BGE 114 Ia 332 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Juni 1988 i.S. Dr. X. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV. Rechtsverweigerung; Auslegung eines Dispositivs in bezug auf Parteientschädigung. |
2. Gegenstandslosigkeit eines Rekurses, weil eine anfänglich gerechtfertigte Massnahme zufolge Änderung der Verhältnisse aufgehoben worden ist. Die Nichterwähnung der Parteientschädigung im Abschreibungsbeschluss ist in diesem Fall als Ablehnung einer Entschädigung zu interpretieren (E. 3). | |
Sachverhalt | |
Dr. X. trat als Vermittler zwischen der Y.-Versicherung als Versichererin zweier gestohlener Bilder und Z. auf, welcher von den Dieben oder Hehlern dieser Bilder kontaktiert worden sein soll. Es wurde vereinbart, dass die Bilder der Versicherung gegen Bezahlung eines Geldbetrages übergeben würden und dass diese Transaktion, insbesondere die Zahlung, über Dr. X. abgewickelt werden solle. Am 18. Januar 1988 wurden die Bilder von der Versicherung übernommen. Gleichentags ordnete die Bezirksanwaltschaft Zürich eine Sperre über den Safe von Dr. X. bei der Zürcher Kantonalbank an, in den er den von der Versicherung zur Weitergabe an Z. erhaltenen Betrag gelegt hatte. Trotz der Beteuerungen von Dr. X., das Geld bereits weitergegeben zu haben, gab die Bezirksanwaltschaft den Safe erst am 9. Februar 1988 nach einer Sichtung des Safeinhaltes und weiteren Untersuchungshandlungen frei.
| 1 |
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich schrieb nach erfolgter Aufhebung der Sperre einen Rekurs als gegenstandslos ab, den Dr. X. am 1. Februar 1988 gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft vom 18. Januar 1988 eingereicht hatte. Im Abschreibungsbeschluss findet sich kein ausdrücklicher Entscheid über die Frage einer Parteientschädigung für Dr. X. Auch die Begründung des Beschlusses enthält dazu keine Bemerkungen.
| 2 |
Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV beantragt Dr. X. im wesentlichen, der Entscheid der Staatsanwaltschaft sei aufzuheben und diese sei anzuweisen, über seinen Antrag auf Zusprechung einer angemessenen Umtriebsentschädigung zu entscheiden. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden kann.
| 3 |
Aus den Erwägungen: | |
4 | |
a) Das Dispositiv des angefochtenen Entscheides spricht sich über eine Entschädigung des Beschwerdeführers nicht ausdrücklich aus. Das Bundesgericht hat sich mit derartigen Fällen wiederholt in Revisionsverfahren gemäss Art. 136 lit. c OG befasst und dabei festgestellt, wenn in einem Urteil keine Parteientschädigung zugesprochen werde, so sei damit auf jeden Fall formell über das gestellte Entschädigungsbegehren entschieden. Bei diesem Vorgehen besteht allerdings die Möglichkeit, dass der urteilende Richter die Entschädigungsfrage durch Nichterwähnen dieses Punktes im Urteilsdispositiv formell entscheidet, ohne jedoch die Frage tatsächlich geprüft und beurteilt zu haben. Von der erwähnten Betrachtungsweise weicht das Bundesgericht deshalb ab und lässt die Revision zu, wenn mit triftigen Gründen angenommen werden kann, das Gericht habe es tatsächlich unterlassen, über die Parteientschädigung zu entscheiden, sei es, weil es diesen Punkt bei der Urteilsfällung überhaupt ausser acht liess, sei es, weil es irrtümlich davon ausging, ein Entschädigungsbegehren sei nicht gestellt worden (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. Milchlieferungsgesellschaft Götighofen c. F. und EVD vom 13. Oktober 1978 E. 4a und b). Es rechtfertigt sich, diese Praxis im vorliegenden Fall einer staatsrechtlichen Beschwerde gegenüber einer kantonalen Instanz, der Rechtsverweigerung durch Nichtbeurteilung eines Antrages auf Parteientschädigung vorgeworfen wird, analog anzuwenden.
| 5 |
b) Wird beispielsweise eine Beschwerde abgewiesen, so versteht sich von selbst, dass der unterlegene Beschwerdeführer seine Kosten selber zu tragen hat. Die stillschweigende Abweisung seines Entschädigungsbegehrens bedarf somit keiner weiteren Begründung. Doch kann selbst dann, wenn das Entschädigungsbegehren einer obsiegenden Partei in solcher Weise ohne Begründung übergangen wurde, noch nicht ohne weiteres auf eine fälschliche Nichtbeurteilung dieses Antrages geschlossen werden. Ist die Ablehnung des Entschädigungsbegehrens aufgrund der in derartigen Fällen geltenden gesetzlichen Bestimmungen oder infolge von dem Betroffenen bekannten Umständen ohne weiteres verständlich, so ist zu vermuten, dass das Gericht den Antrag in entsprechendem Sinne beurteilt hat. Lediglich dann, wenn die Ablehnung des Entschädigungsbegehrens aufgrund der einschlägigen Verfahrensvorschriften und der übrigen Umstände nicht oder nicht ohne weiteres verständlich ist, darf aus der fehlenden Begründung des Kostenentscheides gefolgert werden, das Entschädigungsbegehren sei unbeurteilt geblieben.
| 6 |
c) Es geht vorliegend somit einzig um die Frage, ob nach den Akten die Verweigerung einer Parteientschädigung verständlich erscheint. Ist dies zu bejahen, so kann nach der dargestellten Praxis davon ausgegangen werden, die Staatsanwaltschaft habe das Entschädigungsbegehren geprüft und beurteilt.
| 7 |
8 | |
... Geht die Gegenstandslosigkeit des Rekurses lediglich darauf zurück, dass eine anfänglich gerechtfertigte Massnahme später zufolge Änderung der Verhältnisse aufgehoben wird, so ist darin materiell nicht ein Obsiegen des Rekurrenten zu erblicken, das ohne weiteres nach einer Parteientschädigung ruft. Gegenteils ist ein Entscheid, der in dieser Situation keine Parteientschädigung zuspricht, durchaus als stillschweigende Ablehnung einer Parteientschädigung zu interpretieren.
| 9 |
Auch der Umstand, dass dem Beschwerdeführer keine amtlichen Kosten auferlegt wurden, spricht nicht gegen diese Betrachtungsweise. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass bei blossen Abschreibungsbeschlüssen aus prozessökonomischen Gründen von der Erhebung von Kosten selbst dann abgesehen wird, wenn sich diese an sich begründen liesse. Das ist offensichtlich auch die im Kanton Zürich geltende Praxis; jedenfalls tut der Beschwerdeführer nichts Gegenteiliges dar.
| 10 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |