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61. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Juni 1988 i.S. Politische Gemeinde Obfelden gegen X., Y. und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Gemeindeautonomie; kommunale Nutzungsplanung. |
Die Absicht einer Gemeinde, durch die Ausscheidung von Reservezonen ihr Wachstum besser zu steuern und damit zu bremsen, ist verfassungsrechtlich haltbar. | |
Sachverhalt | |
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Die Politische Gemeinde Obfelden, vertreten durch den Gemeinderat, führt staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht und beantragt, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben; die Beschlüsse der Gemeindeversammlung Obfelden vom 28. Februar und 6. März 1985 seien zu bestätigen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen teilweise gut und hebt den angefochtenen Regierungsratsentscheid vom 9. September 1987 auf.
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Aus den Erwägungen: | |
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Der Regierungsrat führt hiezu im angefochtenen Entscheid aus, die von der Gemeinde geltend gemachte Redimensionierung zu grosser Bauzonen liege grundsätzlich in einem erheblichen öffentlichen Interesse. Die Bauzonen müssten Land umfassen, das sich für die Überbauung eigne und voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen werde (Art. 15 RPG). Derselbe Grundsatz sei in § 47 Abs. 2 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG) enthalten. Dessen Abs. 3 verpflichte die Gemeinden, bei der Festsetzung der Bauzonen darauf zu achten, dass immer genügend Land für Wohnungen und Arbeitsplätze eingezont sei. Die von der Fachstelle Wirtschaft und Bevölkerung des Amtes für Raumplanung geführte Statistik ergebe für die Gemeinde Obfelden folgende - hinsichtlich der neuen Zonenordnung und des Entscheides der Baurekurskommission II über das Grundstück Kat.-Nr. 3480 bereinigte - Wohnzonenverbrauchs- und Reservezahlen:
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Werden die ca. 1,37 ha der Grundstücke der Rekurrenten miteinbezogen, erhöht sich die Reservezeit auf rund 17 Jahre."
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Ginge es einzig darum, fuhrt der Regierungsrat weiter aus, die geforderten gesetzlichen Wohnzonenreserven bereit zu stellen, müssten aufgrund der dargestellten Daten die Grundstücke der Rekurrenten nicht eingezont bleiben. In der bei einer Zonenänderung von Wohn- in Reservezone erforderlichen Abwägung zwischen den sich gegenüberstehenden privaten und öffentlichen Interessen falle jedoch ins Gewicht, dass die Wohnzonenreserven nur knapp über dem gesetzlichen Mindestausmass lägen. Von einem erheblichen öffentlichen Interesse an einer Redimensionierung der Wohnzonen um die Fläche der Grundstücke der Rekurrenten könne dabei nicht mehr gesprochen werden.
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Ein Blick auf den revidierten Zonenplan vom 28. Februar und 6. März 1985 zeigt, dass die Gemeinde - wie erwähnt - an verschiedenen Orten Reservezonen ausgeschieden hat, um das von Art. 15 lit. b RPG vorgesehene Dimensionierungsziel mit einer Reservezeit von 15 Jahren zu erreichen. Allerdings kam sie dabei rechnerisch "nur" auf 16,2 Jahre. Mit den ca. 1,37 ha der Grundstücke der Beschwerdegegner ergibt sich sogar eine Reservezeit von 17 Jahren, womit sich die Bauzonengrösse noch mehr vom zeitlichen Planungshorizont gemäss Art. 15 lit. b RPG entfernt. Hiergegen setzt sich die Gemeinde zur Wehr.
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Die Grundstücke der Beschwerdegegner sind zwar groberschlossen, was sich aus den Akten ergibt. An einer Feinerschliessung fehlt es indessen. Hierzu wäre voraussichtlich die Durchführung eines Quartierplanverfahrens nötig. Eine Abgrenzung zwischen Bauzonen- und Nichtbauzonenland ist unter dem Gesichtspunkt der Lage der beiden Grundstücke Nrn. 2190 und 3075 unter Einbezug derselben sowohl in die Bauzone als auch in die Reservezone vertretbar. Aufgrund ihrer Lage erscheinen beide Grenzziehungen sachlich haltbar. Der ausschlaggebende Grund, der nach Ansicht des Regierungsrates für einen Einbezug der beiden Parzellen in die Bauzone spricht, wird im angefochtenen Entscheid näher dargelegt. Danach haben die Beschwerdegegner die Grundstücke 1972 erworben, also zwei Jahre nach Genehmigung der Bauordnung, ![]() | 10 |
Der Regierungsrat stützt seine Begründung unter anderem auf das Urteil des Bundesgerichts vom 23. Dezember 1981 i.S. Gemeinde Marthalen ab (BGE 107 Ib 334 ff.). Es gilt indessen zu beachten, dass es in jenem Fall primär Gründe der Rechtsgleichheit waren, die eine Wiedereinzonung von durch die Gemeinde ausgezontem Land als geboten erscheinen liessen. Treu und Glauben wurde als Grundlage für eine Wiedereinzonungspflicht dagegen ausdrücklich verworfen, weil, wie im vorliegenden Fall, keine verbindliche Zusicherung für einen Anspruch auf Belassung des Landes in der Bauzone vorlag. Immerhin fügte das Bundesgericht in jenem Entscheid bei, angesichts der ausgearbeiteten Überbauungsprojekte, die nicht zuletzt wegen der inzwischen erfolgten strassenmässigen Erschliessung aufgeschoben worden seien, sei durch die Vorgeschichte ein erhebliches konkretes Interesse an der Belassung der Parzellen in der Bauzone ausgewiesen.
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4. Für das Festlegen der Bauzonen ist nicht allein Art. 15 RPG massgebend. Die Bauzonenausscheidung hat wie alle Raumplanung eine auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtete Ordnung der Besiedlung zu verwirklichen (Art. 22quater Abs. 1 BV). Sie stellt eine Gestaltungsaufgabe dar ![]() | 12 |
Entsprechend kann der im vorliegenden Fall aufgrund einer Flächenverbrauchsstatistik errechnete - und damit auf sachlich vertretbare Weise ermittelte (s. BGE vom 27. Oktober 1982 in ZBl 84/1983, S. 319, E. 5c) - Bedarf an Bauland für die nächsten 15 Jahre nicht der einzige Gesichtspunkt sein, nach welchem sich eine Ortsplanung auszurichten hat. Ein solcher Planungsautomatismus verstiesse gegen zahlreiche bedeutsame Planungsgrundsätze des Raumplanungsgesetzes. Der Baulandbedarf stellt zwar ein wichtiges Entscheidungskriterium dar. Daneben sind aber immer auch weitere Planungsgrundsätze und Gesichtspunkte zu beachten.
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Art. 15 RPG und § 47 Abs. 2 PBG enthalten demnach keine absolut aufzufassenden Planungsgrundsätze. Auch sie sind vielmehr - wie etwa die in Art. 16 RPG für die Ausscheidung von Landwirtschaftszonen und in Art. 17 RPG für Schutzzonen geltenden Grundsätze - nur als relativ zu betrachten (vgl. BGE vom 13. Mai 1988 in BVR 1988, S. 333, E. 2b). Sie stellen wie alle anderen Planungsgrundsätze Zielvorstellungen, Wertungshilfen und Entscheidungskriterien dar, die bei der Schaffung und der Revision von Nutzungsplänen zu beachten sind. Diese Grundsätze sind nicht widerspruchsfrei zueinander, weshalb sie im einzelnen Anwendungsfall gegeneinander abzuwägen sind. Somit kann der Baulandbedarf für sich alleine keine Bauzonengrösse bestimmen. Das zeigt sich schon daran, dass es Fälle gibt, wo für eine rein auf den Bedarf ausgerichtete Bauzonenplanung objektiv zu wenig ![]() | 14 |
Bei der erwähnten Interessenabwägung sind im vorliegenden Fall als gewichtige Gesichtspunkte die Interessen der Gemeinde an einer geordneten, nicht einzig vom Baulandbedarf diktierten Entwicklung sowie die privaten Interessen der Grundeigentümer auf Belassung ihres Landes in der Bauzone zu berücksichtigen. Dies hat der Regierungsrat nur zum Teil in verfassungsrechtlich haltbarer Weise getan. Er hat die Interessen der Privaten im Verhältnis zu den von der Gemeinde namhaft gemachten zu hoch eingestuft. Aufgrund der Grösse der Bauzone, der geografischen und erschliessungstechnischen Lage der fraglichen Grundstücke und des Erschliessungs- und Überbauungsstandes im Gebiet Buechbärlihoger, aber auch im Hinblick auf die planungsrechtliche Vorgeschichte dieses Landes und damit auf die Interessen der privaten Beschwerdegegner am Einbezug ihres Landes in die Bauzone erweist sich vielmehr einzig die ursprünglich vom Gemeinderat vorgesehene Zonierung als angemessene Lösung. Diese Lösung berücksichtigt die Absicht der Gemeinde, durch die Ausscheidung von Reservezonen ihr Wachstum besser zu steuern und damit zu bremsen, was in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts als verfassungsrechtlich haltbar erachtet worden ist (nicht publ. Urteile vom 15. November 1984 i.S. Scuol, E. 3a, vom 20. Juni 1984 i.S. La Punt-Chamues-ch, E. 3b, und vom 11. März 1981 i.S. Volketswil, E. 3c); zudem ergibt sie eine etwas näher beim Planungsgrundsatz von Art. 15 lit. b RPG liegende Bauzonengrösse als die vom Regierungsrat vorgesehene Variante, und schliesslich berücksichtigt sie auch die Interessenlage der beiden Grundeigentümer in angemessener Weise.
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Indem der Regierungsrat die Gemeinde nicht bloss zu einer den aufgezeigten Verhältnissen angemessenen Vergrösserung der Bauzone an geeigneter Stelle einlud, sondern die Einzonung der ganzen Fläche von Parzelle Nr. 2190 und nebstdem die Einzonung von Parzelle Nr. 3075 verlangte, griff er zu weit in den Gestaltungsspielraum der Gemeinde ein und setzte er sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Gemeinde, wodurch er deren Autonomie verletzte.
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