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65. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Dezember 1987 i.S. Erben B. gegen P. und B., Meliorationsgenossenschaft Embrachertal und Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Güterzusammenlegung; Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers. |
Ein Gewinnbeteiligungsrecht, das derart ausgestaltet ist, dass bei der Berechnung des Gewinnes nicht vom wahren Verkehrswert des Bodens ausgegangen und der Wert des dem Gewinnbeteiligten seinerseits zugeteilten Landes nicht mitberücksichtigt wird, steht mit der Eigentumsgarantie in Widerspruch (E. 3). | |
Sachverhalt | |
1 | |
(Die Mitglieder verpflichten sich)
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"einen durch Verkauf oder Verwertung von zugeteiltem Land erzielten nachweisbaren Gewinn innert 12 Jahren, von dem durch die Volkswirtschaftsdirektion verfügten Antritt des neuen Besitzstandes an gerechnet, verhältnismässig an die Grundeigentümer im alten Bestand zurückzuzahlen.
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Die Rückerstattung umfasst im ersten Jahr den vollen Gewinn und reduziert sich um 1/12 für jedes folgende Jahr.
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Der Gewinn wird wie folgt festgestellt: Erlös oder Wertvermehrung infolge Verwertung, abzüglich landwirtschaftlicher Verkehrswert, Rückerstattung von Staats- und Bundesbeiträgen, Grundstückgewinnsteuer, Vermögenssteuer gemäss § 36 ff. des kantonalen Steuergesetzes, Notariats- und Vermessungskosten sowie vom Veräusserer in der Zwischenzeit investierte Erschliessungskosten.
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Als anrechenbarer landwirtschaftlicher Verkehrswert gilt im Zeitpunkt des Neuantrittes der zehnfache Bonitierungswert. Die Kommission wird ermächtigt, die notwendigen Anpassungen an die jeweiligen Preise für landwirtschaftlichen Boden vorzunehmen.
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..."
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Das zur Zeit dieser Statutenänderung geltende zürcherische Gesetz betreffend die Förderung der Landwirtschaft vom 24. September 1911 enthielt keine Bestimmung über ein Gewinnbeteiligungsrecht. Dagegen wurde in das kantonale Gesetz über die Förderung der Landwirtschaft vom 22. September 1963 folgende neue Vorschrift aufgenommen:
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Diese Bestimmung wurde bei der Revision des Landwirtschaftsgesetzes vom 2. September 1979 wieder fallengelassen.
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Im April 1966 setzte die Ausführungskommission der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal P. und B. davon in Kenntnis, dass die Erben B. auf deren Altparzellen Kies ausgebeutet hätten. P. und B. reichten hierauf zunächst beim Bezirksgericht Zürich Zivilklage gegen die Erben B. und schliesslich bei der Ausführungskommission der Meliorationsgenossenschaft Begehren um Rückerstattung der Gewinnanteile ein. Den Entscheid der Ausführungskommission zogen beide Parteien an das Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich weiter, das die den ehemaligen Eigentümern zu erstattenden Anteile auf Fr. 27'421.10 bzw. Fr. 15'377.60 festsetzte. Gegen diesen Entscheid haben die Erben B. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 22ter BV eingereicht.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Entscheid sei verfassungswidrig, weil § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal, auf den er sich stütze, nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe und auch sonst mit der Eigentumsgarantie sowie Art. 4 BV in Widerspruch stehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann die Verfassungsmässigkeit einer kantonalen Vorschrift nicht nur im Anschluss an deren Erlass, sondern auch auf einen konkreten Anwendungsakt hin bestritten werden (BGE 111 Ia 82 E. 2a, 186 E. 1, 242 f. E. 4, je mit Hinweisen auf weitere Entscheide). Dieser nachträglichen Überprüfung - zu der auch die kantonalen Gerichte auf Gesuch hin verpflichtet sind - unterstehen alle Rechtssätze, das heisst alle Anordnungen genereller und abstrakter Natur, die für eine unbestimmte Vielheit von Menschen gelten und eine unbestimmte Vielheit von Tatbeständen regeln ohne Rücksicht auf einen bestimmten Einzelfall oder auf eine Person (BGE 106 Ia 386 E. 3a). Zu diesen Rechtssätzen zählen auch die Anordnungen, welche die öffentlichrechtlichen Korporationen und Anstalten aufgrund einer Ermächtigung des Gesetzgebers erlassen (vgl. BGE 104 Ia 336 ff., 339 E. 3b, nicht publizierter Entscheid ![]() | 12 |
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a) Ob ein Gewinnbeteiligungsrecht bei Güterzusammenlegungen zu besonders schweren Eingriffen führt, ist anhand der konkreten Regelung zu beurteilen. Das Bundesgericht hat in BGE 104 Ia 342 E. 4d die Annahme des Thurgauer Obergerichtes, eine Gewinnbeteiligungspflicht im Umfange von 75% im ersten Jahr bis zu 5% im 15. Jahr nach der Übernahme sei eine schwerwiegende Eigentumsbeschränkung, als jedenfalls nicht willkürlich bezeichnet; angesichts der einschneidenden Prozentsätze auf längere Zeit und ihrer Auswirkungen auf das grundlegende Recht des Landbesitzers zur Realisierung seines Grundeigentums könne die Eigentumsbeschränkung bestimmt nicht als leicht gelten. Im vorliegenden Fall besteht die Gewinnbeteiligungspflicht nach den Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal sogar im Umfange von 100% für das erste Jahr und reduziert sich um je einen Zwölftel für die weiteren elf Jahre. Das Gewinnbeteiligungsrecht bezieht sich nicht nur auf den Gewinn aus Verkauf, sondern auch aus Verwertung des zugeteilten Landes. Zudem ist bei der Berechnung des Gewinnes der "landwirtschaftliche" (zehnfacher Bonitierungswert) und nicht der wirkliche Verkehrswert zu berücksichtigen. Dies kann zur Folge haben, dass der Grundeigentümer ![]() | 14 |
b) Nach Auffassung des Landwirtschaftsgerichtes bildet § 95 des Landwirtschaftsgesetzes des Kantons Zürich vom 22. September 1963 eine genügende gesetzliche Grundlage für das umstrittene Gewinnbeteiligungsrecht. Allerdings bestand diese gesetzliche Bestimmung zur Zeit der Annahme von § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal am 19. Februar 1963 noch nicht, doch erhielt die statutarische Vorschrift im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landwirtschaftsgesetzes nachträglich eine gesetzliche Grundlage, soweit sie durch § 95 gedeckt war (vgl. BGE 107 Ib 31 f. E. 2a; GRISEL, L'application du droit public dans le temps, ZBl 75/1974 S. 239). Nun bestreiten aber die Beschwerdeführer zu Recht, dass diese kantonale Bestimmung nicht nur für den Fall der Veräusserung, sondern auch der anderweitigen Verwertung von neu zugeteiltem Boden eine Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers zulasse.
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Nach § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft beschlägt die Gewinnbeteiligungspflicht ausdrücklich auch den Fall der Wertvermehrung des zugeteilten Landes infolge Verwertung. Unter "Verwertung" wird, wie sich aus dem Protokoll der die Statutenänderung beschliessenden Generalversammlung ergibt, jede nichtlandwirtschaftliche gewinnbringende Nutzung des Bodens (so etwa auch der Bau eines Wohnhauses durch den Grundeigentümer) verstanden. Demgegenüber räumt § 95 des kantonalen Landwirtschaftsgesetzes vom 22. September 1963 den Meliorationsgenossenschaften nur die Möglichkeit ein, in den Statuten die Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers bei Veräusserung von neu zugeteiltem Land vorzusehen. Von anderen gewinnbringenden Nutzungen wird nichts erwähnt. Das Landwirtschaftsgericht hat für den hier umstrittenen Fall der Kiesausbeutung die Gewinnausgleichspflicht dennoch bejaht, da die Kiesausbeutung die Realisierung eines Teiles des Verkehrswertes des ![]() | 16 |
Wie bereits in BGE 104 Ia 338 f. E. 3 und 4 dargelegt worden ist, ist das Gewinnbeteiligungsrecht bzw. die Gewinnbeteiligungspflicht kein notwendiger Bestandteil des Güterzusammenlegungsverfahrens. Nur wenige Kantone kennen dieses Institut und auch der Zürcher Gesetzgeber hat es - übrigens nur vorübergehend - den Meliorationsgenossenschaften anheimgestellt, ein Gewinnbeteiligungsrecht einzuführen oder darauf zu verzichten. Die Gewinnbeteiligung in der bekannten Form steht sogar mit den Grundsätzen des Landumlegungsverfahrens in gewissem Sinne in Widerspruch, tritt doch der Grundeigentümer seinen Landbesitz an das Gesamtunternehmen ab und steht ihm diesem gegenüber ein Neuzuteilungsanspruch zu, während der auszugleichende Gewinn nicht dem Unternehmen, sondern dem Altbesitzer zu überlassen ist und dadurch mehr oder weniger zufällig eine "bilaterale" Beziehung zwischen zwei Beteiligten entsteht (vgl. ANTOGNINI, Le respect de la garantie de la propriété dans les remaniements parcellaires, ZBl 72/1971 S. 10, KUTTLER, Die Raumordnung als Aufgabe des Rechtsstaates, in: Der Staat als Aufgabe, Gedenkschrift für Max Imboden, S. 222). Das Gewinnbeteiligungsrecht sollte deshalb nur als Korrektur für nicht voraussehbare oder nicht anders vermeidbare mangelhafte Ergebnisse des Zusammenlegungsverfahrens vorgesehen werden und einzig dort einsetzen, wo der Verpflichtete tatsächlich bereichert aus der Zusammenlegung hervorgegangen ist und der Berechtigte im Vergleich zu diesem schlechter dasteht (ANTOGNINI, a.a.O. S. 10/11, KUTTLER, a.a.O. S. 222/223). Wie ein solches Gewinnbeteiligungsrecht im einzelnen ausgestaltet werden müsste, ist vom Bundesgericht auch hier nicht darzulegen (vgl. BGE 95 I 375). Ist aber die Gewinnausgleichspflicht ![]() | 17 |
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Das Bundesgericht hat es bereits in BGE 95 I 375 ff. E. 6c als verfassungswidrig bezeichnet, den Gewinn anhand der Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem "landwirtschaftlichen Verkehrswert" festzusetzen, sofern dieser dem eigentlichen Verkehrswert des Bodens nicht entspricht. Eine solche Berechnung habe zur Folge, dass der Veräusserer dem früheren Eigentümer nicht nur die seit der Neuzuteilung eingetretene Wertsteigerung, die sich als "Gewinn" betrachten lasse, zu vergüten habe, sondern ebenfalls einen Teil des Wertes, den sein früheres wie auch das ihm neu ![]() | 19 |
Gemäss BGE 95 I 377 ff. E. 6d ist es ebenfalls nicht haltbar, eine Gewinnausgleichspflicht ohne Rücksicht darauf zu statuieren, ob der Berechtigte nicht auch seinerseits in der Güterzusammenlegung Land erhalten hat, das gewinnbringend verkauft oder verwertet werden kann. Erhält der frühere Eigentümer des verkauften oder verwerteten Landes einen Gewinnanteil, obschon er selbst auch gewinnträchtigen Boden zugeteilt erhielt, so wird er bereichert und der durch die Güterzusammenlegung erreichte Wertausgleich zerstört. Auch in diesem Punkte kann entgegen der Meinung des Landwirtschaftsgerichtes die verfassungswidrige Regelung der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal nicht durch Auslegung korrigiert werden.
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