BGE 120 Ia 321 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Dezember 1994 i.S. Verein für den Einsatz ökologisch und ökonomisch sinnvoller PVC Produkte gegen Amt für Technische Anlagen und Lufthygiene (ATAL) sowie Hochbauamt des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 84 OG; Kantonale Merkblätter über "ökologisches Bauen". |
Die kantonalen Merkblätter über "ökologisches Bauen" sind Empfehlungen ohne Rechtsverbindlichkeit für Personen ausserhalb der Verwaltung (E. 3b). Sie enthalten vorwiegend blosse Dienstanweisungen an Beamtinnen und Beamte, die mit Submissionsgeschäften betraut sind (E. 3c), und haben auch über diesen Bereich hinaus keine Aussenwirkungen (E. 3d). | |
Sachverhalt | |
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Im Vorwort zu diesen Merkblättern schreibt der Kantonsbaumeister des Kantons Zürich an die Adressaten unter anderem, sie würden als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder als Beauftragte mit den vorliegenden Arbeitsblättern einmal mehr aufgerufen, den ökologischen Aspekten im Bauen ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken. In den letzten Jahren seien verschiedene Gesetze und Verordnungen zum Schutz der Umwelt entstanden, und die Kenntnis der Umweltproblematik weite sich aus. Von allen am Bau Beteiligten sei eine umweltbewusste Haltung gefordert. Zu deren Umsetzung in die tägliche Arbeit müssten die rechtlichen Vorgaben bekannt sein und die Kenntnisse über das vorhandene Wissen erweitert werden. Diesem Zweck sollten die Merkblätter dienen; die nach Baukostenplan geordneten Arbeitsblätter sollten insbesondere ermöglichen, die ökologischen Aspekte bis ins Detail zu verwirklichen. Die Blätter seien indessen unvollständig und würden sogar Widersprüche aufweisen wie etwa in den Bereichen Ökologie/Ökonomie, Ökologie/Hygiene und Haltbarkeit, weshalb man um zeitintensive Abwägungen nicht herumkommen werde. Die Hinweise in den Arbeitsblättern sollten dabei als Arbeitshilfe dienen und zu selbständigem Abwägen zwischen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten anregen, da für jede Bauaufgabe aufeinander abgestimmte Konstruktions- und Materialentscheide zu treffen seien.
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"7. Baumaterialien aus erneuerbaren und einheimischen Rohstoffen bevorzugen
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Die Verwendung von erneuerbaren Rohstoffen belastet, bei Beachtung nachhaltiger Nutzung, die Rohstoffhaushalte längerfristig nicht. Durch den Einsatz von einheimischen (europäischen) Rohstoffen wird die Umwelt durch kürzere Transportwege weniger belastet.
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8. Schwierig zu entsorgende Baumaterialien möglichst vermeiden
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Um künftige Entsorgungsprobleme zu vermeiden, sollen in Neu- und Umbauten möglichst keine Materialien oder Materialkombinationen verwendet werden, die schwierig zu entsorgen sind. Das betrifft vor allem Materialien und Produkte, die nach VVS (Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen vom 12.11.1986) als Sonderabfall zu behandeln sind, ferner Stoffe, die nach StoV nicht unschädlich vernichtbar (verbrennbar) sind, sowie Verbundmaterialien und -bauteile, die sich nur schwer trennen und deshalb nicht verwerten lassen."
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Im nächsten Abschnitt wird unter dem Titel "Hinweise für die Anwendung" erklärt, die Arbeitsblätter richteten sich in erster Linie "an die Baufachleute unserer Ämter sowie an die von uns beauftragten Architekten und Ingenieure. Sie sind anzuwenden für Neu- und Umbauten, ebenso für Unterhaltsarbeiten. Es wird empfohlen, sie auch anzuwenden für Bauten der Beamtenversicherungskasse und für Bauten, die Staatsbeiträge erhalten." Weiter wird in diesem Abschnitt festgehalten, Bauten würden zusammengesetzt aus einer grossen Zahl von Arbeitspositionen, welche über Arbeitsbeschriebe verschiedener Arbeitsgattungen an die Unternehmer zur Ausführung gelangten. In Ausrichtung auf Submissionen sei für die Arbeitsblätter das Ordnungsprinzip des Baukostenplanes (BKP) übernommen worden. Zu vielen Arbeitsgattungen wolle die Behörde mit den Arbeitsblättern durch Hinweise auf kritische Materialien oder auf problematische Entsorgungswege den Anwendern Entscheidungshilfen bieten.
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In den Merkblättern selbst werden dann in detaillierten Listen verschiedene Materialien (für Erdbewegungen, Baumeisterarbeiten, Spenglerarbeiten, Fenster, Bedachungsarbeiten, usw.) in "problematisch" und "ökologisch empfehlenswert" aufgeteilt und einander gegenübergestellt. Dabei werden Materialien aus PVC (Polyvinylchlorid) an verschiedenen Stellen als problematisch und PVC-freie Produkte als ökologisch empfehlenswert bezeichnet (Merkblätter BKP 211, 221, 224, 226, 230 ff., 241-243, 251-255, 271, 281, 282). Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, Produkte aus PVC seien nicht unschädlich vernichtbar (die Höchstwerte für unschädliche Vernichtbarkeit nach Stoffverordnung [SR 814.013], Anhang 4.11., würden überschritten). In bezug auf Kabelmaterial, Rohre und Kanäle aus PVC wird erklärt, diese Materialien seien in der Entsorgung problematisch, im Brandfall setzten sie sehr giftige und korrosive Gase frei. Halogenfreie Produkte enthielten hingegen kein PVC; ihr Brandverhalten sei gegenüber PVC besser.
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Gegen diese Merkblätter führt der Verein für den Einsatz ökologisch und ökonomisch sinnvoller PVC Produkte mit Eingabe vom 14. Januar 1994 staatsrechtliche Beschwerde und beantragt im wesentlichen, die Merkblätter seien aufzuheben; eventualiter seien sie insoweit aufzuheben, als alle Aussagen in bezug auf PVC für nichtig erklärt werden.
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Mit Präsidialverfügung vom 12. Juli 1994 wurde das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) zur Vernehmlassung eingeladen. Im Auftrag des EDI kam das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) am 30. September 1994 dieser Einladung nach. Es beantragt, auf die staatsrechtliche Beschwerde sei nicht einzutreten.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, es fehle der Präsidialverfügung vom 12. Juli 1994, mit welcher das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) zu einer Stellungnahme an das Bundesgericht eingeladen worden sei, die gesetzliche Grundlage. Insbesondere würden die Art. 93 und 95 OG die Einholung einer solchen Stellungnahme nicht zulassen. Dies ist unzutreffend. Die Stellungnahme vom 30. September 1994, welche das BUWAL im Auftrag des EDI eingereicht hat, stellt einen Amtsbericht dar, dessen Beizug durch das Bundesgericht gestützt auf Art. 95 Abs. 1 OG durchaus zulässig ist. Nach dieser Bestimmung ordnet der Instruktionsrichter die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweismassnahmen an; für das Beweisverfahren im Sinne von Art. 95 Abs. 1 OG gilt die Offizialmaxime (BGE 107 Ia 187 E. 2b S. 191 mit Hinweis). Dabei kann das Bundesgericht selbständig massgebliche Sachverhaltsfeststellungen vornehmen. Als Beweismittel kommen vor allem Urkunden, Augenscheine sowie die Einholung von Amtsberichten zur Anwendung (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, S. 382). Der Antrag, die Stellungnahme des EDI vom 30. September 1994 sei aus den Akten zu weisen, ist daher abzuweisen.
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3. a) Mit staatsrechtlicher Beschwerde können Hoheitsakte angefochten werden, die in irgendeiner Weise die Rechtsstellung des einzelnen Bürgers berühren, indem sie ihn verbindlich und erzwingbar zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden verpflichten oder sonstwie seine Rechtsbeziehung zum Staat autoritativ festlegen (BGE 114 Ia 452 E. 1a, S. 455 mit Hinweisen). Das Bundesgericht stellt primär auf den materiellen Inhalt des angefochtenen Hoheitsakts und nicht auf dessen Bezeichnung ab (Urteil des Bundesgerichts vom 30. Mai 1984 in ZBl 85/1984, S. 538 ff. E. 5c; RHINOW/KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband Nr. 9 IV). Die umstrittenen Merkblätter und Leitsätze fallen unter den Begriff der Verwaltungsverordnung, die mit staatsrechtlicher Beschwerde nur anfechtbar ist, wenn sie über den Verwaltungsbereich hinaus Aussenwirkungen auf die Rechtsstellung der Bürger entfaltet und wenn gestützt auf sie keine Verfügungen getroffen werden, deren Anfechtung möglich ist und den Betroffenen zugemutet werden kann (BGE 114 Ia 452 ff. E. 1a, S. 455 mit Hinweisen).
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b) Die angefochtenen Merkblätter enthalten Grundsätze für die ökologisch ausgerichtete Wahl von Baumaterialien, welche von ihrem Inhalt her lediglich Wertungshilfen für die Materialauswahl darstellen, diese jedoch nicht verbindlich regeln. Die Bewertung der Materialien in den einzelnen Blättern soll als Arbeitshilfe dienen und zum Abwägen zwischen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Umwelt anregen. Die Merkblätter richten sich ausdrücklich nur an "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" der öffentlichen Verwaltung sowie an "Beauftragte". Adressat ist somit vor allem ein verwaltungsinterner Kreis von Beamtinnen und Beamten sowie von diesen beauftragte verwaltungsexterne Architekten und Ingenieure. Weitere Personen werden durch diese Verwaltungsverordnung nicht verpflichtet. Soweit sie an Personen ausserhalb der Verwaltung verteilt oder von solchen beigezogen und verwendet werden, stellen die Merkblätter für diese Personen unverbindliche Empfehlungen dar, und damit keine mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbaren Hoheitsakte, weil solchen Empfehlungen jede Rechtsverbindlichkeit fehlt (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 11. September 1989 in ZBl 92/1991, S. 117 f.; BGE 108 Ia 264 E. 5 S. 268; KÄLIN, a.a.O., S. 129). Dabei ist unerheblich, ob Art. 6 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG) als gesetzliche Grundlage für die umstrittenen Merkblätter betrachtet werden kann.
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c) Die angefochtenen Merkblätter enthalten vorwiegend Dienstanweisungen an Beamtinnen und Beamte, welche mit Submissionsgeschäften betraut sind. So sollen die nach Baukostenplan geordneten Arbeitsblätter ausdrücklich bei der Devisierung der einzelnen Arbeitsgattungen helfen, die ökologischen Aspekte bis ins Detail zu verwirklichen. Es handelt sich somit bei den Merkblättern und Leitsätzen in erster Linie um Richtlinien, die bei der Durchführung von Submissionsverfahren zu berücksichtigen sind. Verstösse gegen rein interne Richtlinien für die vergebende Behörde kann der Bewerber regelmässig nicht mit einer förmlichen Beschwerde, sondern nur mit einer Aufsichtsbeschwerde bei einer oberen Verwaltungsinstanz rügen. Die Aufsichtsbeschwerde gibt ihm keinen Anspruch auf Erledigung (BGE 103 Ib 154 ff. E. 2c). Submissionsvorschriften stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich keine öffentlichrechtlichen Bestimmungen mit Rechtssatzcharakter dar. Soweit der Bewerber aus der Submissionsordnung überhaupt Ansprüche ableiten kann, sind sie privatrechtlicher Natur und daher vor dem Zivilrichter geltend zu machen. Einzig wenn Submissionsbestimmungen den Schutz der unmittelbaren Interessen der Bewerber bezwecken, bejaht das Bundesgericht implizit den Rechtssatzcharakter solcher Bestimmungen (BGE 115 Ia 76 E. 1d S. 79, BGE 102 Ia 533 ff.; KÄLIN, a.a.O., S. 122; RHINOW/KRÄHENMANN, a.a.O., Nr. 47 BV). In solchen Fällen ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht nur zulässig, wenn diese Submissionsbestimmungen im einzelnen Anwendungsfall verletzt werden, sondern es muss auch die abstrakte Normenkontrolle gegen sie zugelassen werden. Die hier umstrittene Verwaltungsverordnung enthält keine Submissionsgrundsätze und insbesondere keine solchen, welche den Schutz der unmittelbaren Interessen der Bewerber bezwecken. Die angefochtenen Merkblätter sollen vielmehr den vergebenden Behörden Entscheidungshilfen für die Materialauswahl vermitteln und stellen insoweit keinen mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbaren Hoheitsakt (Erlass) dar; ferner ist die Legitimation des Beschwerdeführers nach Art. 88 OG zu verneinen (BGE 115 Ia 76 E. 1d S. 79 mit Hinweis).
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d) Die Empfehlungen in den angefochtenen Merkblättern haben entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch ausserhalb des eben behandelten Bereichs der Submission keine Aussenwirkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 114 Ia 452 E. 1a S. 455, BGE 105 Ia 349 E. 2a S. 353; KÄLIN, a.a.O., S. 143). Die vom Beschwerdeführer behauptete "Aussenwirkung" bezieht sich nicht auf seine Rechtsstellung im Verhältnis zum Staat; er beschwert sich vielmehr über allfällige indirekte im vorliegenden Zusammenhang jedoch rechtlich unerhebliche Auswirkungen auf die privatrechtliche Tätigkeit seiner Mitglieder.
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Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, dass die in den angefochtenen Merkblättern enthaltenen Empfehlungen auch an die Baubewilligungsbehörden gerichtet seien, welche diese im Baubewilligungsverfahren anzuwenden hätten. Sie würden in diesem Sinne Aussenwirkungen entfalten. Selbst wenn diese Behauptung des Beschwerdeführers zuträfe, was die Baudirektion bestreitet und hier offengelassen werden kann, könnte auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Verwaltungsverordnung nur mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar, wenn gestützt auf sie keine Verfügungen ergehen, deren Anfechtung möglich ist und den Betroffenen zugemutet werden kann (BGE 114 Ia 455, BGE 105 Ia 353). Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die umstrittenen Empfehlungen entgegen der Darstellung der Baudirektion in einem baurechtlichen Bewilligungsverfahren dennoch in unzulässiger Weise angewendet würden, könnten der Bauherr oder die betroffenen Nachbarn die Baubewilligungsverfügung ohne weiteres anfechten, und eine entsprechende Anfechtung wäre auch zumutbar.
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e) Nach dem Gesagten sind die angefochtenen Merkblätter als Verwaltungsverordnung ohne Aussenwirkung und damit ohne Erlasscharakter zu bezeichnen. Sie stellen keinen staatlichen Hoheitsakt dar und sind somit nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar. Auf die staatsrechtliche Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden.
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