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14. Urteil des Kassationshofes vom 30. August 1989 i.S. X. und Y. gegen Staatsanwaltschaft und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; Gleichbehandlung im Unrecht. | |
Sachverhalt | |
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Die Gebüssten erhoben Einsprache. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Winterthur bestätigte den Strafbefehl am 28. April 1987 zur Hauptsache, mit Ausnahme der Busse im Falle von X., die er auf Fr. 4'000.-- herabsetzte, löschbar bei einer Probezeit von einem Jahr. Am 10. November 1987 bestätigte die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich das Urteil des Einzelrichters im wesentlichen; nur auf die Solidarhaft bei der Abschöpfungsforderung wurde verzichtet.
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Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies eine gegen den Entscheid des Obergerichts gerichtete kantonale Nichtigkeitsbeschwerde am 23. Februar 1989 ab, soweit darauf eingetreten werden konnte.
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X. und Y. führen in einer Eingabe staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Februar 1989 sei aufzuheben, da er gegen Art. 4 BV verstosse.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Weicht die Behörde nicht nur in einem oder in einigen Fällen, sondern in ständiger Praxis vom Gesetz ab, und gibt sie zu erkennen, dass sie auch in Zukunft nicht gesetzeskonform entscheiden werde, so kann der Bürger verlangen, gleich behandelt, d. h. ebenfalls gesetzwidrig begünstigt zu werden (BGE 108 Ia 213 E. a; GEORG MÜLLER, Kommentar zur BV, N 45 zu Art. 4 mit weiteren Hinweisen). Dieser Grundsatz gilt entgegen der Ansicht der Vorinstanz auf allen Rechtsgebieten und somit auch im Strafrecht; bloss die Interessenabwägung kann je nach Rechtsgebiet anders vorzunehmen sein (MÜLLER a.a.O. N 47 und ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 73/74, je mit Hinweisen).
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Nur wenn eine Behörde nicht gewillt ist, eine rechtswidrige Praxis aufzugeben, überwiegt das Interesse an der Gleichbehandlung der Betroffenen gegenüber demjenigen an der Gesetzmässigkeit, weil das Recht bloss in einem Einzelfall richtig angewendet, später aber wieder zur illegalen Praxis zurückgekehrt werden soll. Mit der Feststellung der Unrechtmässigkeit und dem Verbot der opportunistischen Durchbrechung der Praxis kann die Behörde hingegen veranlasst werden, sie grundsätzlich zu überprüfen und zu berichtigen, was auch der Gesetzmässigkeit dient (MÜLLER, a.a.O. N 46 mit Hinweisen). Äussert sich die Behörde nicht über ihre Absicht, so nimmt das Bundesgericht an, sie werde aufgrund der Erwägungen seines Urteils zu einer gesetzmässigen Praxis übergehen (BGE 98 Ib 26; HAEFLIGER a.a.O. S. 74).
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Das Kassationsgericht verweist auf den Zwang zur Einschränkung bzw. Konzentration der polizeilichen Ermittlungen, die sich aus objektiven, nicht von der Polizei oder den sonstigen Strafverfolgungsbehörden zu vertretenden Umständen ergebe. Dies darf jedoch nicht zu einer Strafverfolgungspraxis führen, die mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht zu vereinbaren ist (s. unten E. 3b). Andernfalls hätten die politischen Behörden die notwendigen Mittel für eine einheitliche Strafverfolgungspraxis zur Verfügung zu stellen.
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Die Beschwerdeführer wurden wegen unzüchtiger Veröffentlichung in der Form eigentlicher Pornografie zur Rechenschaft gezogen. Sie können deshalb nicht eine rechtsungleiche Behandlung geltend machen, indem sie sich auf den "Modus vivendi" mehrerer Kinobesitzer und Filmverleiher berufen, nach welchem sich diese, kurz gesagt, auf harmlosere Sexfilme beschränken und die Zürcher Untersuchungsbehörden diese faktisch tolerieren. Soweit dies der Fall ist, liegt eine im Vergleich mit dem Fall der Beschwerdeführer sachlich gerechtfertigte unterschiedliche Strafverfolgungspraxis vor. Diesbezüglich ist aber darauf hinzuweisen, dass gegenüber einem einzelnen, der wegen unzüchtiger Veröffentlichung in der im "Modus vivendi" umschriebenen Form verurteilt würde, auch eine rechtsungleiche Behandlung zu erblicken wäre, die im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts entweder zu einer Aufgabe dieser Praxis oder dann zur Freisprechung des Betroffenen führen müsste.
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c) Soweit sich die Beschwerdeführer schliesslich auf die Praxis in anderen Kantonen berufen, sind sie nicht zu hören, weil das Gebot rechtsgleicher Anwendung des Rechts nur verletzt ist, wenn die gleiche Behörde gleiche Sachverhalte unterschiedlich beurteilt und behandelt (BGE 104 Ia 158 mit Hinweisen; HAEFLIGER a.a.O. S. 72, MÜLLER a.a.O. N 39).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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