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62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. September 1990 i.S. Gemeinde Düdingen gegen Zahno und Staatsrat des Kantons Freiburg (staatsrechtliche Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Raumplanung, Gemeindeautonomie; Spezialplanung für ein Einkaufszentrum. | |
Sachverhalt | |
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Die Gemeinde Düdingen erhebt gegen diesen Entscheid des Staatsrates des Kantons Freiburg mit Eingabe vom 22. Januar 1990 staatsrechtliche Beschwerde und subsidiär Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht.
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Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein und heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Da mangels rechtsgenüglicher Begründung auf die Rüge betreffend die Zonenkonformität nicht eingetreten werden kann, ist einzig zu prüfen, ob der Staatsrat willkürlich das Vorliegen eines Tatbestandes der Spezialplanung nach Art. 69 und 70 RPBG verneint hat.
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Nach der Rechtsprechung liegt Willkür nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid der kantonalen Behörde nur auf, wenn dieser offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 114 Ia 27 f. E. 3b, 218 E. 2a, BGE 113 Ia 106 E. 2b).
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b) Art. 69 Abs. 1 lit. a RPBG bezeichnet den Bau von Einkaufs- und Verteilerzentren als Gegenstand von Spezialplänen, ohne den Begriff des Einkaufszentrums näher zu umschreiben.
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Nach den Darlegungen des Staatsrates ist auch den Materialien und der kantonalen Rechtsprechung eine Umschreibung dieses Begriffs nicht zu entnehmen. Der Staatsrat ging bei seiner Beurteilung davon aus, dass ein Einkaufszentrum dann gegeben sei, wenn von der Art des Betriebes her ein besonderer Umsatz, ein reiches und vielfältiges Warenangebot und eine dadurch bedingte deutliche Abhebung gegenüber der Konkurrenz gegeben sei. Das Vorhaben müsse geeignet sein, die Kunden vom Ortszentrum wegzulocken und auf diese Weise (über das Absterben der bisherigen Betriebe im Ortskern) die Güterversorgung letztlich in Frage zu stellen, statt sie zu verbessern. Damit ein Einkaufszentrum vorliege, müsse eine gewisse Palette von alltäglichen Gütern und Dienstleistungen angeboten werden, sei dies durch einen oder mehrere Anbieter. Von der Verkehrssituation her müsse der Tagesverkehr 30 Fahrzeuge oder mehr pro 100 m2 Bruttoladenfläche betragen und der Spitzenverkehr pro Stunde 6 Fahrzeuge ![]() | 11 |
c) Die Beschwerdeführerin rügt diese Auslegung als unhaltbar. Dass ein Einkaufszentrum begriffsnotwendig Frischprodukte führe, sei nicht notwendig. Die versorgungstechnischen Auswirkungen auf die Bevölkerung seien in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Ein Verkaufsgeschäft auf 2500 m2 Fläche wie "Otto's Warenposten", mit ganzschweizerisch 30 weiteren Filialen, einem breiten Warenangebot, einer überregionalen Einkaufsorganisation und einer strikten Arbeitsteilung beim Personal könne nur als Einkaufszentrum betrieben werden.
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d) Das Bundesgericht hatte sich in seiner bisherigen Rechtsprechung mit der Frage der Zulässigkeit von raumplanerischen Beschränkungen von Einkaufszentren vorab unter den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der Handels- und Gewerbefreiheit und der Eigentumsgarantie zu befassen (vgl. BGE 110 Ia 169, 109 Ia 264 ff., BGE 102 Ia 113). Zum Begriff des Einkaufszentrums hatte es indessen nicht im einzelnen Stellung zu nehmen.
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aa) Einkaufszentren stellen, wie das Bundesgericht festgestellt hat, besondere, atypische Betriebe dar, die regelmässig raumplanerisch ![]() | 14 |
bb) Dem unterschiedlichen Regelungszweck entsprechend, besteht darüber, was unter einem Einkaufszentrum zu verstehen ist, keine einheitliche Definition. Als bedeutsam erscheint die Vielfalt des Warenangebots und die Grösse der im Einkaufszentrum vorhandenen oder zusammengefassten Verkaufseinheiten des Detailhandels. Dass ein Einkaufszentrum aus mehreren Geschäften besteht, wird aus baurechtlicher Sicht regelmässig nicht vorausgesetzt (vgl. § 5 der zürcherischen Verordnung über die Verschärfung oder die Milderung von Bauvorschriften für besondere Anlagen/Besondere Bauverordnung II; Art. 24 Abs. 1 der Bauverordnung des Kantons Bern). Als Kriterien für die Anwendbarkeit von besonderen Vorschriften für Einkaufszentren sowohl hinsichtlich der Quartierplanungspflicht als auch bezüglich der gesetzmässigen Beschränkung der Verkaufseinheiten dienen regelmässig die Nettoladenflächen. Diesbezüglich können u.a. Verkaufseinheiten mit 1000 bis 4000 m2 (Kleinzentren) und solche von 4000 bis 12 000 m2 (Mittelzentren) Nettoladenfläche als Einkaufszentren bezeichnet werden (BGE 102 Ia 119). Das Erfordernis, wonach Verkaufseinheiten von über 1000 m2 Nettoladenfläche nur aufgrund eines rechtskräftigen Quartierplans bewilligt werden dürfen, wurde als einleuchtend bezeichnet (BGE BGE 102 Ia 118). Im Hinblick auf die im ![]() | 15 |
cc) In seinem angefochtenen Entscheid wendete der Staatsrat den Begriff des Einkaufszentrums so an, wie wenn es um eine normale Baubewilligung ginge. Er stellte insbesondere auf die betriebs- und volkswirtschaflichen Gegebenheiten des Betriebes und auf das vermutliche Verkehrsaufkommen ab. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht wie in einem Baubewilligungsverfahren um die Frage, ob eine Baute oder Anlage der im Plan vorgesehenen Nutzung und den entsprechenden Vorschriften des Baureglements entspricht. Es geht vielmehr darum, ob die Gemeinde wegen den räumlichen Auswirkungen des Bauvorhabens ein Planungsbedürfnis bejahen und daher eine Spezialplanung nach Art. 69 und 70 RPBG verlangen durfte. Diese Spezialplanung ermöglicht der Gemeinde, die Planungsgrundsätze des RPG (Art. 3 RPG) auch bei Einkaufszentren zu verwirklichen, wie dies denn auch in Art. 70 Abs. 1 RPBG ausgeführt wird. Bei der Frage, ob ein Planungsbedürfnis überhaupt vorliegt, sind für den Begriff des Einkaufszentrums weniger streng formulierte Kriterien massgebend. Im Gegensatz zum Baubewilligungsverfahren muss man sich mit einem Kriterium wie der Grösse der Verkaufsfläche begnügen.
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Wenn ein Bauvorhaben geeignet ist, die Güterversorgung im Ortskern in Frage zu stellen oder ein bestimmtes Verkehrsaufkommen zu verursachen, so können diese Merkmale wohl für die Konkretisierung der in Art. 70 RPBG genannten Planungsgrundsätze und Bedingungen bezüglich Strassenverkehr massgeblich sein. Sie sind jedoch nicht entscheidend für die Frage, ob ein Planungsbedürfnis besteht und daher eine entsprechende Planung überhaupt an die Hand zu nehmen sei. Das Vorliegen eines Planungsbedürfnisses hängt auch nicht von der momentanen örtlichen Versorgungslage ab. Darauf würde es aber hinauslaufen, wenn mit dem Staatsrat auf das schon bestehende Bahnhofzentrum abgestellt würde. Das Planungsbedürfnis kann auch nicht davon abhängen, dass neben Haushaltgegenständen aller Art Frischprodukte angeboten werden.
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Es entspricht dem Sinn der zugrundeliegenden Planungspflicht, dass der Begriff des Einkaufszentrums einerseits nicht zu eng ausgelegt wird und andererseits nicht an begriffliche Voraussetzungen geknüpft wird, welche ohne weiteres ändern können und ![]() | 18 |
All das gebietet, den Begriff des Einkaufszentrums im vorliegenden Zusammenhang nicht nur in einem engen betriebs- und volkswirtschaftlichen Sinn, sondern nach dem planerischen Sinn und Zweck der Bestimmung auszulegen. Danach ist die Grösse der Verkaufsfläche durchaus ein geeignetes Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Planungsbedürfnis vorliege. Im vorliegenden Fall weist das Bauvorhaben eine Bruttoverkaufsfläche von 2400 m2 auf, was auf ein erhebliches Planungsbedürfnis schliessen lässt. Gleichwohl hat der Staatsrat das Vorliegen eines Einkaufszentrums verneint und die Spezialplanung nach Art. 69 f. RPBG ausgeschlossen. Damit hat er zu Unrecht in die Planungszuständigkeit der Gemeinde eingegriffen. Das hat der Staatsrat mit seinem Hinweis auf das mögliche Vorgehen nach Art. 85 RPBG und die dort für die Gemeinde vorgesehene Möglichkeit, das Baugesuchsverfahren zur Erstellung eines Detailbebauungsplans einzustellen, denn auch indirekt anerkannt. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich insoweit als berechtigt.
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