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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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2. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. März 1994 i.S. Dragan S. gegen Obergericht des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung. | |
Sachverhalt | |
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"Zur Klarheit wird festgehalten, dass die Bemühungen von Rechtsanwalt T. vor dem Datum dieses Bestätigungsentscheids (15.12.1993) nicht vom Staat zu entschädigen sind, da deren Dringlichkeit weder behauptet noch ausgewiesen ist (vgl. LGVE 1987 I Nr. 38)."
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Dragan S. hat den Entscheid der Justizkommission mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten, die vom Bundesgericht gutgeheissen wird.
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b) Gemäss § 306 ZPO/LU sind Armenrechtsgesuche seitens des Klägers "in der Regel so rechtzeitig zu stellen, dass vor Einreichung der Klage ... darüber entschieden werden kann", spätestens aber mit der Klage (Abs. 1). Ein nach diesem Zeitpunkt eingereichtes Gesuch kann nach Absatz 2 nur noch mit seither eingetretenen Tatsachen begründet werden. Erteilt der zuständige Gerichtspräsident das Armenrecht, so sendet er seinen Entscheid mit den Akten an das Obergericht, das den Entscheid bestätigt oder abändert (§ 307 Abs. 4 ZPO/LU). Wird dem Gesuchsteller das Armenrecht auch für die Anwaltskosten gewährt, "so weist ihm das Obergericht ... aus der Zahl der praktizierenden Anwälte des Kantons einen Anwalt an" (§ 309 Abs. 1 ZPO/LU).
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Nach veröffentlichter Praxis der Justizkommission des Obergerichts besteht vor ihrem Entscheid zwischen Armenanwalt und Gesuchsteller ein rein privatrechtliches Mandatsverhältnis. Für Bemühungen des Anwalts im Rahmen dieses Verhältnisses habe der Staat nicht aufzukommen, weshalb der Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege grundsätzlich keine rückwirkende Kraft zukomme. Ausnahmen sind nach dieser Praxis dann zu machen, wenn die Handlungen des Anwaltes dringlich waren, seine Bemühungen keinen Aufschub zu dulden schienen (LGVE 1987 I Nr. 38 und 39).
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c) Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, die Justizkommission habe kantonales Prozessrecht willkürlich angewendet. Der angefochtene Entscheid ist daher unter diesem Gesichtspunkt nicht zu prüfen. Beansprucht werden lediglich die aus Art. 4 BV abgeleiteten Minimalrechte. Das Kriterium der amtlichen Ernennung ![]() | 7 |
d) Da der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung dem Ziel dient, auch der bedürftigen Partei den Zugang zum Gericht und die zweckdienliche Wahrung ihrer Parteirechte zu ermöglichen, kann er nach Vorliegen eines Antrages nicht davon abhängen, wann der Kanton dem Anwalt ein öffentlichrechtliches Mandat verleiht. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so hat der Kanton ab sofort für die Kosten der Verbeiständung aufzukommen. War das Gesuch des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Einreichung, am 28. Mai 1993, aber begründet, der Anspruch also auf diesen Zeitpunkt hin nachgewiesen, so bestand kein sachlicher Grund, ihn erst mit Wirkung ab dem 8. November 1993 anzuerkennen.
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e) Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ihre Wirkungen entfalten soll, ist in den meisten kantonalen Zivilprozessordnungen nicht ausdrücklich geregelt. In Lehre und Rechtsprechung zu den kantonalen Regelungen wird jedoch überwiegend die Meinung vertreten, die Wirkungen müssten mit der Gesuchseinreichung eintreten. Eine Rückwirkung über diesen Zeitpunkt hinaus, wie sie zum Beispiel in Art. 286 Abs. 2 ZPG/SG und Art. 89 Abs. 2 ZPO/AR als Ausnahme vorgesehen ist, wird dagegen nur vereinzelt und unter einschränkenden Voraussetzungen befürwortet (STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., N. 2 zu § 90 ZPO; STAEHELIN/SUTTER, Zivilprozessrecht, S. 195 f.; CHRISTIAN FAVRE, L'assistance judiciaire gratuite en droit suisse, Diss. Lausanne 1989, S. 118; BEAT RIES, Die unentgeltliche Rechtspflege nach der aargauischen Zivilprozessordnung vom 18. Dezember 1984, Diss. ![]() | 9 |
f) Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage der Rückwirkung lediglich in beschränkter Form. Verlangt wird vom Beschwerdeführer nämlich die gerichtliche Anerkennung, dass ihm die unentgeltliche Verbeiständung auch für die Bemühungen seines Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit der Forderungsklage zustehe, die er gleichzeitig mit dem Armenrechtsgesuch eingereicht hat. Soweit es aber um die Gewährung des Anspruchs mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt geht, handelt es sich nach allgemeinem Verständnis, wie es in der zitierten Literatur zum Ausdruck kommt, nicht eigentlich um eine Frage der Rückwirkung. Massgebend ist in diesem Zusammenhang vielmehr der Grundsatz, dass die Wirkungen der unentgeltlichen Rechtspflege mit der Gesuchseinreichung eintreten. Das lässt sich aber, wie vorne festgehalten worden ist, unmittelbar aus dem Armenrechtsanspruch gemäss Art. 4 BV ableiten. Aus den dort (E. 3d) bereits erwähnten Gründen ist es sodann gestützt auf diese Verfassungsbestimmung gerechtfertigt, die Wirkungen der unentgeltlichen Verbeiständung auf das Verfassen der Klageschrift und die dafür nötigen Vorarbeiten auszudehnen. Die Annahme, eine solche beschränkte Rückwirkung verstehe sich von selbst, liegt im übrigen der ständigen Praxis des Bundesgerichts zu Art. 152 Abs. 2 OG zugrunde.
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Anzufügen ist schliesslich, dass - wie schon in BGE 61 I 234 ff. ausgeführt wurde - nicht ersichtlich ist, warum ein Gesuch des Klägers um unentgeltliche Verbeiständung mit beantragter Wirkung ![]() | 11 |
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