![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
24. Urteil vom 13. August 1973 i.S. Aktionskomitee gegen das aufgelegte N2-Autobahnprojekt Sursee und Mitbeteiligte gegen Luzern, Kanton und Regierungsrat. | |
Regeste |
Nationalstrassenbau; Einsprache gegen das Ausführungsprojekt, Art. 27 NSG. |
Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nur legitimiert, wer für das umstrittene Nationalstrassenteilstück Land abzutreten hat oder im Sinne von Art. 30 EntG an einem Enteignungsverfahren "beteiligt" ist (Erw. 2). |
Eine grundsätzliche Kritik am generellen Projekt für eine Nationalstrasse, insbesondere an der generellen Linienführung, kann im Einspracheverfahren nach Art. 27 NSG nicht mehr erhoben werden (Verdeutlichung der Rechtsprechung). Dagegen sind in diesem Verfahren auch solche Begehren um Änderung des Ausführungsprojekts zu prüfen, die - würde ihnen entsprochen - die zuständigen Behörden zu einer Änderung des generellen Projekts veranlassen könnten (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
Gestützt auf Art. 27 Abs. 2 des BG über die Nationalstrassen (NSG; SR 725.11) in Verbindung mit § 10 Abs. 5 der kantonalen Vollziehungsverordnung zum NSG vom 22. Januar 1962 (kant. VV-NSG) entschied der Regierungsrat am 22. November 1971 in einem einzigen Beschluss über sämtliche Einsprachen. Das Dispositiv dieses Beschlusses lautet wie folgt:
| 2 |
"1. Die Einsprachen werden im Sinne der vorstehend zu den einzelnen Eingaben angeführten Erwägungen entschieden.
| 3 |
2. Das Baudepartement wird beauftragt, das Auflageprojekt dem Eidg. Departement des Innern zur Genehmigung einzureichen, wobei diesem die aus den Einspracheentscheiden sich ergebenden Abänderungen zu beantragen sind; nach der Genehmigung ist für die getroffenen Projekttänderungen das in Art. 28 NSG vorgeschriebene erneute Einspracheverfahren durchzuführen."
| 4 |
Soweit die Einsprecher das generelle Projekt beanstandeten, lehnte es der Regierungsrat unter Hinweis auf Art. 12 ff. der bundesrätlichen Vollziehungsverordnung zum NSG (VV-NSG; SR 725.111) ab, die generelle Linienführung der N2 entlang des Sempachersees erneut grundsätzlich zu überprüfen und entsprechende weitere Abklärungen zu treffen. Dennoch nahm er zu den Vorbringen der Einsprecher Stellung und legte dar, weshalb sich seines Erachtens keine Änderung der generellen Linienführung aufdränge. Was die Kritik am aufgelegten Ausführungsprojekt als solchem anbelangte, ging der Regierungsrat auf die einzelnen Abänderungsanträge ein und sicherte bestimmte, den Einsprachebegehren teilweise entsprechende Vorkehren zu.
| 5 |
B.- Das am Einspracheverfahren beteiligte "Aktionskomitee gegen das aufgelegte N2-Autobahnprojekt Sursee", der "Verein Aktion zur Erhaltung des Sempachersees und der umliegenden Erholungszonen" sowie 18 weitere Einsprecher und Grundeigentümer haben am 23. Dezember 1971 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss des Regierungsrats des Kantons Luzern aufzuheben und die Sache zur Vervollständigung und neuen Entscheidung an den Regierungsrat zurückzuweisen.
| 6 |
Die Beschwerdeführer machen im wesentlichen geltend, der Regierungsrat wäre verpflichtet gewesen, das generelle Projekt im Sinne der Einsprachevorbringen zu überprüfen und dabei die seit der Genehmigung des generellen Projekts erfolgte Entwicklung der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung zu ![]() | 7 |
C.- Schultheiss und Regierungsrat des Kantons Luzern beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
| 8 |
D.- Bereits am 15. September 1971 hatten das "Aktionskomitee gegen das aufgelegte N2-Autobahnprojekt Sursee" und weitere Einsprecher den Bundesrat um Wiedererwägung seines Genehmigungsentscheids vom 28. Juni 1963 ersucht. Das gleiche Begehren stellten am 20. März 1972 der "Verein Aktion zur Erhaltung des Sempachersees und der umliegenden Erholungszonen" und 187 weitere Interessierte. Dabei bezeichneten die Gesuchsteller die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde als integrierenden Bestandteil ihrer an den Bundesrat gerichteten Eingabe.
| 9 |
Mit Schreiben vom 15. März 1972 teilte die Eidg. Justizabteilung dem Bundesgericht im Meinungsaustauschverfahren nach Art. 113 in Verbindung mit Art. 96 Abs. 2 OG mit, dass es sich ihrer Ansicht nach rechtfertige, das Beschwerdeverfahren bis zum Entscheid des Bundesrats über die hängigen Wiedererwägungsgesuche ruhen zu lassen. Hierauf erliess der Instruktionsrichter am 20. März 1972 eine entsprechende Verfügung.
| 10 |
Nachdem das Eidg. Departement des Innern (EDI) ergänzende Berichte des Eidg. Amtes für Umweltschutz, des Delegierten für Raumplanung und der Eidg. Natur- und Heimatschutzkommission eingeholt und am 2. Mai 1972 an Ort und Stelle einen Augenschein vorgenommen hatte, wies der Bundesrat die beiden Wiedererwägungsgesuche am 12. Juni 1973 auf Antrag des EDI ab. Die entsprechenden Beschlüsse, die 13 bzw. 21 Seiten umfassen, enthalten folgende Zusammenfassung der vom Bundesrat angestellten Erwägungen (Ziff. 12 bzw. 15):
| 11 |
"Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass keines der ... geltend gemachten Argumente gegen das aufgelegte Ausführungsprojekt ![]() | 12 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Nach Art. 39 Abs. 2 NSG ist es dem von einem Nationalstrassenprojekt betroffenen Grundeigentümer verwehrt, in einem gestützt auf das genehmigte Ausführungsprojekt eingeleiteten Enteignungsverfahren Einwendungen gegen die Linienführung zu erheben. Entsprechende Abänderungsbegehren sind vielmehr im Einspracheverfahren nach Art. 27 NSG zu stellen und von der zuständigen kantonalen Behörde im Zusammenhang mit der Bereinigung des Ausführungsprojekts zu prüfen. Mit dem Abschluss dieses Verfahrens wird der Kanton sinngemäss ermächtigt, das für den Nationalstrassenbau erforderliche Land nach Massgabe von Art. 30 ff. NSG zu erwerben. Der Einspracheentscheid gemäss Art. 27 Abs. 2 NSG stellt demnach eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwG dar und unterliegt als Erkenntnis einer letzten kantonalen Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 98 lit. g OG). Dass es sich dabei um eine Verfügung über Pläne ![]() | 13 |
Ob das Ausführungsprojekt in der vom Regierungsrat bereinigten Form verwirklicht wird, bleibt freilich auch dann ungewiss, wenn das Bundesgericht die vorliegende Beschwerde abweist, denn nach Art. 28 NSG ist es Sache des EDI, die bereinigten Ausführungsprojekte zu genehmigen und im Falle wesentlicher Projektänderungen ein neues Auflage- und Einspracheverfahren durchzuführen. Im angefochtenen Beschluss beantragt der Regierungsrat dem EDI denn auch ausdrücklich die von ihm beschlossenen Projektänderungen im Verfahren nach Art. 28 NSG zu genehmigen. Dieses Genehmigungsverfahren vor dem EDI bildet jedoch nicht Teil des Einspracheverfahrens im Sinne von Art. 27 NSG, sondern folgt diesem als selbständiges Verfahren nach; es bezweckt die Freigabe der bereinigten Projekte zur Bauausführung (BBl 1959 II 120 oben) und wird von Amtes wegen ohne Beteiligung der Einsprecher durchgeführt, sofern kein neues Auflageverfahren im Sinne von Art. 28 Abs. 2 NSG nötig ist. Aus diesem Grund steht es auch einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung eines Einspracheentscheids gemäss Art. 27 Abs. 2 NSG nicht entgegen. Die komplizierte Kompetenzaufteilung im Nationalstrassenrecht hat freilich zur Folge, dass das EDI im Verfahren nach Art. 28 NSG an einen bundesgerichtlichen Beschwerdeentscheid insofern nicht gebunden ist, als es einem vor dem Bundesgericht bereinigten Ausführungsprojekt die Genehmigung verweigern und von sich aus Änderungen desselben anordnen kann. Diese Besonderheit entspricht jedoch offenbar dem Willen des Gesetzgebers.
| 14 |
2. Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung ![]() | 15 |
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall für jene Beschwerdeführer ohne weiteres erfüllt, die für das umstrittene Nationalstrassenteilstück Land abzutreten haben oder denen die Stellung eines "Beteiligten" im Sinne von Art. 30 EntG zukommt, beispielsweise weil sie die vom Werk ausgehenden Immissionen hinzunehmen haben und unter bestimmten Voraussetzungen die Enteignung von nachbarrechtlichen Unterlassungsansprüchen erwirken können (unveröffentlichtes Urteil vom 8. März 1972 i.S. Fessel, Erw. 2).
| 16 |
Nicht legitimiert sind indessen die beschwerdeführenden Organisationen. Wie bereits erwähnt, sind die Beschwerdevorbringen sinngemäss als Einsprachen gegen eine künftige Enteignung zu behandeln (vgl. oben Erw. 1 sowie Art. 99 lit. c OG). Daraus folgt, dass sich nur die Betroffenen selbst gegen eine Inanspruchnahme ihrer Grundstücke bzw. gegen eine auf dem Enteignungsweg zu erwirkende Beschränkung ihrer Rechte zur Wehr setzen können, denn nur sie selbst sind durch das angefochtene Projekt berührt und imstande, unter Hinweis auf die besondere Lage und Beschaffenheit ihrer Grundstücke im konkreten Fall eine allfällige Missachtung bundesrechtlicher Vorschriften zu begründen. Auf die Beschwerde des Aktionskomitees gegen das aufgelegte N2-Autobahnprojekt Sursee, des Aktionskomitees zur Erhaltung des Surseer Waldes und des östlichen Trichterufers als Naherholungszone der Stadt Sursee und des Vereins Aktion zur Erhaltung des Sempachersees und der umliegenden Erholungszonen (Beschwerdeführer Nr. 1, 3 und 4) kann daher nicht eingetreten werden.
| 17 |
3. Die Beschwerdeführer beanstanden zur Hauptsache die Linienführung des generellen Projekts, das dem Ausführungsprojekt zugrunde liegt. Sie werfen dem Regierungsrat sinngemäss vor, er habe die nach Art. 5 Abs. 2 NSG in Betracht fallenden öffentlichen Interessen nicht mit der gebotenen Sorgfalt ![]() | 18 |
Im Urteil 97 I 578 hat das Bundesgericht ausgeführt, das NSG sehe kein Rechtsmittel vor, mit dem das generelle Projekt angefochten werden könne. Unter Hinweis auf einen Einspracheentscheid des Bundesrats vom 22. Januar 1969 (ZBl 71/1970, S. 124) und im Interesse eines angemessenen Rechtsschutzes der Betroffenen hat es daraus den Schluss gezogen, dass mit der Einsprache gemäss Art. 27 NSG auch eine vom generellen Projekt abweichende Linienführung verlangt werden könne und dass die zur Beurteilung zuständige kantonale Behörde solche Vorbringen materiell zu prüfen habe.
| 19 |
Diese Erwägungen bedürfen einer Einschränkung. Nach Art. 13 NSG wird die generelle Projektierung vom ASF in Zusammenarbeit mit den interessierten Bundesstellen und Kantonen durchgeführt. Art. 12 VV-NSG sieht in diesem Zusammenhang vor, dass das generelle Projekt nach Möglichkeit so genau ausgearbeitet und im Bereinigungsverfahren derart festgelegt werden soll, dass keine wesentlichen Verschiebungen der Linienführung mehr zu erwarten sind. Mit Rücksicht darauf ist das vom ASF ausgearbeitete generelle Projekt den interessierten Kantonen zu unterbreiten, welche die durch den Strassenbau betroffenen Gemeinden und allenfalls die Grundeigentümer zur Stellungnahme einzuladen haben (Art. 19 Abs. 1 NSG). Das ASF hat die Vernehmlassungen zu prüfen und das generelle Projekt in Zusammenarbeit mit den interessierten Bundesstellen und Kantonen zu bereinigen (Art. 19 Abs. 2 NSG). Hernach ist es dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen (Art. 20 NSG). Nach dem Willen des Gesetzgebers bezweckt dieses Verfahren, ![]() | 20 |
Von Bundesrechts wegen steht dem betroffenen Grundeigentümer somit in der Tat kein förmliches Rechtsmittel gegen das generelle Projekt offen. Diese Ordnung ist jedoch nach dem Gesagten vom Gesetzgeber gewollt und soll es dem Bundesrat gestatten, die Linienführung einer Nationalstrasse mit der Genehmigung des generellen Projekts wenn immer möglich endgültig festzulegen (StenB Ständerat 1959, 387). Unter diesen Umständen besteht kein Grund, dem betroffenen Grundeigentümer im Einspracheverfahren nach Art. 27 NSG und in einem nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren zu einer grundsätzlichen Kritik an der generellen Linienführung einer Nationalstrasse zuzulassen, um so weniger als das Bundesgericht Entscheide des Bundesrats - abgesehen von den im Gesetz abschliessend aufgezählten Fällen - nicht zu überprüfen hat (vgl. Art. 98 lit a OG). Damit ist indessen nicht gesagt, dass der Betroffene notwendigerweise schutzlos bleiben muss und sich mit dem vom Bundesrat genehmigten generellen Projekt abzufinden hat. Wie gerade der vorliegende Fall zeigt, kann er entsprechende Abänderungsbegehren mit Aussicht auf Erfolg in einem Wiedererwägungsgesuch gegen den bundesrätlichen Genehmigungsentscheid stellen. Nach dem Sinn der gesetzlichen Ordnung muss es aber damit sein Bewenden haben, wenn die Planung von Nationalstrassen nicht übermässig erschwert werden soll. Aus den Ausführungen im erwähnten Urteil 97 I 578 darf somit nicht geschlossen werden, der Einsprecher könne sich im Verfahren nach Art. 27 NSG darauf beschränken, eine Änderung des generellen Projekts zu verlangen, und die kantonale Behörde sei verpflichtet, auf eine solche Kritik am bundesrätlichen Genehmigungsentscheid einzugehen.
| 21 |
![]() | 22 |
4. Der Regierungsrat ist auf die Kritik der betroffenen Grundeigentümer am Ausführungsprojekt eingegangen, und ![]() | 23 |
Soweit die Einsprecher lediglich in grundsätzlicher Weise eine Abänderung der generellen Linienführung verlangten, wäre der Regierungsrat nicht verpflichtet gewesen, auf ihre Vorbringen einzugehen, denn diese Beanstandungen waren ihrer Natur nach mit einem Wiedererwägungsgesuch beim Bundesrat geltend zu machen (vgl. oben Erw. 3). Mit Recht haben die Beschwerdeführer denn auch von diesem Rechtsbehelf Gebrauch gemacht und ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde als Bestandteil des Wiedererwägungsgesuchs bezeichnet. Der Regierungsrat machte sich somit auch keiner Rechtsverweigerung schuldig, wenn er auf die Einsprache des Beschwerdeführers Viktor Kuhn vom 29. März 1971 nicht besonders einging, denn in dieser wurde lediglich in allgemeiner Form Kritik an der generellen Linienführung geübt, auf die der Regierungsrat nach dem Gesagten nicht näher einzutreten brauchte und die er im übrigen mit seinen Ausführungen zu den Vorbringen anderer Einsprecher sinngemäss materiell behandelte.
| 24 |
Abgesehen von der Rüge der formellen Rechtsverweigerung, die sich als unbegründet erwiesen hat, enthält die Verwaltungsgerichtsbeschwerde lediglich in allgemeiner Form gehaltene Beanstandungen der generellen Linienführung des Nationalstrassenteilstückes ![]() | 25 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 26 |
27 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |