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26. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Januar 1988 i.S. Gemeinde Gaiserwald gegen Genossenschaft Migros St. Gallen und Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Gemeindeautonomie. |
2. Die sanktgallischen Gemeinden besitzen im Sachbereich der Vergnügungssteuer, soweit es um die Festlegung des Gegenstandes der Vergnügungssteuer geht, keine Autonomie (E. 3). |
3. Voraussetzungen, unter denen eine Gemeinde sonst staatsrechtliche Beschwerde führen kann (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 20. August 1985 ersuchte die Genossenschaft Migros den Gemeinderat Gaiserwald um eine rekursfähige Verfügung über die ![]() | 2 |
Einen dagegen eingereichten Rekurs hiess die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 27. Oktober 1986 teilweise gut. Die Rekurskommission verneinte die Steuerpflicht für die Bowlingpisten, die Kegel- und Bocciabahnen sowie für das Blockhaus auf dem Spielplatz.
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Sowohl die Gemeinde Gaiserwald als auch die Genossenschaft Migros erhoben gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Mit Entscheid vom 26. März 1987 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Genossenschaft Migros gut und hob den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission auf. Die Beschwerde der Gemeinde Gaiserwald ist, nach den Akten zu schliessen, beim Verwaltungsgericht noch hängig.
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Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. März 1987 führt die Gemeinde Gaiserwald fristgerecht staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt:
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"Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. März sei aufzuheben;
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unter Kosten- und Entschädigungsfolge."
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In der Begründung beruft sie sich auf ihre Gemeindeautonomie und macht eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Rechtsanwendung geltend.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Die Genossenschaft Migros stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin.
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Aus den Erwägungen: | |
2. a) Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen Bereich nicht abschliessend ordnet, ![]() | 10 |
Eine Gemeinde kann sich somit im Rahmen der Autonomiebeschwerde zwar nicht auf die Verletzung in verfassungsmässigen Rechten der Bürger berufen. Sie kann jedoch geltend machen, die kantonalen Instanzen hätten zugunsten der Gegenpartei ein Grundrecht allzu weit ausgelegt oder zu ihrem Nachteil einen Verfassungsgrundsatz verletzt und damit ihre Autonomie in unzulässiger Weise eingeschränkt (BGE 112 Ia 63 E. 3a; BGE 110 Ia 200 E. 3b mit Hinweisen). In diesem Fall steht ihr auch die Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV zu, aber nur dann, wenn sie sich im Zusammenhang damit auf eine Verletzung in ihrer Autonomie berufen kann (BGE 112 Ia 269 E. 1a; BGE 110 Ia 51 E. 4a).
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b) Ob und inwieweit eine Gemeinde in einem bestimmten Bereich autonom ist, richtet sich nach kantonalem Verfassungs- und Gesetzesrecht; teilweise werden auch ungeschriebene und historisch gewachsene Autonomiebereiche anerkannt (GIACOMETTI, Staatsrecht der schweizerischen Kantone, S. 76). Das Bundesgericht prüft auf staatsrechtliche Beschwerde hin die Anwendung dieses kantonalen Rechts frei, soweit es sich um Normen auf Verfassungsebene handelt; bei gesetzlichen Vorschriften erfolgt die Überprüfung hingegen nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (BGE 112 Ia 342 E. 2 mit Hinweisen).
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3. a) Die Beschwerdeführerin macht - unter Berufung auf Art. 4 des Gemeindegesetzes des Kantons St. Gallen vom 23. August 1979 - geltend, bei der Anwendung der Vorschriften über die Vergnügungssteuer, insbesondere bei der Anwendung von Art. 189 des Steuergesetzes des Kantons St. Gallen vom 23. Juni 1970 (StG), bestehe für die Gemeinden eine erhebliche Entscheidungsfreiheit. Die Vergnügungssteuer sei eine Gemeindesteuer und falle in die kommunale Abgabehoheit (Art. 165 lit. e StG). Ihr ![]() | 13 |
b) Die Beschwerdeführerin stützt die von ihr beanspruchte Autonomie im Sachbereich der Vergnügungssteuer nicht auf Verfassungsbestimmungen. Die Kantonsverfassung (KV) garantiert ihr in diesem Bereich auch keine Autonomie; vielmehr liegt das Steuerwesen in der Gesetzgebungskompetenz des Grossen Rates (Art. 55 Ziff. 7 KV).
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c) Nach Art. 4 des Gemeindegesetzes sind die sanktgallischen Gemeinden autonom, soweit die Gesetzgebung ihre Entscheidungsfreiheit nicht einschränkt (Abs. 1). In der Rechtssetzung haben die Gemeinden Entscheidungsfreiheit, wenn die Gesetzgebung keine abschliessende Regelung trifft oder die Gemeinde ausdrücklich zur Rechtssetzung ermächtigt (Art. 4 Abs. 2 Gemeindegesetz).
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Das kantonale Steuergesetz regelt u.a. auch die Gemeindesteuern (Art. 1 lit. d StG). Es bestimmt in Art. 165 StG, welche Steuern von den politischen Gemeinden erhoben werden. Darunter fällt auch die Vergnügungssteuer (Art. 165 lit. d StG). Die in Art. 165 StG enthaltene Aufzählung muss als abschliessende Regelung angesehen werden. Die Gemeinden dürfen weder auf die Erhebung der in Art. 165 StG aufgezählten Steuern verzichten, noch von sich aus andere Gemeindesteuern einführen. Die Gemeinden des Kantons St. Gallen haben folglich keine eigene, sondern nur eine abgeleitete Steuerhoheit; sie steht ihnen nicht kraft ihrer Autonomie, sondern kraft gesetzlicher Ermächtigung zu (vgl. WEIDMANN/GROSSMANN/ZIGERLIG, Wegweiser durch das st. gallische Steuerrecht, S. 15).
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d) Es bleibt zu prüfen, ob den Gemeinden im Sachbereich der Vergnügungssteuer aufgrund der im Steuergesetz enthaltenen Regelung ein Autonomiebereich zusteht.
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Materieller Streitgegenstand ist die Frage, welche Einrichtungen des Freizeitzentrums Säntispark als Gegenstand der Vergnügungssteuer in Betracht zu ziehen sind. In Art. 189 StG werden die vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltungen umschrieben; in ![]() | 18 |
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass gemäss Art. 193 Abs. 3 StG der Gemeinderat ermächtigt wird, Vollzugsvorschriften zu erlassen. Ob sich diese Ermächtigung auf den Erlass von Verfahrensvorschriften beschränkt, wie aus der Marginalie und dem übrigen Inhalt des Art. 193 StG geschlossen werden könnte, braucht nicht weiter geprüft zu werden. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gemeinderat aufgrund der Ermächtigung zum Erlass von Vollzugsvorschriften das im kantonalen Steuergesetz umschriebene Steuerobjekt oder den Kreis der Steuerpflichtigen erweitern oder beschränken darf.
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e) Die Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie ist daher abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin im streitigen Bereich keine Autonomie geniesst.
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In ihrer Begründung weist die Beschwerdeführerin schliesslich darauf hin, dass für sie der Entscheid über die Steuerpflicht der Beschwerdegegnerin von grosser finanzieller Tragweite sei. Sie beruft sich indessen nicht auf die Bestandesgarantie (vgl. BGE 110 Ia 50 f.). Damit entfällt eine Prüfung der staatsrechtlichen Beschwerde unter diesem Gesichtspunkt.
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