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62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. März 1987 i.S. X., Y. und Z. gegen Kanton Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts gemäss Abänderungsgesetz des Kantons Bern vom 10. September 1985. | |
Sachverhalt | |
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Das Abänderungsgesetz enthielt u.a. folgende Bestimmungen:
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"I. Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden (GOG [neue Fassung vom 10. September 1985 nachfolgend mit nGOG bezeichnet]):
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Art. 9a: Eine der beiden Kriminalkammern bildet das
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Wirtschaftsstrafgericht des Kantons.
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II. Gesetz über das Strafverfahren des Kantons Bern (StrV [neue Fassung vom 10. September 1985 nachfolgend mit nStrV bezeichnet]):
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Art. 29 Das Geschworenengericht beurteilt die mit Zuchthaus von mehr als fünf Jahren bedrohten Verbrechen. Vorbehalten bleiben die Artikel 208, 208a und 208b.
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Art. 208 2 Handelt es sich um politische Verbrechen oder Vergehen oder um in der Presse begangene Ehrverletzungen, die öffentliche Interessen berühren, so sind die Überweisungsbehörden auch befugt, an ein Gericht mit anderer, insbesondere höherer sachlicher Zuständigkeit zu überweisen, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Ebenso können unter den in Artikel 208b genannten Voraussetzungen Straffälle in der Zuständigkeit des Amtsgerichts an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen werden.
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Art. 208b (neu) Ein Fall soll an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen werden, wenn zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl schriftlicher Beweismittel voraussetzt; die in Artikel 208a genannten Erfordernisse müssen nicht vorliegen.
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Art. 296 1 Die Kriminalkammer und das Wirtschaftsstrafgericht befolgen bei der Behandlung der ihnen überwiesenen Fülle die Vorschriften über das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht und dem Einzelrichter.
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Anstelle von Artikel 235 ist Artikel 285 anwendbar.
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2 Zu berücksichtigen sind die folgenden, besonderen Bestimmungen:
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1. Die Akten zirkulieren vor der Hauptverhandlung bei allen Mitgliedern des Gerichts.
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2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, steht es im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören.
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...
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1. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Rechtsmittelverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur Verhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht zu Ende geführt; doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens, Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zu neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird.
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2. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Hauptverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur Hauptverhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht in der betreffenden Instanz zu Ende geführt; doch gilt das neue Recht betreffend Beweiswürdigung, Rechtsmittel, Vollstreckung und Begnadigung, ebenso, wenn die Sache zu neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird.
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3. Unverändert."
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Am 25. Februar 1986 erhoben X., Y. und Z., die alle im Kanton Bern wohnhaft sind, staatsrechtliche Beschwerde gegen dieses Abänderungsgesetz wegen Verletzung des Öffentlichkeits- und Unmittelbarkeitsprinzips (Art. 50 der bernischen Kantonsverfassung [KV]; Art. 211, 230, 244, 249, 289 und 295 Abs. 1 StrV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK), wegen Verletzung der Garantie des Geschworenengerichtes (Art. 61 KV), wegen fehlender Verfassungsgrundlage für das Wirtschaftsstrafgericht(Art. 49 KV), wegen Verletzung des Rechts auf den verfassungsmässigen Richter und des Verbots von Ausnahmegerichten (Art. 49 KV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK), wegen willkürlicher Zuweisungsregelung (Art. 208b nStrV; 58 Abs. 1 und Art. 4 BV) sowie wegen willkürlicher Übergangsbestimmungen (Art. 398 nStrV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV). Sie stellen den Antrag, Art. 9a nGOG sowie Art. 29 Satz 2, Art. 208 Abs. 2 Satz 2, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 und Art. 398 Ziff. 1 und 2 nStrV seien aufzuheben.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, so steht es gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören. Die Beschwerdeführer machen geltend, diese Bestimmung verletze das Öffentlichkeitsprinzip, welches sie in Art. 50 KV, in der Bundesverfassung ![]() | 22 |
a) Nach Art. 50 KV gilt für die Verhandlungen vor den Gerichten als Regel der Grundsatz der Öffentlichkeit und der Mündlichkeit, wobei die Gesetzgebung Ausnahmen gestatten kann. Der Gewährleistung verfassungsmässiger Rechte der Kantone kommt allerdings nur dort selbständige Bedeutung zu, wo ihr Schutzgehalt über den der verfassungsmässigen Rechte der Bundesverfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention hinausgeht (BGE 112 Ia 126 E. 3a, 103 Ia 171, BGE 99 Ia 266 E. II, je mit Hinweisen; s. auch WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 78). Ob der Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung im Sinne der Auffassung der Beschwerdeführer als ungeschriebenes Verfassungsrecht der Bundesverfassung anerkannt werden kann, war vom Bundesgericht bisher nicht zu entscheiden und erscheint als fraglich. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da jedenfalls Art. 6 Ziff. 1 EMRK das Öffentlichkeitsprinzip der Strafgerichtsverhandlung gewährleistet und auf ein erstinstanzliches Verfahren grundsätzlich unmittelbar anwendbar ist (BGE 111 Ia 243 f. E. 6, BGE 108 Ia 92 E. 2c, je mit Hinweisen). Da das Bundesgericht im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle frei und umfassend prüft, ob der angefochtene Erlass die angerufene Verfassungs- oder Konventionsbestimmung verletzt (s. BGE 111 Ia 24 f. E. 2 mit Hinweisen), kommt der von den Beschwerdeführern im vorliegenden Zusammenhang zusätzlich erhobenen Rüge, mit Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV werde auch das Willkürverbot verletzt, keine selbständige Bedeutung zu. Die Beschwerdeführer haben im übrigen nicht dargetan, weshalb diese Bestimmung mit "keinen hinreichenden Gründen sachlicher Natur zu rechtfertigen", d.h. willkürlich sein soll; ihr insoweit blosser Verweis auf andernorts in ihrer Beschwerde gemachte Ausführungen vermag jedenfalls ihre Willkürrüge nicht rechtsgenüglich zu substantiieren (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 110 Ia 3 f. E. 2a). Inwiefern der Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung durch Art. 58 BV gewährleistet sein soll, wie dies die Beschwerdeführer ebenfalls geltend machen, ist nicht ersichtlich. Die Bestimmung des Art. 58 BV ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als Garantie eines unparteiischen und unabhängigen Richters zu verstehen; sie gewährleistet jedermann die Freiheit, nur von dem Richter Recht zu nehmen, der nach den bestehenden Verfassungsnormen, Gesetzen und Verordnungen allgemein ![]() | 23 |
b) Aus diesen Gründen und weil die Beschwerdeführer nicht behauptet haben, Art. 50 KV gehe weiter als Art. 6 Ziff. 1 EMRK, ist die von ihnen erhobene Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips ausschliesslich im Lichte dieser letztgenannten Bestimmung zu beurteilen.
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Die Schweiz hat zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf den Grundsatz der Öffentlichkeit einen Vorbehalt angebracht, doch betrifft dieser nicht die im vorliegenden Verfahren einzig zur Diskussion stehende Strafgerichtsverhandlung, sondern das Verfahren vor Verwaltungsbehörden sowie die Öffentlichkeit der Urteilsverkündung an sich (s. hiezu LUZIUS WILDHABER, Internationaler Kommentar zur EMRK, Köln/Berlin/Bonn/München 1986, N. 603 ff. zu Art. 6 EMRK). Es ist daher hier nicht auf diesen Vorbehalt einzugehen.
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c) Der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung bezieht sich nicht bloss auf die Partei-, sondern auch auf die Publikumsöffentlichkeit (BGE 111 Ia 244 E. 7a). Er bedeutet eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz und soll durch die Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll darüber hinaus ermöglicht werden, Kenntnis ![]() ![]() | 26 |
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Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Hauptverhandlung nach bernischem Strafverfahren aufgrund der darin enthaltenen Vorschriften vom Grundsatz der Unmittelbarkeit beherrscht ist (vgl. das den Straffall Gasser betreffende Urteil des Kassationshofes des Kantons Bern vom 26. August 1983 i.S. B. in ZBJV 1984, S. 422 ff.; GERARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale bernoise et jurassienne, Neuchâtel 1983, Bd. I S. 96 ff. und Bd. II S. 634 ff.; FRITZ FALB, Das bernische Strafverfahren, Vorlesungsskriptum, 3. Aufl. 1975, S. 57 ff.). Indes kann dahingestellt bleiben, ob sich dieser Grundsatz aus der die Prinzipien der Öffentlichkeit und ![]() ![]() | 28 |
b) Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, die durch das Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehene Einschränkung ![]() | 29 |
Der Grundsatz des fairen oder gerechten Verfahrens ist im schweizerischen Verfassungsrecht zwar nicht ausdrücklich, jedoch der Sache nach garantiert; es sind damit dem Gehalte nach im wesentlichen die vom Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 BV entwickelten Prinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens gemeint (vgl. hiezu: PETER SALADIN, Das Verfassungsprinzip der Fairness, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Basel 1975, S. 41 ff., insbesondere S. 81 ff.; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 227 ff. und 259 ff.). Konkret rügen die Beschwerdeführer unter dem Titel des fairen Verfahrens allerdings nur, dass aufgrund der Bestimmungen des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 keine Waffengleichheit bestehe, indem der Beschuldigte in verschiedener Hinsicht gegenüber dem Untersuchungsrichter als Anklagevertreter erheblich benachteiligt würde. Diese Rüge der Verletzung des Gebotes der Waffengleichheit ist indes nicht rechtsgenüglich substantiiert (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG); auch der insoweit erfolgte Hinweis auf andernorts in der Beschwerdeschrift gemachte Ausführungen vermag keine hinreichende Begründung dafür abzugeben. Es ist daher nicht weiter darauf einzugehen.
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5. a) Die Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts verstösst entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer auch nicht gegen ![]() | 33 |
Wie festgestellt worden ist, wurde das Wirtschaftsstrafgericht gemäss Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 für einen zum voraus generell festgelegten Sachbereich geschaffen, nämlich für Straffälle, bei welchen zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl schriftlicher Beweismittel voraussetzt. Wirtschaftliche Kenntnisse gelten allgemein als sachliche Begründung von Spezialgerichten (Fachgerichten), wie dies die Schaffung von Handelsgerichten in verschiedenen Kantonen belegt. Ebenso lässt es sich vertreten, Wirtschaftsstrafsachen, bei welchen zahlreiche schriftliche Beweismittel zu würdigen sind, einem solchen Spezialgericht mit für derart umfangreiche Verfahren geeigneten Prozessbestimmungen zu unterstellen. Davon, die Schaffung des bernischen Wirtschaftsstrafgerichts verletze Art. 58 Abs. 1 BV, kann demnach nicht die Rede sein.
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b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wird Art. 58 Abs. 1 BV auch nicht durch die die Überweisung an das Wirtschaftsstrafgericht regelnde Bestimmung von Art. 208b nStrV verletzt. Diese Zuweisungsregel ist notwendig, um den Sachbereich der Zuständigkeit des Wirtschaftsstrafgerichts generell festzulegen, ![]() | 35 |
Darin und auch in den Verfahrensvorschriften von Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV liegt im übrigen entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer ebenfalls kein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot. Diesen Grundsatz verletzt ein Erlass, der sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist (BGE 112 Ia 243 f. E. 4a und 258 E. 4b, BGE 111 Ia 91 E. 3a, mit Hinweisen; ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 62; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 191 ff.). Dass die genannten Vorschriften durchaus sinnvoll und zweckmässig sind, ist bereits dargelegt worden. Es werden jedoch durch sie auch nicht rechtliche. Unterschiede getroffen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht zu finden ist (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 63). Vielmehr weist Art. 208b nStrV klare Kriterien auf, aufgrund welcher die Zuweisung erfolgt, und diese Regelung - wie übrigens auch diejenige der speziellen Verfahrensvorschriften gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV - ist sachlich vernünftig begründet durch die Notwendigkeit, komplexe und umfangreiche Strafprozesse zu beschleunigen und durch kompetente Richter mit besonderen Fach- und Personenkenntnissen beurteilen zu lassen. Im übrigen entsteht dadurch keine Benachteiligung des Beschuldigten. So werden insbesondere auch die Verteidigungsrechte durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt.
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6. Art. 398 nStrV entspricht mit Ausnahme kleinerer Präzisierungen dem bisherigen Art. 398 StrV. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Regelung gemäss Art. 398 nStrV sei willkürlich, indem darin bestimmt werde: "... doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens (bzw. Rechtsmittel), Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zur neuen Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird." Sie rügen, diese Vorschrift bezwecke, rückwirkend die Verteidigungsrechte zu beschneiden und die Anwendbarkeit des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 auf den - bereits an anderer Stelle erwähnten - Fall Gasser zu ermöglichen. Damit ![]() | 37 |
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt eine Rückwirkung eines Erlasses dann vor, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts an ein Ereignis angeknüpft wird, das in der Vergangenheit liegt und vor Erlass des Gesetzes abgeschlossen wurde (BGE 107 Ib 196 E. 3b mit Hinweisen). Es lässt in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 BV die Rückwirkung regelmässig nur dann zu, wenn sie ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt ist, in zeitlicher Beziehung mässig ist, zu keinen stossenden Rechtsungleichheiten führt, sich durch beachtenswerte Gründe rechtfertigen lässt und nicht in wohlerworbene Rechte eingreift (BGE 102 Ia 72 E. 3 mit Hinweisen, BGE 102 Ib 338 E. 2b). Keine - bzw. eine sog. unechte - Rückwirkung ist dann gegeben, wenn der Gesetzgeber lediglich auf Verhältnisse abstellt, die zwar noch unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern (BGE 107 Ib 196 E. 3b, 203 E. 7b/aa, mit Hinweisen; s. auch ALFRED KÖLZ, Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 1983 Bd. II, S. 164 ff.). Im Verfahrensrecht das neue Recht auf alle pendenten Angelegenheiten anzuwenden, gilt in der Praxis nicht als eigentliche Rückwirkung im aufgezeigten Sinne (BGE 79 I 87 E. 1; vgl. auch MAX IMBODEN/RENE A. RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl. 1986, Bd. I, S. 106 f.). Ganz allgemein kommt der Grundsatz der Nichtrückwirkung im Verfahrensrecht und damit auch im Falle einer Revision einer Strafprozessordnung nicht zum Tragen (vgl. BGE 112 Ib 584 f. E. 2; s. auch HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 323).
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Nur eine sog. unechte Rückwirkung ist denn auch für die im Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehenen Übergangsbestimmungen - wie übrigens auch schon für die bisherigen - ausdrücklich vorgesehen. Es werden lediglich gewisse Einschränkungen für die Anwendbarkeit des neuen Rechts im Hinblick auf Strafprozesse festgelegt, welche sich in einem bestimmten Verfahrensstadium befinden, wobei aber auch für die betreffenden Strafprozesse teilweise wieder das neue Recht als anwendbar erklärt wird. Inwiefern diese Regelung verfassungswidrig sein soll, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan und ist denn auch nicht ersichtlich. Vor allem gilt das neue Recht, soweit es gestützt auf die von den Beschwerdeführern beanstandete Regelung von ![]() | 39 |
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