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32. Auszug aus dem Urteil vom 16. Februar 1973 i.S. Fürsorgefonds für Angestellte und Arbeiter der Glashütte Bülach AG gegen Regierungsrat des Kantons Zürich | |
Regeste |
Stiftungsaufsicht |
2. Befugnis der Aufsichtsbehörde, unmittelbar gestützt auf Art. 84 Abs. 2 ZGB einzugreifen (Erw. 4). |
3. Übertragung einer Summe von einer Rechnung der Stiftung auf eine andere Rechnung derselben Stiftung; Verwendung des Betrages für Abschreibungen auf einer der Stiftung gehörenden Liegenschaft, die zu reduzierten Mietzinsen an Arbeitnehmer der Stifterfirma und Dritte vermietet wird. Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieser Operation (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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A.- Die Glashütte Bülach AG hat im Jahre 1928 eine als "Fürsorgefonds für Angestellte und Arbeiter der Glashütte Bülach" bezeichnete Stiftung im Sinne von Art. 80 ff. ZGB errichtet. Diese Stiftung hat nach Art. 2 der Stiftungsurkunde zum Zwecke, bedürftige und verdiente, männliche und weibliche Angestellte und Arbeiter der Glashütte Bülach AG zu unterstützen. Art. 9 der Stiftungsurkunde sieht vor, dass das Stiftungsvermögen nach Massgabe eines Reglementes zu verwenden ist, das vom Stiftungsrat zu erlassen und vom Verwaltungsrat der Glashütte Bülach AG zu genehmigen ist. In Kapitel II Ziff. 4 des am 29. Dezember 1928 erlassenen Reglementes wird bestimmt: "Der vorgenannte Stiftungsrat kann nach freiem Ermessen über das Stiftungsvermögen verfügen zwecks Ausrichtung von Unterstützungen und Hilfeleistungen jeder Art, die ihm angezeigt erscheinen: Unterstützungen in Geld oder Natura, Darlehen auf kurze oder lange Frist, Pensionen, Rückerstattung von Arztkosten, Beteiligung an Versicherungen, u.s.w."
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Über viele Jahre hinweg äufnete einzig die Stifterfirma das Stiftungsvermögen. Im Jahre 1945 wurde innerhalb der Stiftung eine paritätische Alters- und Fürsorgekasse mit einem Gründungskapital von Fr. 200 000.-- ausgeschieden, was der Bezirksrat Bülach als zuständige Aufsichtsbehörde am 5. August 1946 guthiess. Über die damit entstandenen zwei Abteilungen, den patronalen Fürsorgefonds einerseits und die paritätische Alters- und Fürsorgekasse anderseits, führt die Stiftung getrennt Buch. In der Betriebsrechnung des Fürsorgefonds über das Geschäftsjahr 1967 werden unter den Eingängen zwei Zuwendungen der Glashütte Bülach AG aufgeführt: Fr. 100 000.
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Der Bezirksrat Bülach hat dieser Operation am 2. Oktober 1969 seine Zustimmung verweigert. Ziff. II des Dispositivs seines Beschlusses lautet: "Die in der Rechnung enthaltene Zuwendung von Fr. 136 000.-- an die Alters- und Fürsorgekasse als Subvention auf Wohnungen ist zurückzuerstatten und in der Jahresrechnung 1969 zu vereinnahmen."
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Die Stiftung focht diesen Beschluss beim Regierungsrat des Kantons Zürich an.
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B.- Im Jahre 1970 errichteten die Firmen Vetropack AG, Glashütte Bülach AG und Müller & Krempel AG zur Vereinheitlichung und Zentralisierung ihrer Personalfürsorge gemeinsam die Stiftung "Pensionskasse Vetropack".
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Die Stiftung der Glashütte Bülach AG übertrug der neuen Stiftung dabei den gesamten auf den 31. Dezember 1969 berechneten Bestand der Alters- und Fürsorgekasse von Fr. 5 335 695.29 sowie Fr. 41 696.51 aus dem Fürsorgefonds. Ihr blieb danach allein der Fürsorgefonds mit einem Restvermögen von Fr. 1 032 780.29.
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Am 2. April 1970 wurde eine neue Stiftungsurkunde erstellt, welche die Urkunde vom 28. Januar 1928 ersetzen sollte.
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Der Regierungsrat des Kantons Zürich genehmigte am 8. April 1971 die Kapitaltransaktionen und hiess die Änderung der Stiftungsurkunde gut, wobei er bemerkte, die Neuerungen lägen im Interesse sowohl der Stiftung als auch der Destinatäre und gäben keinen Anlass zu Bedenken.
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C.- Am 12. April 1972 wies der Regierungsrat die Beschwerde der Stiftung gegen den Beschluss des Bezirksrates Bülach vom 2. Oktober 1969 betreffend die Zuwendung von ![]() | 11 |
D.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 21. Juni 1972 beantragt die Stiftung, Ziffer II des Dispositivs des Bezirksratsbeschlusses vom 2. Oktober 1969 "als gegenstandslos in vollem Umfange aufzuheben", allenfalls dem Bezirksrat Bülach und dem Regierungsrat des Kantons Zürich verbindliche Anweisungen zu erteilen, "wie der Regierungsbeschluss des Kantons Zürich vom 8. April 1971 sowie der Regierungsratsentscheid des Kantons Zürich vom 12. April 1972 nachträglich miteinander in Übereinstimmung zu bringen sind".
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E.- Die Direktion des Innern des Kantons Zürich beantragt im Namen des Regierungsrates, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, das am 19. Juli 1972 aufgefordert worden war, eine allfällige Vernehmlassung bis zum 31. August 1972 einzureichen, hat seine Stellungnahme erst am 1. September 1972, also nach Ablauf der ihm angesetzten Frist, der Post übergeben.
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F.- Auf Anfrage des Instruktionsrichters teilte die Beschwerdeführerin dem Gericht am 3. Oktober 1972 mit, die beiden Wohnblöcke in Hochfelden, von denen der eine 14 Wohnungen und einen Kindergarten, der andere 40 Einzelzimmer enthalte, seien anfänglich vorwiegend von "unabhängigen Drittmietern" belegt worden. Heute bestehe die Mieterschaft mehrheitlich aus Arbeitnehmern des Vetropack-Konzerns. Die beiden Wohnblöcke würden von einer unabhängigen Immobilienfirma verwaltet, die für die vierzehn Wohnungen der Marktlage in Hochfelden entsprechende Mietzinse ansetze. Das Personal des Vetropack-Konzerns erhalte die Wohnungen zu einem reduzierten Mietzins. Ähnlich verhalte es sich bei den möblierten Einzelzimmern. Die Glashütte Bülach AG leiste der Beschwerdeführerin dafür gewisse "Zuzahlungen". Ohne Berücksichtigung der Abschreibung von Fr. 136 000.-- sei die Bruttorendite der Liegenschaft Hochfelden von 1968 bis 1970 von 7,35% auf 7,80% gestiegen, während die Nettorendite des investierten Eigenkapitals im selben Zeitraum von 6,85% auf 4,92% gesunken sei. Diese Renditen genügten für Stiftungsvermögen.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Nach Art. 84 Abs. 2 ZGB hat die Aufsichtsbehörde dafür ![]() | 16 |
Nicht in den Aufgabenbereich der Aufsichtsbehörde gehört es hingegen, darüber zu wachen, dass die Stiftung durch ihre Tätigkeit keine steuerlichen Nachteile erleidet, es sei denn, die Stiftungsurkunde würde der Stiftungstätigkeit in diesem Sinne eine Grenze setzen. Ob die Stiftung oder Zuwendungen der Stifterfirma an sie Steuerfreiheit geniessen, ist ausschliesslich von den Steuerbehörden zu entscheiden. Wird die Stiftung im Rahmen der Verfolgung des Stiftungszweckes in einer Weise tätig, die zum Verlust der Steuerfreiheit führen kann, so darf die Aufsichtsbehörde deshalb höchstens die Steuerbehörden, sofern das geltende Recht ihr das erlaubt, über den Sachverhalt in Kenntnis setzen. Ein direkter Eingriff aus diesem einzigen Grund ist ihr jedoch versagt.
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Die Stiftung bildet rechtlich eine Einheit. Die in Frage stehende Übertragung von einer Rechnung der Stiftung auf eine andere Rechnung derselben Stiftung kann deshalb nicht als Entfremdung von Stiftungsmitteln qualifiziert werden. Zwar bedeutet die Übertragung im vorliegenden Falle zugleich eine Änderung der Zweckbestimmung des fraglichen Betrages. Die Aufsichtsbehörde selbst war aber im Jahre 1946 offenbar der Auffassung, der Zweck der Kranken- und Fürsorgekasse sei durch die Stiftungsurkunde gedeckt, hat sie doch damals die Schaffung der Kranken- und Fürsorgekasse mit einem aus dem Fürsorgefonds stammenden Gründungskapital von Fr. 200 000 gutgeheissen.
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Auch in der Einsetzung der Fr. 136 000.-- für Abschreibungen auf der der Stiftung gehörenden Liegenschaft Hochfelden liegt keine Entfremdung von Stiftungsmitteln. Es kann darin auch keine Zuwendung an Destinatäre der Stiftung oder Dritte gesehen werden. Diese beiden buchhalterischen Operationen halten vor Art. 84 ZGB stand. Hingegen fragt sich, ob die Mietzinse in der Liegenschaft Hochfelden nicht dank der zulasten der Kranken- und Fürsorgekasse vorgenommenen Abschreibung von Fr. 136 000.--herabgesetzt werden konnten und ob gegebenenfalls in solchen Mietzinsreduktionen nicht zweckwidrige Zuwendungen der Stiftung an ihre Destinatäre oder Dritte zu erblicken sind.
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Zu dieser doppelten Frage wird im angefochtenen Entscheid nichts ausgeführt. Hingegen nimmt die kantonale Direktion des Innern in ihrer Vernehmlassung kurz dazu Stellung. Sie macht geltend, die fraglichen Fr. 136 000.-- seien von den Anlagekosten der Bauten in Abzug gebracht worden. So habe trotz niedrigen Mietzinsen eine Rendite auf dem Eigenkapital von rund 6% ![]() | 23 |
a) Ob die Nettorendite in Wirklichkeit bei lediglich 4% liegt, ist für sich allein nicht entscheidend. Das Stiftungsvermögen muss, wie bereits gesehen, in relativ sicheren Werten angelegt werden. Dies bedingt einen Verzicht auf hohe Renditen. Der Entscheid über die Anlage des Stiftungsvermögens steht grundsätzlich den Stiftungsorganen zu. Die Aufsichtsbehörde kann dabei - abgesehen von der Überwachung der Qualität einer Anlage - im wesentlichen nur eingreifen, wenn eine Anlage wegen unzulässiger Begünstigung bestimmter Personen eine aussergewöhnlich tiefe Rendite erbringt. Ob die Nettorendite im vorliegenden Falle wirklich bei nur 4% liegt, ist deshalb nur von Bedeutung, falls sich daraus ergibt, dass die Mietzinse in der fraglichen Liegenschaft aussergewöhnlich tief angesetzt wurden, um Mieter, die nicht Destinatäre der Stiftung sind, zu begünstigen.
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b) Die Beschwerdeführerin hat über die Nettorendite der Liegenschaft Hochfelden verschiedene voneinander abweichende Berechnungen angestellt. In der Jahresrechnung 1968 hat sie den Betrag von Fr. 136 000.-- von den Anlagekosten abgezogen und somit nicht in ihr Eigenkapital eingeschlossen. Nach Zuweisung von Fr. 12 000.-- an einen Erneuerungsfonds für Liegenschaften ergab sich damit eine Nettorendite von 6,05%. In der Rekursschrift an den Regierungsrat schlägt sie die Fr. 136 000.-- zu den investierten eigenen Mitteln, sieht aber keine Zuweisung an den Erneuerungsfonds mehr vor, womit sich die Nettorendite auf 6'856% stellt. In ihrem Brief an das Bundesgericht vom 3. Oktober 1972 legt sie - abgesehen von hier bedeutungslosen zahlenmässigen Verschiebungen zwischen einzelnen Positionen - dieselbe Berechnung vor. Die Bruttorendite gibt sie für 1968 mit 7,35% an. Für 1969 und 1970 ergeben sich nach ihrer Rechnung bei Einschluss der Fr. 136 000.-- in das investierte Eigenkapital und Verzicht auf Zuweisungen an den Erneuerungsfonds Nettorenditen von 6,21% und 4,92%.
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Hätte die Beschwerdeführerin für 1968 die Fr. 136 000.-- zum investierten Eigenkapital gerechnet und zudem eine Zuweisung von Fr. 12 000.-- an den Erneuerungsfonds eingesetzt, so hätte sich eine Nettorendite von nur noch 4,25% ergeben, was unter ![]() | 26 |
c) Die Beschwerdeführerin anerkennt, den Arbeitnehmern des Vetropack-Konzerns in der Liegenschaft Hochfelden Mietzinsreduktionen zu gewähren. Sie weist aber darauf hin, dass - wie sich aus den Jahresrechnungen ergibt - die Stifterfirma den Ausfall, der durch diese Reduktionen entsteht, jedes Jahr durch entsprechende Vergütungen an die Stiftung kompensiert. Dank diesen Zuschüssen ist es der Stiftung möglich, trotz den Mietzinsreduktionen eine genügende Bruttorendite auszuweisen. Die Gewährung von Mietzinsreduktionen in Verbindung mit der Leistung von entsprechenden Zuschüssen durch die Stifterfirma ist nicht zu beanstanden.
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d) Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Stiftung versucht hätte, auf ihrer Liegenschaft in Hochfelden eine höhere Nettorendite zu erzielen, statt sich mit dem erwähnten verhältnismässig geringen Ansatz zufrieden zu geben, wenn die hier in Frage stehende Operation unterblieben wäre. Entgegen der Ansicht des Regierungsrates darf aber nicht übersehen werden, dass die Stifterfirma der Stiftung zwei Spezialzuwendungen für Wohnungsverbilligung von zusammen Fr. 300 000.-- hat zukommen lassen. Die Bindung dieser Zuwendungen an einen bestimmten Zweck war ohne weiteres zulässig, war die Stifterfirma doch in keiner Weise verpflichtet, die Zuwendungen vorzunehmen. Von der hier in Frage stehenden Operation wurden somit ohnehin keine für die Personalvorsorge bestimmten Mittel der Stiftung betroffen.
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Die Frage der Steuerfreiheit der beiden Spezialzuwendungen war, nach dem oben ausgeführten, nicht von der Aufsichtsbehörde, sondern ausschliesslich von den zuständigen Steuerbehörden zu entscheiden. Im vorliegenden Falle erübrigen sich deshalb Bemerkungen dazu.
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e) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Stiftung einen Teil ![]() | 30 |
f) Aus all diesen Erwägungen ergibt sich, dass durch die in Frage stehende Operation keine Mittel der Stiftung ihrem Zwecke entfremdet worden sind. Die Aufsichtsbehörde hat deshalb zu Unrecht verlangt, dass die Fr. 136 000.--auf den Fürsorgefonds zurückzuübertragen seien. Die Beschwerde ist gutzuheissen.
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