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3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. April 1989 i.S. S. gegen Obergericht (2. Strafkammer) des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; Anspruch auf rechtliches Gehör, Fristwahrung, vorweggenommene Beweiswürdigung. |
2. Wenn ein Gericht in vorweggenommener Beweiswürdigung darauf verzichtet, beantragte Zeugen einzuvernehmen, prüft das Bundesgericht diesen Verzicht auf Willkür hin (E. 3a). | |
Sachverhalt | |
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Achtung:
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Dieser Brief wurde mittels Einwurf in den Briefkasten der Post Zürich Riesbach der PTT übergeben am: 25.11.1987, 23.55 Uhr
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Zeugen:
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Frau F., (Adresse und Unterschrift)
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Frau L., (Adresse und Unterschrift)
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Der Poststempel dieses Couverts trägt das Datum des 26. Novembers 1987, 12.00 Uhr.
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Die Obergerichtskanzlei erkundigte sich am 25. April 1988 telefonisch beim Verwalter-Stellvertreter des Postamts Zürich Riesbach. Über das Ergebnis wurde folgende Aktennotiz erstellt:
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Herr A. teilte mit, dass, wenn alles normal verlaufe, Briefe, welche am Vorabend in den Briefkasten geworfen werden, am anderen Tag um 7.00 Uhr abgestempelt und bereits dem Versand übergeben werden. Es sei unwahrscheinlich, dass dieser Brief bis 12.00 Uhr bei der Post Riesbach liegengeblieben sei.
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Gestützt hierauf trat das Obergericht mit Urteil vom 9. Juni 1988 auf die Berufung nicht ein.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV verlangt S. die Aufhebung dieses Urteils. Er beschwert sich über eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, beanstandet die obergerichtliche Beweiswürdigung als willkürlich und erblickt in der über sechsmonatigen Dauer des Berufungsverfahrens eine Rechtsverzögerung. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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c) Das Obergericht hat die auf dem Briefumschlag der Berufungseingabe angebrachten Bestätigungen der beiden Zeuginnen für sich allein nicht als für die rechtzeitige Postaufgabe beweiskräftig erachtet. Es stellte aber auch nicht einfach auf die Zeitangabe auf dem Poststempel vom 26. November 1987, 12.00 Uhr ab, sondern hielt eine Erkundigung beim Postamt Zürich Riesbach für erforderlich. Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich, dass diese Abklärung für die Willensbildung des Obergerichtes wesentlich war. Sie war zur Beeinflussung der Willensbildung auch objektiv geeignet, was auch der im Vergleich zur Aktennotiz der Obergerichtskanzlei etwas stärker differenzierende Bericht des Vorstehers des fraglichen Postamts an den Vertreter des Beschwerdeführers vom 15. Juli 1988 zeigt. Das Obergericht hätte dem Beschwerdeführer gemäss Art. 4 BV Gelegenheit geben müssen, entweder bei der Beweiserhebung selber mitzuwirken oder aber auf jeden Fall zum Ergebnis Stellung zu nehmen. Da dem Beschwerdeführer dieses Mitwirkungsrecht nicht eingeräumt wurde und das Obergericht den angefochtenen Nichteintretensentscheid auf diese Erkundigung abstützte, wurde der Gehörsanspruch des Beschwerdeführers verletzt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.
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3. a) Ist der Obergerichtsentscheid schon wegen dieser Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzuheben, so kann offenbleiben, ob der Gehörsanspruch auch dadurch verletzt worden ist, dass das Obergericht die beiden als Zeuginnen aufgeführten Frauen - worunter die Ehefrau des Verteidigers - nicht einvernommen hat. Der Verzicht auf deren Einvernahme wäre verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn die vorweggenommene Beweiswürdigung, die das Obergericht zum Verzicht auf die Erhebung ![]() | 16 |
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