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19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 31. Mai 1990 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Obergericht (I. und II. Strafkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands. |
2. Diese zürcherische Praxis verletzt im zu beurteilenden Anwendungsfall auch nicht den aus Art. 4 BV fliessenden verfassungsrechtlichen Minimalanspruch auf unentgeltliche Verteidigung (E. 4b). | |
Sachverhalt | |
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Am 12. Januar 1990 stellte Rechtsanwältin Y. beim Bezirksgericht Zürich, bei dem die Anklage immer noch hängig war, ein zweites Gesuch um Umwandlung der erbetenen in eine amtliche Verteidigung. Diesem Begehren wurde vom Bezirksgericht Zürich nicht entsprochen und im Hinblick auf den unmittelbar bevorstehenden zweiten Teil der Hauptverhandlung vom 26. Januar 1990 vorsichtshalber der ursprüngliche amtliche Verteidiger von X. erneut zum amtlichen Verteidiger bestellt. Zwei Tage vor dieser Verhandlung teilte Rechtsanwältin Y. dem Gericht telefonisch mit, sie werde X. doch weiterhin verteidigen. Der amtliche Verteidiger wurde daraufhin vom Bezirksgericht Zürich erneut entlassen. Dieses sprach X. am 26. Januar 1990 verschiedener Betäubungsmitteldelikte schuldig und bestrafte ihn mit drei Jahren Zuchthaus, abzüglich 267 Tage Untersuchungshaft.
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Gegen dieses Urteil erhob Rechtsanwältin Y. im Namen von X. Berufung an das Obergericht. Gleichzeitig mit ihrer Berufungserklärung vom 5. Februar 1990 stellte sie ein drittes Gesuch um Bestellung als amtliche Verteidigerin. Mit Beschluss vom 28. März 1990 wies das Obergericht (II. Strafkammer) das Gesuch ab und setzte Rechtsanwältin Y. Frist zur Erklärung an, ob sie weiterhin als erbetene Verteidigerin des Angeklagten tätig sein werde.
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B.- In der Zwischenzeit hatte die Bezirksanwaltschaft Zürich gegen X. eine neue Untersuchung wegen weitern Handels mit Heroin eröffnet. Am 30. Juni 1989 stellte Rechtsanwältin Y. beim Präsidenten des Bezirksgerichtes Zürich für dieses neue Verfahren ein Gesuch um Umwandlung der erbetenen in eine amtliche Verteidigung. Der Präsident des Bezirksgerichtes Zürich wies das Gesuch mit Verfügung vom 1. Februar 1990 ab.
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Gegen diesen Entscheid erhob X. Rekurs beim Obergericht. Das Obergericht (I. Strafkammer) wies den Rekurs mit Entscheid vom 27. März 1990 ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Der Anspruch einer unbemittelten Partei, einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu erhalten, bestimmt sich zunächst nach den Vorschriften des kantonalen Rechts. Nur wenn dieses keine oder ungenügende Vorschriften enthält, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV hergeleiteten Regeln ein, die ein Mindestmass an Rechtsschutz und damit an Verteidigungsmöglichkeiten gewährleisten (BGE 114 Ia 101 f. E. 2 mit Hinweisen). § 13 Abs. 2 letzter Satz StPO verlangt, ein Vorschlag des Gesuchstellers mit Bezug auf die Person des amtlichen Verteidigers sei nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Die zürcherische Praxis geht dahin, dass ein solcher Anspruch nur einmal zu Beginn einer Strafuntersuchung besteht. Einen solchen Anspruch hatte bei Beginn der ersten Untersuchung auch der Beschwerdeführer. Die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechtes, d.h. von § 13 Abs. 2 letzter Satz StPO, prüft das Bundesgericht gestützt auf Art. 4 BV grundsätzlich nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür, d.h. es kann nur eingreifen, wenn die Auslegung nicht nur unrichtig, sondern schlechthin unhaltbar ist (BGE 114 Ia 27 E. 3b, BGE 113 Ia 19 E. 3a). Das Bundesgericht hat bereits am 10. Oktober 1988 entschieden, dass die einmalige Möglichkeit eines Vorschlagsrechts im Hinblick auf die Person des amtlichen Verteidigers vor dem Willkürverbot standhält (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 10. Oktober 1988 i.S. P. E. 4). Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was ein Abweichen von dieser Praxis rechtfertigen würde. Es ist demnach an ihr festzuhalten. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt nicht vor.
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b) Es bleibt zu prüfen, ob eine Verletzung der bundesrechtlichen Minimalgarantie von Art. 4 BV vorliegt.
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bb) Der Beschwerdeführer bringt vor, es bestehe kein Vertrauen mehr in den ursprünglichen amtlichen Verteidiger. In den beiden Beschwerdeschriften wird indessen nichts Substantiiertes vorgebracht, weshalb dieser seine Aufgabe nicht korrekt erfüllt haben sollte bzw. weshalb das Vertrauensverhältnis aus objektiven Gründen gestört sei. Es wird lediglich auf einige Schreiben des Beschwerdeführers an Rechtsanwältin Y. hingewiesen, worin dieser betont, er möchte nur diese als Verteidigerin bzw. es sei "ein einfaches, mir so einen Rechtsanwalt zu geben, der nur dem Staatsanwalt beipflichtet". Der Beschwerdeführer übersieht, dass dieses Vorbringen allein keinen Grund für einen berechtigten Wechsel des amtlichen Verteidigers bildet. Der Beschwerdeführer verkennt auch, dass die Art und Weise der Verteidigung der amtliche Verteidiger bestimmt und dass dieser nicht bloss das unkritische Sprachrohr seines Mandanten ist (vgl. dazu auch Robert Hauser, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Auflage, Basel 1984, S. 97). Im vorliegenden Fall sind die Verhältnisse keineswegs derart, dass nicht weiterhin eine effektive Verteidigung durch den ursprünglichen amtlichen Verteidiger möglich wäre. Im Gegenteil, es geht aus den Akten eindeutig hervor, dass Rechtsanwalt X. seine Pflichten ordnungsgemäss erfüllt hat, namentlich den Beschwerdeführer relativ häufig in der Untersuchungshaft besuchte.
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c) Mit Bezug auf das zweite Strafverfahren bringt der Beschwerdeführer zusätzlich vor, dieses sei vom ersten grundsätzlich unabhängig, so dass die Argumentation, weshalb einem Wechsel des amtlichen Verteidigers nicht zugestimmt werden könne, nicht ohne weiteres einfach auf das neue Verfahren übertragen werden könne.
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Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers ist widersprüchlich, pflichtet er doch auf der selben Seite seiner Beschwerdeschrift der Argumentation ausdrücklich bei, es sei sinnvoll und zweckmässig, wenn er in beiden gegen ihn anhängigen Verfahren durch den selben Anwalt vertreten werde. Dies trifft denn auch um so mehr zu, als für den Fall, dass das erste Verfahren vorzeitig rechtskräftig ![]() | 13 |
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