![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
5. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Februar 1992 i.S. F. Anstalt gegen T. Company Ltd. und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Internationales Schiedsgerichtsverfahren; Weigerung des staatlichen Richters, einen Schiedsrichter zu ernennen (Art. 179 Abs. 3 IPRG; Art. 4 und 58 Abs. 1 BV; Art. 84 Abs. 1 und 87 OG). |
2. Wird mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht, die von der kantonalen Instanz vertretene Auslegung von Art. 179 Abs. 3 IPRG verletze die Garantie des verfassungsmässigen Richters gemäss Art. 58 Abs. 1 BV, so ist die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür beschränkt (E. 3a). |
3. Nicht willkürlich ist die Auffassung, dass der staatliche Richter die Ernennung eines Schiedsrichters gemäss Art. 179 Abs. 3 IPRG zwar stets vorzunehmen hat, wenn er aufgrund einer summarischen Prüfung zum Schluss gelangt, die geltend gemachten Ansprüche könnten unter die Schiedsabrede fallen, nicht aber auch dann, wenn sie nach seiner Überzeugung davon eindeutig nicht erfasst werden (E. 5). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Unter Ziffer 4 nahmen die Parteien sodann folgende Schiedsklausel in den Vertrag auf:
| 2 |
![]() | 3 |
In bezug auf das Vorgehen bei der Ernennung der Schiedsrichter wurde in der gleichen Ziffer festgehalten, jede Partei bestimme einen Schiedsrichter, der dann zusammen mit dem anderen einen dritten Schiedsrichter ernenne; im Fall, dass einer oder mehrere Schiedsrichter nicht bezeichnet werden könnten, sei jede Partei berechtigt, den Präsidenten des Handelsgerichts des Kantons Zürich um die Vornahme der Ernennung zu ersuchen.
| 4 |
Nachdem durch die F. Anstalt am 13. Januar 1989 ein Schiedsverfahren eingeleitet worden war und beide Parteien einen Schiedsrichter bezeichnet hatten, konnten sich diese nicht auf einen dritten Schiedsrichter einigen. Darauf ersuchte die F. Anstalt am 20. Dezember 1989 den Präsidenten des Handelsgerichts des Kantons Zürich um dessen Ernennung. Der Präsident wies das Gesuch indessen mit Verfügung vom 3. April 1990 ab. Zur Begründung berief er sich auf Art. 179 Abs. 3 IPRG und führte im wesentlichen aus, die Streitsache werde von der Schiedsklausel in der Vereinbarung vom 18. August 1969 nicht erfasst.
| 5 |
Die F. Anstalt focht die Verfügung des Präsidenten des Handelsgerichts mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde an, die vom Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 3. Juni 1991 abgewiesen wurde.
| 6 |
Die F. Anstalt reichte beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 58 BV ein, mit der sie beantragte, sowohl die Verfügung des Präsidenten des Handelsgerichts wie auch den Beschluss des Kassationsgerichts aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.
| 7 |
Aus den Erwägungen: | |
8 | |
![]() | 9 |
Bei der Verfügung des Präsidenten des Handelsgerichts handelt es sich dagegen nicht um einen Entscheid über einen Zivilrechtsstreit im Sinne der Art. 44 ff. OG, da sie nicht in einem Verfahren ergangen ist, das auf die materielle und endgültige Entscheidung eines auf Bundeszivilrecht beruhenden Anspruchs durch den angerufenen Richter ausgelegt ist (BGE 115 II 239 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin konnte deshalb die Verfügung des Handelsgerichtspräsidenten nicht mit Berufung beim Bundesgericht anfechten. Ebenfalls unzulässig war damit die Berufung gegen den Beschluss des Kassationsgerichts.
| 10 |
Ein Ausschluss der staatsrechtlichen Beschwerde lässt sich sodann auch nicht aus Art. 180 Abs. 3 IPRG ableiten. Gemäss dieser Bestimmung urteilt der Richter endgültig über die Ablehnung eines Schiedsrichters, wobei nach zutreffender Auffassung ein solcher Entscheid auch nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten werden kann (LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage, N 12 zu Art. 180 IPRG). Dabei handelt es sich indessen um einen Zwischenentscheid, da er das Schiedsverfahren nicht beendet. Selbst wenn Art. 180 Abs. 3 IPRG aufgrund einer systematischen Auslegung auch auf das Ernennungsverfahren anwendbar wäre (so KARRER, Les rapports entre le tribunal arbitral, les tribunaux étatiques et l'institution arbitrale, in: Revue de droit des affaires internationales 1989, S. 766 f.), bliebe aus diesem Grund der Ausschluss der staatsrechtlichen Beschwerde auf Fälle beschränkt, wo sich diese gegen einen Zwischenentscheid ![]() | 11 |
b) Fraglich ist indessen, ob es sich bei der Verfügung des Präsidenten des Handelsgerichts und dem Beschluss des Kassationsgerichts um kantonale Hoheitsakte im Sinne von Art. 84 Abs. 1 OG handelt, gegen die allein staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden kann. Aus dem unstreitigen Umstand, dass der Handelsgerichtspräsident nach der kantonalen Verfahrensordnung jedenfalls für die Anordnung einer Massnahme gemäss Art. 179 Abs. 2 IPRG nicht zuständig ist, könnte vielmehr abgeleitet werden, er habe nicht als staatlicher Richter, sondern als Privatmann gehandelt, wie die Beschwerdegegnerin denn auch geltend macht.
| 12 |
Art. 179 Abs. 3 IPRG verpflichtet den staatlichen Richter grundsätzlich, einem Ernennungsbegehren stattzugeben. Damit wollte der Gesetzgeber der - insbesondere auch von den Präsidenten des Bundesgerichts befolgten - Praxis entgegentreten, die Ernennung eines Schiedsrichters abzulehnen, wenn eine Partei die Gültigkeit der Schiedsabrede bestritt und die Streitsache ausser dem Sitz des Schiedsgerichts keine Inlandbeziehung aufwies (ANDREAS BUCHER, Die neue internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, S. 62 Rz. 149; LALIVE/POUDRET/REYMOND, N 5 zu Art. 179 IPRG). Trotz der nun bundesgesetzlich festgelegten Entscheidungspflicht wird in einem Teil der Literatur immer noch die Ansicht vertreten, der Richter urteile nicht in amtlicher Funktion, so dass sein Entscheid mit keinem Rechtsmittel der staatlich organisierten Rechtspflege angefochten werden könne; im Fall der Verweigerung der Schiedsrichterernennung sei vielmehr der gemäss Art. 179 Abs. 2 IPRG zuständige Richter anzurufen (ANDREAS BUCHER, a.a.O., S. 62/3 Rz. 150; WENGER, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, BJM 1989, S. 346; vgl. auch WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, S. 106/7). Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Nach seinem Wortlaut und aufgrund seiner selbständigen Stellung innerhalb des Artikels verpflichtet Abs. 3 von Art. 179 IPRG eindeutig sowohl den vereinbarten wie auch den gesetzlich zuständigen staatlichen Richter als Ernennungsbehörde. Dagegen erfasst die Bestimmung bloss den staatlichen Richter und nicht auch eine andere von den Schiedsparteien prorogierte Ernennungsinstanz. Dem staatlichen Richter wird unabhängig von der Regelung des kantonalen Rechts die Pflicht zum Tätigwerden auferlegt. Insoweit stellt Art. 179 Abs. 3 IPRG eine bundesrechtliche Prozessvorschrift dar, deren Verletzung mit einem Rechtsmittel an das ![]() | 13 |
Die Beschwerdegegnerin wendet zwar ein, diese Betrachtungsweise sei vom Ergebnis her unbefriedigend, und zwar besonders dann, wenn der Präsident des Bundesgerichts gestützt auf Art. 179 Abs. 3 IPRG mit der Schiedsrichterernennung beauftragt worden sei; in einem solchen Fall sei ein abweisender Entscheid der gerichtlichen Überprüfung entzogen, da der gesuchstellenden Partei sowohl ein Vorgehen nach Art. 179 Abs. 2 IPRG wie eine staatsrechtliche Beschwerde verschlossen sei. Das zwingt indessen nicht zu einer abweichenden Auslegung, sondern ist die Folge einer von den Parteien frei vereinbarten Verfahrensordnung, die insoweit einem Rechtsmittelverzicht gleichkommt, wie er wohl auch im Fall der Bezeichnung eines kantonalen Richters im Rahmen von Art. 179 Abs. 3 IPRG zulässig wäre (zum Rechtsmittelverzicht: BGE 113 Ia 30 E. 3b).
| 14 |
15 | |
b) Ist die Kognitionsbefugnis des Bundesgerichts somit auf Willkür beschränkt, so entspricht sie im wesentlichen jener, mit welcher das Kassationsgericht die Verfügung des Präsidenten des Handelsgerichts überprüft hat (§ 281 Ziff. 3 ZPO/ZH; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., N 45 zu § 281). Damit kann sich die Beschwerde nach ständiger Praxis lediglich gegen den Beschluss des Kassationsgerichts richten (BGE 115 Ia 414 /5, BGE 114 Ia 311 E. 3a). Der Antrag der Beschwerdeführerin, ![]() | 16 |
17 | |
a) Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt den angefochtenen Entscheid vielmehr nur dann wegen Verletzung von Art. 4 BV auf, wenn er im Ergebnis mit den tatsächlichen Verhältnissen in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 117 Ia 15 E. 2c, 20 E. 3c mit Hinweisen).
| 18 |
In einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV sind neue tatsächliche und rechtliche Vorbringen grundsätzlich unzulässig (BGE 114 Ia 205 E. 1a mit Hinweis). Das bedeutet, dass das Bundesgericht bei der Überprüfung einer als willkürlich ausgegebenen Rechtsanwendung vom Sachverhalt auszugehen hat, wie er dem angefochtenen Entscheid zugrunde gelegt worden ist, es sei denn, der Beschwerdeführer weise nach, dass die kantonale Instanz verfassungswidrig unrichtige oder unvollständige tatsächliche Feststellungen getroffen hat.
| 19 |
b) Das Kassationsgericht legt Art. 179 Abs. 3 IPRG in dem Sinne aus, dass der staatliche Richter die Ernennung eines Schiedsrichters zwar stets vorzunehmen habe, wenn er aufgrund einer summarischen Prüfung zum Schluss gelangt, die geltend gemachten Ansprüche könnten allenfalls unter die Schiedsabrede fallen, nicht aber auch dann, wenn sie nach seiner Überzeugung davon eindeutig nicht erfasst werden. Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung, der gemäss Art. 179 Abs. 3 IPRG angerufene staatliche Richter habe lediglich den formalen Bestand einer Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien, nicht aber deren Tragweite zu prüfen.
| 20 |
Gemäss Art. 186 Abs. 1 IPRG entscheidet ein Schiedsgericht selbst über seine Zuständigkeit. Es verfügt somit über die sogenannte ![]() | 21 |
c) Im Entscheid des Kassationsgerichts wird festgehalten, die Vereinbarung vom 18. August 1969 betreffe eindeutig nur die Beziehungen der - zukünftigen - Aktionärinnen der F. Co. Ltd. unter sich, nicht aber deren Geschäfte mit Dritten oder mit einer der Aktionärinnen. Die Beschwerdeführerin habe sich bei ihrer eigenen Darstellung behaften zu lassen, wonach sie die streitigen Ansprüche aus einem Kaufgeschäft über Erdöl zwischen der National I. Company Ltd. und der F. Co. Ltd. sowie dem Weiterverkauf dieses Erdöls an die Beschwerdegegnerin und dem zessionsweisen Erwerb der Kaufpreisforderung ableite. Soweit die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht von diesem Sachverhalt abweicht, insbesondere hinsichtlich der Tragweite der von ihr als "Joint-Venture-Vertrag" bezeichneten Vereinbarung vom 18. August 1969, ist sie nicht zu hören, da sie eine verfassungswidrige Ermittlung des massgeblichen Sachverhalts nicht nachweist, sondern dem angefochtenen Entscheid lediglich ihre eigene Darstellung entgegensetzt, damit aber nur appellatorische Kritik vorbringt, die im Beschwerdeverfahren wegen Verletzung von Art. 4 BV unbeachtlich ist (BGE 117 Ia 11 /12 E. 4b mit Hinweisen).
| 22 |
Die tatsächlichen Feststellungen des Kassationsgerichts müssen demnach auch für die Beurteilung durch das Bundesgericht ![]() | 23 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |