graubünden überwies den Fall gestützt auf Art. 350 StGB und Art. 48 des Gesetzes über die Strafrechtspflege des Kantons Graubünden vom 8. Juni 1958/7. April 1974 (StPO) dem Kreisgerichtsausschuss Oberengadin zur Beurteilung.
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Eine von den Angeklagten gegen diese Anklageverfügung geführte Beschwerde wies die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts Graubünden mit Entscheid vom 11. Juni 1986 ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. Auf die Rüge, die Gegenstand der Anklage bildenden Widerhandlungen gegen Art. 24 und 26 BewB ![]() | 7 |
Hiergegen führen X. und Y. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 58 BV sowie Art. 6 EMRK; sie beantragen, der Entscheid der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts Graubünden vom 11. Juni 1986 sei aufzuheben.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden kann.
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Aus den Erwägungen: | |
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Soll der Verstoss gegen die Garantie des verfassungsmässigen Richters lediglich in der unrichtigen Auslegung bzw. Anwendung kantonaler Vorschriften über die Organisation und Besetzung des Gerichts liegen, so prüft das Bundesgericht diese Auslegung bzw. Anwendung des kantonalen Rechts nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 112 Ia 292 E. 2a; BGE vom 4. Juni 1986 i.S. A., in EuGRZ 1986 S. 670 E. 2b, mit weiteren Hinweisen). Dabei liegt Willkür nicht schon dann vor, wenn eine andere Auslegung der betreffenden Gesetzesnormen ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erschiene; das Bundesgericht greift erst dann ein, wenn die gerügte Auslegung offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGE 112 Ia 27 E. 1c mit Hinweisen). Sodann prüft das Bundesgericht mit freier Kognition, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des ![]() | 11 |
Nicht überprüft werden kann, ob die Bestimmungen gemäss Art. 346 ff. StGB als Bundesrecht verfassungsmässig sind oder nicht, denn Art. 113 Abs. 3 BV schliesst die Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber Bundesgesetzen aus.
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b) Die Beschwerdekammer ging also zu Recht von der Anwendbarkeit der Art. 346 ff. StGB aus. Sie gelangte bei der Prüfung der Frage, welcher Gerichtsstand innerkantonal der richtige sei, zum Schluss, die Eröffnung der vorliegenden Strafuntersuchung habe ursprünglich auf dem Verdacht gegründet, dass mit dem Erwerb von zwei Baulandparzellen in Schlarigna/Celerina und mit deren anschliessenden Überbauung gegen die Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 23. März 1961 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland verstossen worden sei; damit sei der Gerichtsstand Oberengadin begründet worden. Dieser erfahre nach herrschender Lehre und Rechtsprechung keine nachträgliche Änderung, wenn - wie im zu beurteilenden Fall - ein Teil der untersuchten Handlungen aus der Strafverfolgung ausscheide und nur noch Handlungen übrigblieben, die in einem andern Kanton ausgeführt worden seien. Auch sei die Frage des ![]() | 14 |
Demgegenüber vertreten die Beschwerdeführer die Auffassung, nach Art. 7 StGB seien entweder die Behörden in Lugano oder diejenigen in Chur, nicht aber diejenigen im Oberengadin örtlich zuständig, weil ihnen mit der von der Staatsanwaltschaft erlassenen Anklageverfügung nur noch die Widerhandlung gegen Art. 24 und 26 BewB angelastet werde.
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c) aa) Zunächst ist - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - festzustellen, dass Art. 7 StGB zur Auslegung der Regeln gemäss Art. 346 ff. StGB nicht anwendbar ist. Die Vorschriften gemäss Art. 3-7 StGB regeln den räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzbuches. Deren Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Bestimmungen des Strafgesetzbuches überhaupt Anwendung finden. Ist dieses anwendbar, so entscheiden sich dann die Gerichtsstandsfragen nach den Regeln gemäss Art. 346 ff. StGB (BGE 108 IV 146 E. 2; BGE 86 IV 224; 68 IV 55 ff.; vgl. SCHWERI, a.a.O., S. 32, N. 45, und S. 41, N. 66).
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bb) Es trifft zu, dass der Gerichtsstand nach der Rechtsprechung der Anklagekammer des Bundesgerichts nicht davon abhängt, was dem Beschuldigten schliesslich nachgewiesen werden kann, sondern dass er sich nach den Handlungen richtet, die durch die Strafverfolgung abgeklärt werden sollen (s. BGE 98 IV 63 E. 2; BGE 97 IV 149; BGE 71 IV 167; vgl. SCHWERI, a.a.O., S. 42, N. 68). Mit dieser Praxis trägt die Anklagekammer aber bloss dem Umstand Rechnung, dass sie in aller Regel zu einem Zeitpunkt über die Zuständigkeit befinden muss, in dem die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist und sie deshalb notwendigerweise nur von den Vorwürfen ausgehen kann, die dem Täter in diesem Zeitpunkt des Verfahrens vor der Anklagekammer gemacht werden können; massgebend ist dabei stets die Verdachtslage, wie sie sich zur Zeit des bundesgerichtlichen Entscheides darstellt (BGE 112 IV 63 E. 2). Auf diese Rechtsprechung kann daher nicht verwiesen werden, wenn es darum geht, den innerkantonalen Gerichtsstand im Anschluss an die Einstellung eines Teils der Untersuchung und nach erhobener Anklage festzulegen.
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cc) Wie die Gerichtsstandsregeln gemäss Art. 346 ff. StGB ganz allgemein innerkantonal anzuwenden sind, so ist es nicht schlechthin unhaltbar, ebenfalls die interkantonal geltende Regel, wonach ![]() | 18 |
dd) Die Beschwerdeführer hätten übrigens mit ihrer Bestreitung des Gerichtsstandes Oberengadin auch bei Anrufung der im interkantonalen Verhältnis zuständigen Anklagekammer des Bundesgerichts keine Aussicht auf Erfolg. Denn das Ausscheiden eines Teils der untersuchten Handlungen aus der Strafverfolgung kann - wie erwähnt - für sich allein den nachträglichen Wechsel des Gerichtsstandes nicht rechtfertigen, wie aus der die interkantonalen ![]() | 19 |
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