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39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. April 1987 i.S. Sozialdemokratische Partei Ostermundigen gegen Einwohnergemeinde Bern, Vereinigte Schützengesellschaften der Stadt Bern und Regierungsrat des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 85 lit. a und 88 OG; Legitimation einer politischen Partei zur Anfechtung einer teilweisen Nichtgenehmigung und Abänderung eines kommunalen Lärmschutzreglementes durch die Aufsichtsbehörde. |
2. Auch die Stimmrechtsbeschwerde ist unzulässig, da die Frage, ob eine kantonale Aufsichts- bzw. Genehmigungsbehörde eine kommunale Vorlage teilweise nicht genehmigen und abändern durfte, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen keine solche der Verletzung des Stimmrechts darstellt (E. 2). |
3. Da die Beschwerdeführerin weder aufgrund von Art. 85 lit. a noch Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist, ist sie auch nicht befugt, vorfrage- oder hilfsweise eine Verletzung der Gemeindeautonomie zu rügen (E. 3). Hingegen kann sie sich - ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache selbst - über die Verletzung jener Parteirechte beklagen, die ihr nach dem kantonalen Verfahrensrecht zustehen (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Gegen diesen Entscheid vom 14. Februar 1985 erhoben die Sozialdemokratische Partei Ostermundigen und acht weitere Beschwerdeführer beim Regierungsrat des Kantons Bern Beschwerde. Sie verlangten die Genehmigung der umstrittenen Bestimmung in der von den Stimmbürgern beschlossenen Form. Demgegenüber beantragten die Einwohnergemeinde Bern und die VSGB, die ebenfalls mit Beschwerde an den Regierungsrat gelangten, ![]() | 2 |
Mit Entscheid vom 29. Januar 1986 hiess der Regierungsrat des Kantons Bern sowohl die Beschwerden der Sozialdemokratischen Partei Ostermundigen und der weiteren acht Beschwerdeführer wie diejenige der Einwohnergemeinde Bern und der VSGB teilweise gut, änderte in diesem Sinne Art. 14 des Lärmschutzreglementes ab und bestätigte im übrigen den Genehmigungsbeschluss der Polizeidirektion. Die Kosten wurden sämtlichen Beschwerdeführern je zu 1/11 auferlegt.
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Gegen diesen Entscheid führt die Sozialdemokratische Partei Ostermundigen staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht wegen Verletzung von Art. 4 BV und der Gemeindeautonomie sowie sinngemäss auch wegen Verletzung des politischen Stimmrechts (Art. 85 lit. a OG).
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Nach Art. 88 OG steht das Recht, staatsrechtliche Beschwerde zu führen, Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Nach ständiger Rechtsprechung ermöglicht die staatsrechtliche Beschwerde der Beschwerdeführerin somit lediglich die Geltendmachung ihrer persönlichen rechtlich geschützten Interessen. Zur Verfolgung rein tatsächlicher Interessen oder allgemeiner öffentlicher Interessen ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren Parteistellung innehatte, vermag daran nichts zu ändern, denn die Legitimation im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren beurteilt sich ausschliesslich nach Art. 88 OG (BGE 110 Ia 74 E. 1 mit Hinweisen).
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c) Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, selber im soeben dargelegten Sinn betroffen zu sein. Als privatrechtliche Vereinigung könnte ihr die Beschwerdelegitimation daneben allenfalls zur Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder zugestanden werden. Dies setzte aber u.a. voraus, dass eine Mehrheit oder mindestens eine Grosszahl ihrer Mitglieder betroffen und zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert wären (BGE 112 Ia 33 E. 2a mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin legt aber nicht dar, inwiefern eine Mehrheit oder zumindest eine Grosszahl ihrer Mitglieder aufgrund ihrer nachbarlichen Beziehung zum Schiessplatz Oberfeld von den Auswirkungen des Schiessbetriebs in einem besonderen Mass beeinträchtigt würden. Sie macht lediglich geltend, sämtliche Mitglieder seien als stimmberechtigte Gemeindebürger durch den angefochtenen Entscheid betroffen, da dadurch die allgemeinen Interessen der Gemeinde berührt würden. Zur Wahrung solcher öffentlicher Interessen ist indessen die Beschwerdeführerin - wie ausgeführt - nicht legitimiert. Es liegt im Ergebnis eine Popularbeschwerde vor, die nicht zulässig ist (vgl. dazu WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 226/227). Auf die Beschwerde ist deshalb insoweit ohne Prüfung weiterer Sachurteilsvoraussetzungen nicht einzutreten.
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b) Der Regierungsrat hat nicht das Resultat der Abstimmung abgeändert, d.h. die Rechtmässigkeit der Abstimmung über das Lärmschutzreglement oder die Ermittlung des Abstimmungsresultates in Frage gestellt. Er hat vielmehr im Genehmigungsverfahren aus Gründen des übergeordneten eidgenössischen Rechts (MO) eine Bestimmung des Reglementes teilweise abgeändert bzw. der ursprünglichen Fassung die Genehmigung versagt. Dies erfolgte kraft der dem Staat gemäss Staatsverfassung und Gemeindegesetz (Art. 44 ff. GG) zustehenden Oberaufsicht über die Gemeinden. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stellt die Frage, ob eine kantonale Aufsichts- bzw. Genehmigungsbehörde eine kommunale Vorlage nicht bzw. nur teilweise genehmigen durfte, keine solche der Verletzung des Stimmrechts dar. Dies gilt selbst dann, wenn die kantonale Behörde in einer an und für sich in die Kompetenz der Gemeindeversammlung fallenden Angelegenheit selber eine sachliche Anordnung trifft und die Angelegenheit insoweit der freien Beurteilung durch den Stimmbürger entzieht (BGE 111 Ia 137 E. 3; BGE 100 Ia 429 /430; Urteil vom 20. September 1978 in: ZBl 80/1979 S. 94; vgl. auch WALTER KÄLIN, a.a.O., S. 163 A. 179; ANDREAS AUER, Les droits politiques dans les cantons suisses, Genève 1978, S. 77/78; ANDREAS AUER, Die schweizerische Verfassungsgerichtsbarkeit, Basel 1984, S. 233). Auch eine Beschwerde wegen Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung scheidet hier nach der Natur der Sache aus (vgl. BGE 111 Ia 137 E. 3).
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Ausnahmsweise ist nach der erwähnten Rechtsprechung die Stimmrechtsbeschwerde dann zulässig, wenn die Anordnung der kantonalen Behörde darauf hinausläuft, dass die Mitwirkungsrechte der Stimmberechtigten in einem wesentlichen Teilbereich der kommunalen Selbstverwaltung überhaupt ausgeschaltet werden (BGE 100 Ia 430 mit Hinweisen; Urteil vom 20. September 1978, a.a.O., S. 94). Ein solcher Ausnahmefall liegt indessen hier angesichts des Umstands, dass die kantonalen Behörden die ursprüngliche Fassung des Lärmschutzreglementes insgesamt eher ![]() | 13 |
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Art. 55 VRPG besagt, dass die Beschwerde oder Klage der beklagten Partei unter Ansetzung einer angemessenen Antwortfrist zugestellt werde. Die Beschwerdeführerin einerseits und die Einwohnergemeinde Bern sowie die VSGB andererseits waren im Verfahren vor dem Regierungsrat nicht formelle Gegenparteien. Die Beschwerde der Einwohnergemeinde Bern und der VSGB richtete sich weder der Form noch der Sache nach gegen die ![]() | 16 |
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