![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. März 1993 i.S. Eheleute X. gegen Kanton Aargau und Gemeindesteuerkommission Y. (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 46 Abs. 2 BV; Änderung der für die interkantonale Steuerausscheidung massgebenden Verhältnisse. |
2. Sofern durch den Erwerb der Liegenschaft der proportionale Anteil der gesamten Schulden an den gesamten Aktiven gestiegen ist, hat der Wohnsitzkanton einen verhältnismässigen Anteil an den gesamten bisherigen und neuen Schulden und Schuldzinsen zu übernehmen (E. 4 und 5). |
3. Zur Bestimmung des Steuersatzes darf der Wohnsitzkanton auf die Werte gemäss bisheriger Veranlagung abstellen (E. 6). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Auf den 1. September 1987 nahm das Gemeindesteueramt Y. eine Zwischeneinschätzung wegen Änderung der für die interkantonale Steuerausscheidung massgebenden Verhältnisse vor (§ 57 Abs. 1 lit. c des Aargauer Steuergesetzes vom 13. Dezember 1983). Dabei berechnete es bei unveränderter Fortführung der Vergangenheitsbemessung die Quoten neu. Das im Kanton steuerbare Vermögen reduzierte es um die weggefallenen Wertschriften, Sparguthaben usw. (Fr. 150'000.--), das steuerbare Einkommen um den daraus erzielten Ertrag (Fr. 3'000.--). Die bei Beginn der Steuerperiode am 1. Januar 1987 vorhanden gewesenen Schulden und darauf geschuldeten Zinsen verlegte es proportional gemäss der neuen Lage der bisherigen Aktiven (Aargau: Fr. 588'569.--; Zürich: Fr. 150'000.--). Das Gesamtvermögen und Gesamteinkommen liess es aufgrund der Vergangenheitsbemessung unverändert. Die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft aufgenommenen neuen Schulden und die darauf geschuldeten Schuldzinsen blieben unberücksichtigt. Wie die Steuerpflichtigen behaupten, haben sie zufolge dieser Veranlagung ab 1. September 1987 mehr als ihr ![]() | 2 |
Eine Einsprache mit dem Begehren, dass die mit dem Erwerb der ausserkantonalen Liegenschaft verbundene höhere Verschuldung "unverzüglich und vollständig" berücksichtigt werde, wies die Steuerkommission Y. am 23. Oktober 1991 ab. Sie hob hervor, Anlass für die Zwischenveranlagung bildeten hier nicht veränderte finanzielle Verhältnisse beim Steuerpflichtigen, sondern eine Änderung der interkantonalen Abgrenzung. Nur wenn die Verlegung von Vermögen und Einkommen in einen andern Kanton mit einem Ereignis verbunden sei, das auch innerkantonal einen Zwischenveranlagungsgrund darstelle, sei der Übergang von der Vergangenheits- zur Gegenwartsbemessung (mit Neuberechnung des Gesamtvermögens und Gesamteinkommens) zulässig. Deshalb habe hier der Kauf der ausserkantonalen Liegenschaft lediglich zur Folge, dass die Quoten, nicht aber die Gesamtfaktoren neu zu berechnen seien.
| 3 |
Hiegegen führen die Steuerpflichtigen staatsrechtliche Beschwerde wegen Doppelbesteuerung (Art. 46 Abs. 2 BV). Sie beantragen, den Entscheid des Kantons Aargau aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Steuerkommission Y. zurückzuweisen.
| 4 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
| 5 |
Aus den Erwägungen: | |
3. Es ist ein seit langem geltender und allgemeiner Grundsatz des interkantonalen Steuerrechts, dass Liegenschaften und der daraus fliessende Ertrag der Steuerhoheit des Kantons der gelegenen Sache unterliegen (BGE 116 Ia 130 mit Hinweisen). Befindet sich eine Liegenschaft ausserhalb des Kantons, in dem der Steuerpflichtige sein primäres Steuerdomizil hat, so ist daher eine Steuerausscheidung zwischen dem Wohnsitzkanton und dem Liegenschaftskanton vorzunehmen. Das Bundesgericht ist stets davon ausgegangen, dass beim Erwerb einer Liegenschaft der Kanton der gelegenen Sache die Besteuerungsbefugnis vom ersten Tag an in Anspruch nehmen kann, an dem der Steuerpflichtige über die Liegenschaft verfügt. Der Steuerausscheidung ist dabei nötigenfalls mit einer Zwischentaxation Rechnung zu tragen, auch wenn nach der Gesetzgebung des Wohnsitzkantons eine solche nicht vorgesehen ist. Lehnt es der ![]() | 6 |
7 | |
a) Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger, der zwei Kantonen mit Reinvermögenssteuer und Reineinkommenssteuer angehört, beanspruchen, dass beide Kantone zusammen sämtliche Schulden und Schuldzinsen abziehen (LOCHER, Doppelbesteuerungsrecht, § 9, I A, 1 Nr. 17). Nach ständiger Rechtsprechung werden Schulden und Schuldzinsen als eine besondere Belastung des Vermögens und des daraus fliessenden Ertrages betrachtet; sie sind daher bei Privatpersonen quotenmässig, im Verhältnis der in den einzelnen Kantonen gelegenen Aktiven, zu verlegen (BGE 111 Ia 123 E. 2a, BGE 104 Ia 261 E. 4b). Diese Regel muss nicht nur dann beachtet werden, wenn im Rahmen einer ordentlichen Haupteinschätzung eine Steuerausscheidung durchzuführen ist, ![]() | 8 |
Diese Regel wurde zwar vom Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht ausdrücklich aufgestellt, sie ergibt sich aber schon aus den genannten doppelbesteuerungsrechtlichen Grundsätzen und entspricht auch der von HÖHN (Interkantonales Steuerrecht, 2. Auflage 1989, S. 341 ff., besonders Rz. 36) vertretenen Lehrmeinung. Sie ist immer dann zu beachten, wenn sich infolge des Erwerbs der ausserkantonalen Liegenschaft der Verschuldungsgrad erhöht. Wie zu entscheiden wäre, wenn das Verhältnis der Schulden zu den Aktiven infolge des Erwerbs der ausserkantonalen Liegenschaft nicht gestiegen wäre, kann hier offenbleiben, weil sich durch den Kauf der Liegenschaft im Kanton Zürich die Beschwerdeführer verhältnismässig höher verschuldet haben.
| 9 |
b) Die Beschwerdeführer können somit verlangen, dass der Wohnsitzkanton dem mit dem Erwerb der ausserkantonalen Liegenschaft gestiegenen Verschuldungsgrad Rechnung trägt und einen proportionalen Anteil an den Gesamtschulden übernimmt. Indem der Kanton Aargau bei seiner Steuerausscheidung auf den 1. September 1987 die für den Kauf der Liegenschaft aufgewendeten fremden Mittel und die darauf geschuldeten Zinsen nicht berücksichtigt, verletzt er Art. 46 Abs. 2 BV. Die Rüge wegen Doppelbesteuerung ist insoweit begründet und der angefochtene Einspracheentscheid der Steuerkommission Y. aufzuheben.
| 10 |
![]() | 11 |
Das gilt grundsätzlich auch für die Schuldzinsen. Diese sind entsprechend dem von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz (BGE 104 Ia 261) als besondere Belastung des Vermögens im Verhältnis der jedem Kanton zugehörigen Aktivwerte zu verlegen, und zwar nach Lage der Aktiven am 1. September 1987. Soweit der auf den Kanton Zürich entfallende Anteil grösser ist als der dort steuerbare Vermögensertrag, ist der nicht gedeckte Teil vom Kanton Aargau zu übernehmen. Damit wird der weiteren bundesrechtlichen Regel Rechnung getragen, dass ein allfälliger Schuldzinsenüberschuss in einem Kanton in erster Linie von jenen übrigen Kantonen zu tragen ist, die noch über Kapitalertrag verfügen, und in zweiter Linie vom übrigen Einkommen abzuziehen ist (BGE 66 I 41; vgl. auch BGE 97 I 41 E. 2).
| 12 |
An sich müsste zwar bei den Schuldzinsen unterschieden werden, ob sie die bisherigen oder die mit dem Erwerb der Liegenschaft neu eingegangenen Schuldverpflichtungen betreffen. Zinsen für bisherige Schulden müssten auf die bisherigen und Zinsen für die neuen Schulden auf diese verlegt werden (so auch der Vorschlag HÖHNS, a.a.O., S. 345 f. Rz. 39). Dieses Vorgehen mag dann angezeigt sein, wenn die Zinssätze für die alten und neuen Schulden wesentlich voneinander abweichen. Bei nur geringfügigen Unterschieden muss es den Steuerbehörden aus Gründen der Praktikabilität aber gestattet sein, die Gesamtheit der bisherigen und neuen Schuldzinsen nach Lage der gesamten bisherigen und neuen Aktiven zu verlegen.
| 13 |
6. Für die Bestimmung des Steuersatzes darf der Kanton Aargau auf die Werte gemäss bisheriger Veranlagung, d.h. auf das zu Beginn der Steuerperiode im Kanton steuerbare Vermögen und Einkommen, abstellen. Unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichts vom 30. November 1988 (ASA 59 S. 275 ff.) ![]() | 14 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |