BGE 115 Ia 400 | |||
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61. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1989 i.S. Firma B. gegen Firma A. und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 58 Abs. 1 BV, Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit; Art. 87 OG, Anfechtbarkeit von Entscheiden über Ablehnungsbegehren. |
2. Prozessuale Fehler oder ein möglicherweise falscher materieller Entscheid vermögen grundsätzlich für sich allein nicht den Anschein der Befangenheit eines Richters zu begründen. Anders kann es sich verhalten, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die als schwere Verletzung der Richterpflichten beurteilt werden müssen (E. 3b). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Firma A. mit Sitz in Belgrad, als Klägerin, und die Firma B. mit Sitz in Oberhausen in der Bundesrepublik Deutschland, als Beklagte, sind seit 1984 Parteien eines Schiedsgerichtsverfahrens vor einem der Verfahrensordnung der Internationalen Handelskammer in Paris unterstehenden Schiedsgericht mit Sitz in Zürich. Das Schiedsgericht setzte sich anfänglich zusammen aus dem Obmann Prof. C., dem von der Klägerin ernannten Schiedsrichter Prof. D. und dem von der Beklagten ernannten Schiedsrichter Prof. E.
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Nachdem zwischen den Schiedsrichtern Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Abnahme von Beweisen entstanden waren, erklärte Prof. D. am 28. Oktober 1986 seinen Rücktritt als Schiedsrichter und verliess die Sitzung des Schiedsgerichts. In der Folge fällte das Schiedsgericht ohne Mitwirkung von Prof. D. einen Entscheid, mit dem das Rechtsbegehren 1 der Klägerin abgewiesen wurde. Dieser Teilschiedsspruch wurde vom Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer am 16. September 1987 genehmigt und am 8. November 1987 von Prof. C. und Prof. E. unterzeichnet.
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B.- Mit Eingabe vom 19. Mai 1987 stellte die Firma A. bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich den Antrag, es sei anzuordnen, dass die Schiedsrichter Prof. C. und E. in den Ausstand zu treten hätten. Das Gesuch wurde im wesentlichen damit begründet, die beiden Schiedsrichter seien befangen, weil sie das Schiedsverfahren nach dem Rücktritt von Prof. D. allein weitergeführt hätten.
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Die Verwaltungskommission wies das Ablehnungsbegehren am 2. Juni 1987 ab. Auf Nichtigkeitsbeschwerde der Gesuchstellerin hob das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 10. Februar 1988 den Beschluss der Verwaltungskommission auf und wies die Sache im Sinne seiner Erwägungen an diese zurück. Darauf hiess die Verwaltungskommission mit Zirkular-Beschluss vom 25. April 1988 das Ablehnungsbegehren gut und verpflichtete den Obmann Prof. C. und den Schiedsrichter Prof. E., in den Ausstand zu treten. Auf eine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Gesuchsgegnerin trat das Kassationsgericht am 9. Dezember 1988 nicht ein.
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Die Beschwerdegegnerin stellt die Anträge, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, soweit sie gegen den Entscheid des Kassationsgerichts gerichtet sei, und sie sei abzuweisen, soweit sie gegen den Zirkular-Beschluss des Obergerichts gerichtet sei.
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Die Beschwerdeführerin hat auch den Beschluss des Kassationsgerichts vom 9. Dezember 1988 mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Das Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges gemäss Art. 86 Abs. 2 OG steht dem Antrag der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht entgegen. Da eine erneute Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht sinnlos war, soweit dessen Auffassung bereits feststand, konnte die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit der ständigen Praxis des Bundesgerichts den Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts direkt mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV anfechten (BGE 106 Ia 236 mit Hinweisen).
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c) Klarzustellen ist schliesslich, dass im Fall einer Gutheissung der Beschwerde lediglich - wie beantragt - der Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts und nicht auch jener des Kassationsgerichts vom 10. Februar 1988 formell aufgehoben werden kann. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist allerdings auch die Begründung des Entscheides vom 10. Februar 1988 zu überprüfen, soweit die darin vertretene Rechtsauffassung von der Verwaltungskommission des Obergerichts übernommen worden ist.
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Gemäss § 96 Ziff. 4 GVG, der aufgrund des Verweises von § 244 Abs. 2 ZPO auch für das Schiedsverfahren gilt, kann ein Schiedsrichter abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die ihn als befangen erscheinen lassen. Dieser allgemeine Ablehnungsgrund setzt nach der kantonalen Rechtsprechung nicht voraus, dass der betreffende Richter in einer Angelegenheit tatsächlich befangen und nicht zu einem unparteiischen Urteil fähig ist. Es genügt, wenn aufgrund der Umstände bei objektiver Beurteilung der Anschein einer - wenn auch tatsächlich nicht vorhandenen - Voreingenommenheit des Richters erweckt wird (BGE 108 Ia 50 E. 2a mit Hinweisen). Die gleichen Anforderungen hat das Bundesgericht aus dem von der Beschwerdeführerin neben Art. 4 BV ebenfalls angerufenen Art. 58 Abs. 1 BV abgeleitet (BGE 115 Ia 175 E. 3 mit Hinweisen). Da die beiden Rügen inhaltlich gleich begründet werden, jener aus Art. 4 BV aber keine selbständige Bedeutung zukommt, steht dem Bundesgericht im Ergebnis freie, d.h. nicht auf Willkür beschränkte Kognition zu (BGE 114 Ia 52 E. 2b, BGE 108 Ia 50 E. 2 und 3).
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b) Vorab ist festzuhalten, dass an die Unbefangenheit eines Schiedsrichters die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an jene eines staatlichen Richters (BGE 105 Ia 247 f. mit Hinweisen). Es gelten deshalb die Prinzipien, welche das Bundesgericht im Zusammenhang mit Ablehnungsbegehren gegen staatliche Richter aus Art. 58 Abs. 1 BV abgeleitet hat. Dazu gehört insbesondere der Grundsatz, dass prozessuale Fehler oder auch ein möglicherweise falscher materieller Entscheid für sich allein nicht den Anschein der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Anders verhält es sich nur, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die als schwere Verletzung der Richterpflichten beurteilt werden müssen. Denn mit der Tätigkeit des Richters ist untrennbar verbunden, dass er über Fragen zu entscheiden hat, die oft kontrovers oder weitgehend in sein Ermessen gestellt sind. Selbst wenn sich die im Rahmen der normalen Ausübung seines Amtes getroffenen Entscheide als falsch erweisen, lässt das nicht an sich schon auf seine Parteilichkeit schliessen (BGE 114 Ia 158 E. bb, BGE 111 Ia 264 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 113 Ia 409 /10). Zudem kann das Ablehnungsverfahren in der Regel nicht zur Beurteilung behaupteter Verfahrens- oder anderer Fehler des Richters dienen. Solche Rügen sind im dafür vorgesehenen Rechtsmittelverfahren geltend zu machen (BGE 114 Ia 158 E. bb; nicht publ. Urteil vom 14. November 1979 E. 8b, zitiert von JOLIDON, Commentaire du concordat suisse sur l'arbitrage, S. 272 lit. f; Sem. Jud. 1983 S. 524).
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c) Im Lichte dieser Rechtsprechung erweist sich die von der Verwaltungskommission des Obergerichts übernommene Betrachtungsweise des Kassationsgerichts als verfassungswidrig. Das den Schiedsrichtern Prof. C. und Prof. E. vorgeworfene Vorgehen reicht aufgrund objektiver Beurteilung für sich allein nicht aus, den Anschein ihrer Voreingenommenheit gegenüber der Beschwerdegegnerin zu erwecken. Ob das von der Beschwerdegegnerin von ihrem subjektiven Standpunkt aus anders empfunden wird, ist für die Beurteilung unerheblich (BGE 115 Ia 176 mit Hinweis). Nicht zu äussern hat sich das Bundesgericht sodann zur Frage, ob das Vorgehen der beiden Schiedsrichter mit § 249 Abs. 1 ZPO vereinbart werden kann. Das bleibt dem von der Beschwerdegegnerin gegen den Teilschiedsspruch eingeleiteten Rechtsmittelverfahren vorbehalten.
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