BGE 98 Ib 21 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
4. Urteil vom 28. Januar 1972 i.S. A. gegen Eidg. Steuerverwaltung. | |
Regeste |
Warenumsatzsteuer: Steuerpflicht eines Bildhauers. Rechtsungleiche Behandlung? | |
Sachverhalt | |
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1968: 1969
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Fr.: Fr.
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Grabmale: 25'610.--: 26'971.50
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Plastiken für öffentliche Plätze: 48'631.--: 64'992.40
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"freie" Plastiken und Bilder: -: 10'350.--
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74'241.--: 102'313.90
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Gestützt auf diese Angaben hat die EStV entschieden, dass A. seit dem 1. Januar 1969 als Grossist (Hersteller) im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b WUStB steuerpflichtig sei. Sie hat ihren Befund durch Einspracheentscheid vom 6. Juli 1971 bestätigt.
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B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt A., dieser Entscheid sei aufzuheben. Er bestreitet, dass er der Warenumsatzsteuerpflicht unterliege. Zur Begründung macht er geltend, er stelle nicht Waren, sondern Kunstwerke her, und er übe seine Tätigkeit auch nicht gewerbsmässig aus. Seines Wissens sei bis heute kein anderer Bildhauer der Warenumsatzsteuerpflicht unterstellt worden.
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Die EStV schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, er stelle nicht Waren, sondern Kunstwerke her. Der Wert des vom bildenden Künstler geschaffenen Werkes liege nicht "im Grundelement oder im Stoff", sondern "in der künstlerischen, geistigen Gestaltung", durch die etwas Einmaliges erzeugt werde. Es ist jedoch klar, dass auch solche Erzeugnisse Gegenstand eines Fahrniskaufes und damit Waren im Sinne des Art. 17 WUStB sein können. Das Werk, das der Bildhauer oder der Kunstmaler aus Rohmaterial (Steinen usw.) schafft, ist das Produkt einer Herstellung (Art. 10 Abs. 2 Satz 2 WUStB). Die Herstellung besteht eben in der "künstlerischen, geistigen Gestaltung", von welcher der Beschwerdeführer spricht. Ist das so hergestellte Kunstwerk eine bewegliche Sache und kann es daher Objekt eines Fahrniskaufes sein, so gilt es nach der Regel des Art. 17 WUStB als Ware. Die in dieser Bestimmung aufgezählten Ausnahmen (bestimmungsgemäss verwendete Wertpapiere, Banknoten usw.) kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Die Werke der bildenden Kunst sind auch nicht in der Freiliste aufgeführt, die in Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB aufgestellt ist. Eine Ordnung, welche die Lieferung solcher Werke allgemein von der Umsatzsteuer ausnähme, wäre übrigens praktisch kaum durchführbar, da die Unterscheidung zwischen Kunstwerken und anderen Erzeugnissen unsicher ist und die ständige Mitwirkung von Sachverständigen erfordern würde.
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Wenn der Beschwerdeführer von ihm hergestellte bewegliche oder unbewegliche Erzeugnisse (Grabsteine, Plastiken für öffentliche Gebäude oder Plätze usw.) einem Käufer oder Besteller abgibt, führt er somit "Warenlieferungen" im Sinne des WUStB aus. Alle seine Werke können Gegenstand solcher Lieferungen sein. Wenn sie samt und sonders als Kunstwerke zu betrachten sind, so ist dies nach dem Warenumsatzsteuerbeschluss gleichgültig.
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Der Beschwerdeführer bestreitet, dass er eine solche Tätigkeit ausübe. Er führt aus, bei seiner Arbeit stehe nicht die Erzielung eines kalkulierbaren Ertrages im Mittelpunkt. Der Preis eines Kunstwerkes richte sich nach der Qualität des künstlerischen Ausdrucks. Der Staat gewähre den Künstlern, vor allem den Anfängern, finanzielle Beihilfe, womit er nicht die Wirtschaft, sondern die Kultur fördere. Wenn ein Künstler schliesslich Erfolg habe, werde er dadurch nicht zum "gewerbsmässigen Kunstproduzenten". Ob er auf Bestellung oder aus freiem Willen arbeite, sei nicht massgebend. "So wie sich jeder Bürger ein Kunstwerk schaffen lassen kann - die grossen Werke früherer Meister sind meistens auch auf Bestellung entstanden -, drängt es oft den Kunstschaffenden zu einem Werk, mit dem er seine geistige Ansicht, seine Überzeugung oder sein Gegenwarts- oder Zukunftsverständnis zum Ausdruck bringen will." Dieses Schaffen habe mit gewerbsmässiger Warenherstellung nichts zu tun.
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Offenkundig ist, dass der Beschwerdeführer selbständig und dauernd als Bildhauer arbeitet. Es lässt sich aber auch nicht mit Grund bestreiten, dass seine Tätigkeit auf Erzielung von Einnahmen gerichtet ist. Zwar wird zutreffen, dass ein Bildhauer oder Kunstmaler bei seiner Arbeit in der Regel nicht in erster Linie an den finanziellen Erfolg denkt. Übt er seine Kunst selbständig und dauernd aus und will er damit den Lebensunterhalt bestreiten oder wesentlich dazu beitragen, so muss aber doch auch ihm daran gelegen sein, für seine Werke zahlende Abnehmer - Besteller oder Käufer - zu finden. Gelingt ihm das, so nimmt er als Lieferer von ihm hergestellter Waren oder Bauwerke am Wirtschaftsleben teil. So verhält es sich hier. Der Beschwerdeführer räumt denn auch ein, dass er sich mit seinem Schaffen eine Existenz aufgebaut hat. Unter den gegebenen Umständen muss angenommen werden, dass er im Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses gewerbsmässig tätig ist (vgl. den einen Kirchenmaler betreffenden Entscheid der EStV vom 3. März 1950, ASA Bd. 19 S. 41 f.).
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Nach den Berechnungen der EStV, die sich auf Angaben des Beschwerdeführers stützen und von ihm nicht bestritten werden, steht fest, dass seine für die Bestimmung der subjektiven Steuerpflicht massgebenden Umsätze in jedem der beiden Jahre 1968 und 1969 den Betrag von 35'000 Franken überstiegen haben. Daher ist nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdeführer nach Art. 9 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 WUStB mit Wirkung ab 1. Januar 1969 steuerpflichtig erklärt worden ist. Er bleibt steuerpflichtig, solange die massgebenden Umsätze über den genannten Betrag hinausgehen.
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Demgegenüber stellt die EStV in der Vernehmlassung zur Beschwerde fest, dass Mitte 1971 bei ihr 231 "Inhaber von Grabstein- und Bildhauerbetrieben" als Grossisten eingetragen waren. "Von diesen" - sagt sie - "bezeichnen sich 105 als Grabsteingeschäfte, Grabmalkunst u.ä., 90 als Bildhauer oder Bildhauereien und bei 36 ist die Geschäftsbezeichnung eine Kombination beider Begriffe; reine Steinhauer-, Steinmetz- oder Kunststeingeschäfte sind in diesen Zahlen nicht enthalten... Zwar ist einzuräumen, dass es eine Reihe von Bildhauern geben wird, welche sich, obwohl eintragungspflichtig, noch nicht als Grossisten angemeldet haben (Art. 30 Abs. 1 WUStB) und von der EStV auch noch nicht als solche ermittelt worden sind. Eine Dunkelziffer nicht eingetragener Grossisten kommt in den meisten Branchen vor."
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- 25 - Mit diesen Feststellungen ist aber die Rüge der Verletzung des Art. 4 BV nicht erledigt. Es fragt sich noch, ob sie deshalb begründet sei, weil die EStV in ihrer bisherigen Praxis angenommen hat, dass der "frei schaffende" bildende Künstler, "welcher Kunstwerke ausschliesslich um ihrer selbst willen herstellt", nicht als Grossist steuerpflichtig werden könne.
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Die EStV meint, der Beschwerdeführer könne sich nicht auf diese Praxis berufen, da er sich nicht "ausschliesslich" dem "freien Schaffen" widme, sondern ausserdem Grabsteine produziere. Sein Grabsteingeschäft sei ein Gewerbebetrieb, in welchem er Grabsteine gewerbsmässig herstelle. Die bildhauerischen Werke, die er im übrigen als "freier" Künstler "um ihrer selbst willen" schaffe, seien aber Waren gleicher Gattung wie Grabsteine; könnten doch Erzeugnisse der Bildhauerkunst, mit oder ohne Figuren, in vielen Fällen ebensogut eine Grabstätte wie einen öffentlichen Platz, eine Parkanlage oder ein Bauwerk schmücken. Daher seien alle vom Beschwerdeführer geschaffenen Erzeugnisse als gewerbsmässig hergestellt zu betrachten; denn Zweck seines Geschäftsbetriebs sei die Herstellung für fremde Rechnung und die Veräusserung "solcher" Produkte (Art. 10 Abs. 2, letzter Satz WUStB). Die EStV nimmt deshalb an, der Beschwerdeführer müsse sich seinen gesamten Umsatz anrechnen lassen, nicht nur den auf das Grabsteingeschäft entfallenden Teil - der in den Jahren 1968 und 1969 den Betrag von Fr. 35'000 nicht erreicht hat.
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Die erwähnte Praxis der EStV beruht auf der Überlegung, dass als gewerbsmässiger Hersteller im Sinne des Art. 10 Abs. 2 WUStB nach dem Zweck der Warenumsatzsteuer, die als Wirtschaftsverkehrssteuer ausgestaltet sei, nur "der im eigentlichen Wirtschaftsleben tätige gewerbliche oder industrielle Hersteller" angesehen werden könne. Der Meinung der EStV, ein sich auf das "freie Schaffen" beschränkender bildender Künstler könne nicht ein solcher Hersteller sein, kann jedoch nicht zugestimmt werden. Ist er selbständig und nachhaltig tätig und will er mit seinem Schaffen Einnahmen erzielen, so nimmt eben auch er, als gewerbsmässig Handelnder, am "eigentlichen Wirtschaftsleben" teil. Es kann nicht darauf ankommen, ob ein Bildhauer nur Werke herstellt und absetzt, welche die EStV als Erzeugnisse "freien Schaffens" betrachtet, oder ob er - ausserdem oder ausschliesslich - das Grabsteingeschäft betreibt, das die EStV nicht zum "freien Schaffen" rechnet.
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Wie die EStV selbst sagt, gehören ja alle vom Bildhauer hergestellten Werke - Grabsteine und andere - zur gleichen Gattung. Nach der einleuchtenden Darstellung des Beschwerdeführers kommt es vielfach vor, dass ein Bildhauer am Anfang seines selbständigen Wirkens, zur Sicherung seiner Existenz, regelmässig Grabsteine herstellt, dagegen später, nachdem er sich durchgesetzt hat, nicht mehr oder nur noch gelegentlich. Gerade der Beschwerdeführer hat nach seinen Angaben eine solche Entwicklung durchgemacht. Die bisherige Praxis der EStV könnte dazu führen, dass ein Bildhauer in seinen Anfängen, als Hersteller von Grabsteinen, der Warenumsatzsteuerpflicht unterstellt wäre, später aber, als erfolgreicher "Freischaffender" mit nicht geringerem oder sogar höherem Umsatz, nicht mehr. Das kann nicht der Sinn der gesetzlichen Ordnung sein. Die Bildhauer, welche sich mit dem Grabsteingeschäft befassen, und diejenigen, welche im Sinne der Ausführungen der EStV "ausschliesslich frei schaffen", müssen bezüglich der Warenumsatzsteuerpflicht gleich behandelt werden.
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Würde die EStV an ihrer bisherigen Praxis festhalten, also die "ausschliesslich frei schaffenden" selbständigen Bildhauer weiterhin nicht als gewerbsmässig tätige Hersteller betrachten, so wäre daher die Unterstellung des Beschwerdeführers unter die Steuerpflicht mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht vereinbar (vgl. BGE 90 I 167, 226/7). Die EStV äussert indessen selber Zweifel an der Gesetzmässigkeit jener Praxis. Sie erklärt denn auch nicht, dass sie daran festhalten wolle. Sie wird die Praxis ändern müssen. Die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge der rechtsungleichen Behandlung dringt deshalb nicht durch.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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