![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Juli 1991 i.S. D. gegen Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Anspruch auf einen unverzüglichen gerichtlichen Entscheid über die Rechtmässigkeit der Haft; Anwendungsbereich der Vorschrift. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
![]() | 2 |
Aus den Erwägungen: | |
3 | |
a) Das Appellationsgericht hat die Haftbeschwerde am 5. Juni 1991 behandelt. Demzufolge war bei Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde vom 13. Juni 1991 ein aktuelles praktisches Interesse an der Überprüfung der erhobenen Rügen nicht mehr gegeben. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 88 OG ist jedoch ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses zu verzichten, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können und an ihrer Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und sofern sie im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsgerichtlich überprüft werden könnten (BGE 114 Ia 90 /91 E. 5b mit Hinweisen). Dies trifft auf die hier in Frage stehenden Rügen zu. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
| 4 |
b) Gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht raschmöglichst über die Rechtmässigkeit der Haft entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Der Beschwerdeführer macht geltend, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und derjenigen des Bundesgerichts sei es mit dem in dieser Vorschrift gewährleisteten Anspruch auf einen unverzüglichen gerichtlichen Entscheid unvereinbar, wenn in einem nicht komplexen oder schwierigen Fall erst nach 31 bzw. 46 Tagen oder nach 41 Tagen über ein Haftentlassungsgesuch ![]() | 5 |
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im folgenden abgekürzt: EGMR) erachtete in dem die Schweiz betreffenden Fall Sanchez-Reisse (Urteil vom 21. Oktober 1986, Serie A, Nr. 107, Ziff. 55-61 = EuGRZ 1988, S. 526 ff.) eine Verletzung des Art. 5 Ziff. 4 EMRK deshalb für gegeben, weil das Bundesgericht in einer Angelegenheit betreffend Entlassung aus der Auslieferungshaft, in welcher es nicht um komplexe Probleme ging, erst nach 31 bzw. 46 Tagen über die Haftentlassungsbegehren entschieden hatte. Mit Rücksicht auf diese Rechtsprechung des EGMR hat das Bundesgericht in der Folge Verfahrensdauern von 41 Tagen (BGE 114 Ia 88 ff. = EuGRZ 1989, S. 180 f.), 51 bzw. 53 Tagen (Urteil vom 28. September 1989 = EuGRZ 1989, S. 441 ff.) und über 80 Tagen (unveröffentlichtes Urteil vom 9. Januar 1991 i.S. S.) als mit dem Anspruch auf einen unverzüglichen gerichtlichen Entscheid nicht vereinbar erklärt. Alle diese Fälle betrafen Verfahren, in denen ein Gericht als erste richterliche Instanz (sei es als Haftrichter, sei es als Rechtsmittelinstanz gegen den Entscheid einer Verwaltungsbehörde) über die Rechtmässigkeit der Haft entschieden hat. Das hier in Frage stehende Verfahren bezieht sich dagegen auf die Haftprüfung durch die zweite gerichtliche Instanz, die über den Rekurs gegen die Ablehnung des Haftentlassungsbegehrens durch den erstinstanzlichen Richter zu befinden hatte. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, die Garantie von Art. 5 Ziff. 4 EMRK müsse auch für ein solches "Rechtsmittelverfahren bei abgelehnter Haftentlassung gelten, da vor der Rechtsmittelinstanz mindestens sinngemäss ebenfalls und erneut die Haftentlassung verlangt" werde "nebst der Aufhebung des negativen vorinstanzlichen Entscheids". Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Nach dem Wortlaut von Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jeder Inhaftierte das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem "von einem Gericht" raschmöglichst über die Rechtmässigkeit der Haft entschieden wird. Die Vorschrift will nur sicherstellen, dass jeder Freiheitsentzug so rasch als möglich durch eine gerichtliche Instanz auf seine Rechtmässigkeit hin überprüft wird. Der EGMR hat im Fall De Wilde, Ooms und Versyp (Urteil vom 18. Juni 1971, Serie A, Nr. 12, S. 40/41, Ziff. 76) ausgeführt, wenn man vom Wortlaut sowie von Sinn und Zweck des Art. 5 Ziff. 4 EMRK ausgehe, so ![]() | 6 |
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Vorschrift von Art. 5 Ziff. 4 EMRK, wonach ein Gericht raschmöglichst über die Rechtmässigkeit der Haft zu befinden hat, nur für solche Verfahren gilt, in denen ein Gericht als erste gerichtliche Haftprüfungsinstanz tätig ist. Wenn diese Instanz raschmöglichst entschieden hat, ist dem Art. 5 Ziff. 4 EMRK Genüge getan. Hat ein Gericht - wie das hier geschah - als zweite gerichtliche Instanz über die Frage der Rechtmässigkeit der Haft bzw. über ein in der Rechtsmitteleingabe gestelltes Begehren um Haftentlassung entschieden, kommt die Vorschrift nicht zur Anwendung. Die Frage, ob eine Rechtsverzögerung begangen worden sei, beurteilt sich in diesem Fall ![]() | 7 |
Nach dem Gesagten erweist sich die Rüge des Beschwerdeführers, er sei im Haftprüfungsverfahren vor dem Appellationsgericht in seinem Anspruch auf einen unverzüglichen Entscheid nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK verletzt worden, als unbegründet.
| 8 |
c) Es bleibt zu prüfen, ob das Appellationsgericht gegen das aus Art. 4 BV abgeleitete Verbot der Rechtsverzögerung verstossen hat.
| 9 |
Die Gerichte sind aufgrund des Rechtsverzögerungsverbotes gehalten, ihre Arbeit so zu organisieren, dass das Verfahren in allen ihnen vorgelegten Fällen innerhalb einer angemessenen Frist zum Abschluss gebracht werden kann. Ob eine gegebene Prozessdauer als angemessen zu betrachten ist, muss im Hinblick auf die Natur und den Umfang des Rechtsstreites beurteilt werden (BGE 107 Ib 165 E. 3c mit Hinweisen). Im weiteren bestimmt sich die zulässige Verfahrensdauer nach der Gesamtheit der übrigen Umstände (LORENZ MEYER, a.a.O., S. 35 f.). Ein Verfahren wird demnach dann über Gebühr verzögert, wenn der Entscheid nicht binnen der Frist getroffen wird, welche nach der Natur und dem Umfang (Kompliziertheit) der Sache sowie nach der Gesamtheit der übrigen Umstände als angemessen erscheint.
| 10 |
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer gegen den sein Haftentlassungsbegehren ablehnenden Entscheid der Strafgerichtspräsidentin vom 27. April 1991 am 3. Mai 1991 eine an das Appellationsgericht gerichtete Haftbeschwerde bei der Post aufgegeben. Das Appellationsgericht entschied die Beschwerde am 5. Juni 1991. Der Beschwerdeführer macht geltend, seit Einreichung der Haftbeschwerde beim Appellationsgericht bis zum Erhalt des appellationsgerichtlichen Dispositivs am 12. Juni 1991 seien 40 Tage vergangen, wovon ein Tag zu seinen Lasten gehe, ![]() ![]() | 11 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |