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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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115 Ia 103 20. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. März 1989 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht (I. Strafkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; Amtliche Verteidigung im Strafverfahren. | |
Sachverhalt | |
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Den von X. hiergegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich (I. Strafkammer) am 9. Dezember 1988 ab. Zur Begründung führt es aus, der zu beurteilende Fall biete weder tatsächliche noch rechtliche Schwierigkeiten, denen X. nicht gewachsen sei, wobei letztere weniger in der Qualifikation der zu beurteilenden Handlungen als in der Beweiswürdigung lägen; diesbezüglich sei jedoch zu beachten, dass der zürcherische Strafrichter im Hinblick auf das Anklageprinzip nicht an die Anträge und Vorbringen der Verfahrensbeteiligten gebunden sei. Im Lichte des das zürcherische Strafverfahren beherrschenden Offizialprinzips sowie der Grundsätze der Rechtsanwendung und der freien Beweiswürdigung von Amtes wegen ergäbe sich, dass bei Fällen, welche keine besonderen Schwierigkeiten böten und wo die Höhe der allenfalls auszufällenden Freiheitsstrafe ein Jahr nicht übersteige, die Befürchtung unbegründet erscheine, der nicht durch einen Anwalt vertretene Angeklagte könnte einen Rechtsnachteil erleiden. Gegen den Entscheid des Obergerichts hat X. staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
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aus folgenden Erwägungen: | |
4. Der Beschwerdeführer macht im weitern geltend, in Verletzung von Art. 4 BV sei ihm die Bestellung eines amtlichen Verteidigers verweigert worden. Im vorliegenden Fall müssten "knifflige" rechtliche Probleme beantwortet werden und auch in tatsächlicher Hinsicht stellten sich schwierige Fragen. Zwar sei ihm sein Sohn im Strafverfahren bisher behilflich gewesen, was aber wegen dessen beruflicher Stellung künftig nicht mehr der Fall sein könne. Vom Wissen seines Sohnes dürfe auch nicht auf seine eigene ![]() | 3 |
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat der Angeklagte auf Grund von Art. 4 BV keinen Anspruch auf amtliche Verteidigung, wenn es sich bei der Strafsache um einen Bagatellfall handelt und sie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten bietet, denen der Angeklagte nicht gewachsen ist. Unabhängig von den tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten besteht hingegen im allgemeinen schon dann ein Anspruch auf amtliche Verteidigung, wenn der Angeklagte mit einer Strafe zu rechnen hat, für welche wegen ihrer Dauer von mehr als 18 Monaten die Gewährung des bedingten Vollzuges ausgeschlossen ist, oder wenn eine freiheitsentziehende Massnahme von erheblicher Tragweite in Frage steht (BGE 113 Ia 221 E. 3b, BGE 111 Ia 83 E. 2c mit Hinweisen). Bei einer weiteren Gruppe von als relativ schwer zu bezeichnenden Strafsachen beantwortet das Bundesgericht die Frage der Notwendigkeit der amtlichen Verteidigung aufgrund der Umstände des Einzelfalles. Dabei stellt es auf verschiedene Kriterien ab: neben der Schwere der vom Angeklagten zu gewärtigenden Sanktion zieht es die Schwierigkeit des Straffalles in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in Betracht; hierfür können etwa die rechtliche Qualifikation einer Tat und die Frage der Täterschaft sowie der Umstand entscheidend sein, ob ein Geständnis vorliegt (BGE 103 Ia 5 E. 2 mit Hinweisen). Jene Schwierigkeiten sind an den Fähigkeiten des Angeklagten zu messen.
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Vorweg ist festzuhalten, dass das Obergericht die Aufgabe des Strafverteidigers verkennt und sie auch völlig unterschätzt, wenn es sich darauf beruft, im vorliegenden Strafverfahren seien die Rechtsanwendung und die Beweiswürdigung von Amtes wegen vorzunehmen. Jedenfalls kann mit einem Verweis auf das in Strafverfahren geltende Offizialprinzip nicht argumentiert werden, ein Angeklagter brauche den Beistand eines Anwaltes nicht (BGE 112 Ia 16 E. b, BGE 95 I 361 E. b; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, 1985, S. 173).
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Im vorliegenden Fall liegt auch kein sogenannter Bagatellfall vor. Davon kann insbesondere dann nicht mehr die Rede sein, wenn eine Freiheitsstrafe von mehreren Monaten in Betracht kommt (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O. S. 175). Gegen den Beschwerdeführer ist immerhin eine unbedingte Gefängnisstrafe ![]() | 6 |
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