BGE 117 Ia 430 | |||
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68. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. Oktober 1991 i.S. C. AG und Mit. gegen Gemeinde Wiesendangen und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 22ter BV; Zuweisung eines Gebietes zur Reservezone. |
2. Allgemeine Grundsätze. Bei der Festsetzung von Bauzonen, insbesondere bei Industriezonen, sind auch die regionalen Verhältnisse zu berücksichtigen (E. 4b). |
3. Bei der erstmaligen Zonenplanung im Sinne des Raumplanungsgesetze müssen besondere Umstände vorliegen, damit eine Einzonungspflicht besteht (E. 4c). | |
Sachverhalt | |
Die C. AG und Mit. sind Eigentümerinnen verschiedener Grundstücke im Gebiet Ruchegg/Hinteregg in der Gemeinde Wiesendangen. Nach dem Zonenplan dieser Gemeinde vom 23. Oktober 1970 befand sich dieses Gebiet in der Gewerbezone. Mit dem Gesamtplan vom 10. Juli 1978 wies der Zürcher Kantonsrat die Fläche dem Bauentwicklungsgebiet zu.
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Am 31. Oktober 1983 beschloss die Gemeindeversammlung Wiesendangen eine neue Nutzungsplanung. In der Folge unterbreitete der Gemeinderat die neue Ortsplanung dem Regierungsrat des Kantons Zürich zur Genehmigung. Dieser nahm das Gebiet Ruchegg/Hinteregg mit Beschluss vom 30. Mai 1984 von der Genehmigung aus, da die dort von der Gemeindeversammlung Wiesendangen festgelegte Gewerbezone dem kantonalen Gesamtplan widersprach. Hiegegen gelangte die Politische Gemeinde Wiesendangen mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie ans Bundesgericht. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 1. Mai 1985 ab, soweit es darauf eintrat.
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Gestützt auf dieses erste Urteil des Bundesgerichtes wies die Gemeindeversammlung Wiesendangen das Areal Ruchegg/ Hinteregg der Reservezone zu. Dagegen rekurrierten u.a. die C. AG und Mit. bei der kantonalen Baurekurskommission IV. Diese wies die Rekurse am 30. Juni 1988 vollumfänglich ab und bestätigte die Zuteilung des rund 13 ha umfassenden Areals Ruchegg/Hinteregg zur Reservezone. Auch der Regierungsrat wies den von den genannten Grundeigentümerinnen erhobenen Rekurs am 12. September 1990 ab. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, es sei nicht erforderlich, dass jede Gemeinde erhebliche Reserven an Industrie- und Gewerbezonen aufweise. Es genüge vielmehr, wenn diese an geeigneter Verkehrs- und Immissionslage für mehrere Gemeinden zusammengefasst würden.
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Das Bundesgericht weist die von der C. AG und Mit. erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
4. a) Die Beschwerdeführerinnen rügen weiter eine Verletzung von Art. 22ter BV, weil die Nichteinzonung des Gebietes Ruchegg/ Hinteregg nicht im öffentlichen Interesse liege. Ob eine Eigentumsbeschränkung im Verhältnis zu den entgegenstehenden Privatinteressen im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, prüft das Bundesgericht bei einer auf Art. 22ter BV gestützten Beschwerde grundsätzlich frei, doch auferlegt es sich Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser überblicken als das Bundesgericht, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen, deren Beantwortung den primär für die Ortsplanung verantwortlichen Behörden überlassen bleiben muss (Art. 2 Abs. 3 RPG); dies trifft für Fragen der Zoneneinteilung und -abgrenzung regelmässig zu (BGE 115 Ia 352 E. 3a mit Hinweisen).
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b) Bei der Erfüllung raumplanerischer Aufgaben, insbesondere bei der Festsetzung von Zonen, haben die Planungsbehörden die Gesamtheit der im positiven Recht normierten Ziele und Grundsätze optimal zu berücksichtigen. Solche ergeben sich aus dem Bundesrecht und dem kantonalen Recht (BGE 115 Ia 353; BGE 114 Ia 374, BGE 113 Ib 270). Dazu gehören die Ziele und Planungsgrundsätze, wie sie in Art. 1 und 3 RPG umschrieben sind. Die Grundsätze der Raumplanung verlangen, dass das Gemeinwesen eine Ordnung der Besiedlung schafft, die auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtet ist (Art. 22quater BV; Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG). Die Vorschriften über die Dimensionierung der Bauzonenfläche auf 15 Jahre (Art. 15 lit. b RPG) will einen Massstab schaffen, der dieser Ordnungsidee gerecht wird: Die Bauzone soll sich sowohl nach der privaten Bauentwicklung richten als auch diese mit Rücksicht auf den Gesamtzusammenhang begrenzen. Folglich rechtfertigt eine private Nachfrage allein keine Bauzonenerweiterung. Dazu sind besondere Gründe erforderlich. Eine Vergrösserung der Bauzone muss durch eine umfassende Abwägung und Abstimmung aller räumlich wesentlichen Interessen und Gesichtspunkte gerechtfertigt sein (BGE 115 Ia 353; BGE 114 Ia 368 ff., 374). Überdies hat sie der lokal und vor allem regional oder überregional erwünschten Entwicklung zu entsprechen; mit anderen Worten sind bei der Festsetzung von Bauzonen die regionalen Verhältnisse zu berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1987, in Pra 1988 Nr. 220; unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 4. Dezember 1990 i.S. Gemeinde Tersnaus, E. 3b und vom 18. März 1988 i.S. Raurica Immobilien AG, E. 2b; WALTER HALLER/PETER KARLEN, Raumplanungs- und Baurecht, Zürich 1990, § 6 N 41). Die Planungsgrundsätze von Art. 1 und 3 RPG erlauben gerade bei den Industrie- und Gewerbezonen eine regionale Betrachtung. Dass die Berücksichtigung regionaler Aspekte nicht nur erlaubt, sondern auch sinnvoll ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die bauliche Entwicklung einer Gemeinde nicht zuletzt auch vom Baulandangebot in den Nachbargemeinden, mithin von regionalen Faktoren abhängt.
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c) Bei einer erstmaligen Zonenplanung im Sinne des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes wie hier müssen besondere Umstände vorliegen, damit eine Einzonungspflicht besteht. Derartige Umstände sehen die Beschwerdeführerinnen in der vorzüglichen Eignung des betreffenden Areals als Standort für industrielle und gewerbliche Bauten. Diese Eignung stellt der Regierungsrat auch nicht in Abrede. In der Tat ist, wie am Augenschein festgestellt werden konnte, die Verkehrslage des Areals nahe den Autobahnanschlüssen Oberwinterthur und dem Attiker-Dreieck (Autobahnverzweigung N1 und N7) sehr gut. Das Gebiet liegt zudem unweit der Bahnstation Rickenbach/Attikon an der SBB-Linie Zürich-Winterthur-Frauenfeld; verkehrsmässig kann es als groberschlossen bezeichnet werden. Dies gilt für die Kanalisation nur teilweise, doch könnte eine Lösung ohne weiteres gefunden werden. Auch das für eine Überbauung notwendige Quartierplanverfahren würde keine grossen Schwierigkeiten verursachen. Immissionsmässig ist das Gebiet, wie die Beschwerdeführerinnen zu Recht ausführen, offensichtlich für eine Industrie- und Gewerbezone geeignet, liegt es doch abgesetzt von den Wohngebieten. Das Dreieck Ruchegg/ Hinteregg wird auf zwei Seiten durch die N1 und den tiefen Einschnitt der SBB-Linie Winterthur-Frauenfeld bzw. durch die Staatsstrasse Winterthur-Frauenfeld begrenzt. Der Zufahrtsverkehr würde keine Wohngebiete belasten. Das Gebiet Ruchegg/Hinteregg ist, zumindest im heutigen Zeitpunkt, nicht als Fruchtfolgefläche ausgeschieden. Nebst der Eignung verlangt Art. 15 lit. b RPG, dass das Land voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird. Wie eine eingehende Besichtigung des Dorfes Wiesendangen am Augenschein ergab, steht heute in der Gemeinde Wiesendangen praktisch kein unüberbautes Gewerbe- bzw. Industriebauland mehr zur Verfügung. Allerdings sind auch in den Wiesendanger Kern- und Wohnzonen wenig störende Gewerbebetriebe zulässig.
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Diesen für eine Einzonung sprechenden Gesichtspunkten sind die dagegen sprechenden gegenüberzustellen. Der Regierungsrat führt in seinem Entscheid aus, in der Region Winterthur seien die Reserven an unüberbautem Industriezonenland hinreichend gross, was nach den Feststellungen an der bundesgerichtlichen Instruktionsverhandlung zutrifft. So sind im ca. 2 km entfernten Winterthur-Hegi ca. 52 ha unüberbautes Gewerbezonenland feinerschlossen und zum grössten Teil im freien Handel erhältlich. Aufgrund der Planung werden dort innert der nächsten fünf Jahre weitere 7 ha Industriezonenland erschlossen. Im benachbarten Elsau sind ebenfalls 7 ha Industriezonenland unüberbaut. Diese Verhältnisse sind eine Folge des Entscheids der politischen Organe des Kantons Zürich im Rahmen der kantonalen Gesamtplanung, in den Städten Zürich und Winterthur keine Redimensionierung des Baugebietes vorzunehmen, dieses aber in den Agglomerationen dieser Städte mehr zu reduzieren. Es handelt sich dabei um einen Grundsatzentscheid, der durchaus im Bereich des planungspolitischen Ermessens liegt und jedenfalls vor der Verfassung standhält (vgl. ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, Bern 1987, N 4 zu Art. 53). Wenn der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid diese regionalplanerischen Gesichtspunkte berücksichtigt und sie gegenüber den privaten Interessen höher gewichtet hat, so ist dies aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Für das Bundesgericht, das nicht oberste Planungsbehörde ist (BGE 115 Ia 385 mit Hinweisen), besteht jedenfalls kein Anlass, in den Ermessensspielraum einzugreifen, der dem Regierungsrat bei der Genehmigung einer kommunalen Nutzungsplanung zusteht. Wie erwähnt, darf die kantonale Behörde bei der Genehmigung kommunaler Zonenpläne den regionalen Aspekten Rechnung tragen. Das Bundesgericht hat bereits früher ausgeführt, dass es gerade Aufgabe der kantonalen Behörde sei, übergeordnete Gesichtspunkte im Rahmen des in Art. 26 RPG vorgesehenen Genehmigungsverfahrens zur Geltung zu bringen. Aus überkommunalen Gründen kann es daher unter Umständen erforderlich sein, in einer Gemeinde eine andere Zonierung zu verlangen, als es aus der Sicht ihrer Bewohner selbst wünschbar erscheint (Pra 1988 Nr. 220; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 2. Juli 1990 i.S. Stadtgemeinde Schlieren, E. 4a). In diesem Sinne kann dem Schluss des Regierungsrates, es sei nicht notwendig, dass jede Gemeinde erhebliche Reserven an Industrie- und Gewerbezonen aufweise, sondern es genüge, wenn diese an geeigneter Verkehrs- und Immissionslage für mehrere Gemeinden zusammengefasst würden, durchaus gefolgt werden.
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