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49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Juni 1991 i.S. M. gegen Gemeinde Flims und Regierung des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 88 OG, Art. 4 und Art. 22ter BV; Ortsplanungsrevision; Beschwerdelegitimation; Einzonung in die Bauzone. |
2. Ein Landwirt, dessen Land der Bauzone zugewiesen wird, ist zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (E. 2). |
3. Ebenso ist er in seiner Eigenschaft als Pächter legitimiert, gegen die Einzonung des von ihm gepachteten Landes staatsrechtliche Beschwerde zu erheben (E. 3). |
4. Im vorliegenden Fall ist die umstrittene Einzonung mit sachlichen Gründen nicht vertretbar (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 4. Dezember 1988 hiessen die Stimmberechtigten der Gemeinde Flims eine Revision der Ortsplanung, bestehend aus einem neuen Zonenplan, einem revidierten Baugesetz und einem neuen Strassen- und Fusswegplan gut. Gemäss dem neuen Zonenplan blieben die Grundstücke Nrn. 3891 und 1585 in unverändertem Ausmass eingezont. Sie wurden der Bauzone A zugeteilt.
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Hiegegen erhob M. Beschwerde bei der Regierung des Kantons Graubünden. Er beantragte, die zur Bauzone gehörenden Teile der Parzellen Nrn. 3891 und 1585 seien auszuzonen und in die Landwirtschaftszone einzuteilen. Die Regierung wies die Beschwerde am 12. März 1990 ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus, eine Auszonung der beiden Grundstücke wäre planerisch zwar vertretbar gewesen. Der Gemeinde komme aber im Rahmen ihrer Planungsautonomie grundsätzlich eine erhebliche Entscheidungsfreiheit zu, welche die Regierung zu beachten habe.
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Das Bundesgericht heisst die von M. erhobene staatsrechtliche Beschwerde gut aus folgenden
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Erwägungen: | |
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Das Recht zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde richtet sich unabhängig davon, ob dem Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung zukam, ausschliesslich nach Art. 88 OG. Danach steht die Beschwerdebefugnis Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist demnach nur legitimiert, wer durch den angefochtenen Hoheitsakt in rechtlich geschützten eigenen Interessen beeinträchtigt wird (BGE 113 Ia 428 mit Hinweisen).
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2. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Nr. 3891. Es fragt sich, ob er durch den Umstand, dass diese Parzelle in die Bauzone A eingezont werden soll, in welcher nur freistehende Ein- und Mehrfamilienhäuser (Art. 40 Abs. 1 des Baugesetzes der Gemeinde Flims vom 4. Dezember 1988, BauG) zulässig sind, in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen wird. Grundsätzlich kann er seine Liegenschaft trotz der Einzonung - zumindest vorläufig - weiterhin landwirtschaftlich nutzen. In der Bauzone A sind jedoch nur nichtstörende Betriebe gestattet, die ihrem Wesen nach in Wohnquartiere passen und das ruhige und gesunde Wohnen in keiner Weise beeinträchtigen (Art. 40 Abs. 3 in Verbindung mit 95 Abs. 1 lit. a BauG). Bereits diese gesetzlichen Vorschriften, die entsprechende Berücksichtigung der künftigen Lärmempfindlichkeitsstufen (Lärmstufen II bzw. III) und die Tatsache, dass Landwirtschaftsbetriebe ganz allgemein nicht in eine reine Wohnzone gehören, machen deutlich, dass der Betrieb des Beschwerdeführers in der Bauzone A zonenwidrig wäre. Im Falle eines Umbaus oder einer baulichen Vergrösserung der - zonenwidrigen - Liegenschaft wäre eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 23 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) und Art. 5 BauG notwendig, auf deren Erteilung der Beschwerdeführer keinen Anspruch hat (Art. 5 Abs. 2 BauG). Eine allfällige Bewilligung könnte zudem mit einem Beseitigungsrevers versehen werden (Art. 116 BauG). Durch die Einzonung würde überdies die bestimmungsgemässe Nutzung des Landwirtschaftsbetriebes zum ![]() | 8 |
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a) Wie dargelegt, ist zur staatsrechtlichen Beschwerde nur legitimiert, wer durch den angefochtenen Hoheitsakt in seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt wird. Hoheitsakte können nicht nur ihren Adressaten benachteiligen, sondern zugleich weitere Personen, die zum direkt Betroffenen in einer besonderen Beziehung stehen. Solch mittelbar Betroffene sind zur Anfechtung befugt, wenn sie sich bezüglich des beanstandeten Eingriffs nicht nur im Schutzbereich des angerufenen Grundrechts befinden, sondern sich zugleich auf eine Gesetzesnorm berufen können, die gerade ihre eigenen Interessen im fraglichen Bereich schützt (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 242 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Unabhängig davon, welches verfassungsmässige Recht der Beschwerdeführer anruft, muss er dartun, dass eine Gesetzesnorm besteht, die ihm im beeinträchtigten Interessenbereich einen Rechtsanspruch einräumt oder die dem Schutz seiner Interessen dient (WALTER KÄLIN, a.a.O., S. 231).
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b) Der Pachtvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater für die Parzelle Nr. 1585 ist mündlich und auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Gemäss Art. 16 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes über die landwirtschaftliche Pacht vom 4. Oktober 1985 (LPG; SR 221.213.2) kann er daher im Rahmen von Art. 7, 8 und 16 Abs. 3 LPG unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr gekündigt werden. Indessen steht jeder Vertragspartei gestützt auf Art. 26 LPG das Recht auf ![]() | 11 |
Diese Voraussetzungen von Art. 27 Abs. 2 lit. e LPG, die kumulativ erfüllt sein müssen (STUDER/HOFER, Das Landwirtschaftliche Pachtrecht, Brugg 1987, S. 179) und die eine Pachterstreckung verunmöglichen würden, sind heute nicht erfüllt. Daran ändert nichts, dass die Parzelle Nr. 1585 gemäss altem Zonenplan von 1977 bereits der Bauzone zugeteilt war; bei dieser Bauzone handelte es sich klarerweise nicht um eine solche nach Art. 15 RPG, da das eidgenössische Raumplanungsgesetz erst seit dem 1. Januar 1980 in Kraft ist. Hinzu kommt, dass alte Zonenpläne mit ihren häufig überdimensionierten Bauzonen an der Nutzungsart eines Grundstücks oft nichts geändert haben (vgl. dazu BGE 113 II 138, 488), so dass nicht unbedingt mit einer Überbauung der Parzelle Nr. 1585 in naher Zukunft gerechnet werden musste. Der Beschwerdeführer hatte somit bisher grundsätzlich einen Anspruch auf Erstreckung des Pachtvertrages.
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Demgegenüber würde durch die umstrittene Einzonung der Parzelle Nr. 1585 zweifellos eine Bauzone nach Art. 15 RPG geschaffen. Die Gemeinde Flims hat ihre Bauzonen trotz der herrschenden regen Bautätigkeit erheblich redimensioniert. Daraus folgt, dass der Baudruck auf das verbleibende eingezonte Land zunehmen wird; im Falle einer Einzonung von Parzelle Nr. 1585 ist daher mit deren Überbauung in naher Zukunft zu rechnen. Die umstrittene Planungsmassnahme würde somit dazu führen, dass die beiden Voraussetzungen von Art. 27 Abs. 2 lit. e LPG erfüllt wären und das Pachtverhältnis bei einer Kündigung durch den Verpächter nicht mehr erstreckt werden könnte. Damit würde der Beschwerdeführer das ihm gestützt auf Art. 26 LPG grundsätzlich zustehende Recht auf Pachterstreckung verlieren.
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c) Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid auch insoweit in seinen rechtlich geschützten eigenen Interessen beeinträchtigt wird, als es um die teilweise Einzonung der Parzelle Nr. 1585 geht. Seine Legitimation ist daher auch in diesem Punkt zu bejahen.
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a) ...
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Aufgrund dieser Kriterien ist im folgenden zu prüfen, wie es sich mit der angefochtenen Planung für die beiden Parzellen Nrn. 3891 und 1585 im Gebiet Cangina in Flims verhält.
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c) Die beiden umstrittenen Parzellen liegen südlich des zum grössten Teil mit Ferienhäusern überbauten Gebietes Cangina und wesentlich des Dorfkerns von Flims. Sie gehören zu einem grossen ![]() | 19 |
Anlässlich des Augenscheins konnte weiter festgestellt werden, dass der zur Einzonung vorgesehene Teil der Parzelle Nr. 1585 zwar nicht flach ist, dass es sich dabei aber um tiefgründiges, ertragreiches, maschinell leicht zu bearbeitendes Landwirtschaftsland ![]() | 20 |
Zu diesen Überlegungen kommt hinzu, dass das eingezonte Gebiet von Flims, das noch unüberbaut ist, mit 26 ha bei einem jährlichen Bedarf von durchschnittlich 1,5 ha immer noch reichlich gross ist, auch wenn 11 ha davon unüberbaute Arrondierungsflächen sind. Selbst wenn daher weitere ca. 1,25 ha Land (6000 m2 des Beschwerdeführers von Nr. 3891 und 6500 m2 seines Vaters von Nr. 1585) nicht eingezont würden, wären in der Gemeinde Flims grundsätzlich noch genügend Baulandreserven vorhanden. Mit der beantragten Nichteinzonung könnte das gesetzmässige Redimensionierungsziel, welchem das Bundesgericht grosses Gewicht beilegt (vgl. BGE 116 Ia 231 mit Hinweisen), noch besser erreicht werden. Darauf hinzuweisen ist zudem, dass die Planungsfachleute das umstrittene Gebiet stets zur Nichteinzonung vorgeschlagen haben. Dieser Umstand darf zwar für das vorliegende Urteil nicht ausschlaggebend sein, da der Entscheid über eine Zonenzuweisung nicht bei den Planern, sondern bei den politischen Behörden liegt; er ist aber immerhin erwähnenswert.
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d) Alle diese Gesichtspunkte sprechen nicht für, sondern gegen eine Einzonung. Die Regierung selber erwähnt denn auch in ihrem Entscheid, dass es sich beim umstrittenen Gebiet um gut geeignetes Landwirtschaftsland handle und dass auch eine Nichteinzonung im fraglichen Gebiet planerisch vertretbar gewesen wäre. Sie hat aber keine Korrektur des Entscheids der Gemeinde vorgenommen, weil sie nicht in deren Planungsautonomie und Entscheidungsfreiheit eingreifen wollte. Bei Abwägung aller Interessen und konkreten Umstände drängt sich jedoch der Schluss auf, dass die angefochtene Einzonung im hier umstrittenen Gebiet sachlich nicht vertretbar ist. Das Bundesgericht ist zwar nicht Oberplanungsbehörde und greift nicht leichthin in das Planungsermessen von Kanton und Gemeinde ein. Im vorliegenden Fall ergibt sich aber ![]() | 22 |
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