BGE 99 Ib 371 | |||
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48. Auszug aus dem Urteil vom 6. April 1973 i.S. Genossenschaft X. | |
Regeste |
Wehrsteuer: Merkmale der Steuerumgehung. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Die Beschwerdeführerin, ein Genossenschaftsverband gemäss Art. 921 ff. OR, wurde im Jahre 1961 gegründet. Sie hat nach Art. 2 ihrer Statuten zum Zweck, einen rationellen Warenumschlag zwischen einem Dachverband und den ihr angeschlossenen örtlichen Genossenschaften zu gewährleisten, insbesondere durch gemeinsamen Einkauf und gemeinsame Lagerung der von diesen Mitgliedern benötigten Waren. Zur Finanzierung dienen die Einzahlungen der Mitglieder auf Anteilscheine und aufgenommene fremde Gelder (Art. 13). Jedes Mitglied muss mindestens einen Anteilschein von Fr. 200 zeichnen; ausserdem können die Mitglieder je nach Finanzbedarf zur Übernahme weiterer Anteile verpflichtet werden (Art. 14). Die Beschwerdeführerin gibt die Ware zu den Selbstkosten weiter (Art. 16). Ein allfälliger Reinüberschuss wird nach den gesetzlichen Reservezuweisungen zur Verzinsung der Anteilscheine verwendet (Art. 17).
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B.- In den auf Ende Juni 1963-1966 erstellten Bilanzen der Beschwerdeführerin sind folgende Posten enthalten:
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30.6.1963 30.6.1964 30.6.1965 30.6.1966
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Fr. Fr. Fr. Fr.
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Bilanzsumme 5'465'518 5'354'454 5'347'298 5'046'569
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Immobilien 4'115'000 4'055'000 3'995'000 3'908'259
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Anteilscheinkapital
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und Reserven 101'000 102'000 103'000 105'000
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Hypotheken 3'000'000 2'819'814 2'793'850 2'759'898
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Darlehen
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der Mitglieder 2'092'300 2'092'300 1'860'400 1'452'000
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Angesichts des Verhältnisses zwischen dem ausgewiesenen Eigenkapital und den Mitgliederdarlehen fand die kantonale Wehrsteuerverwaltung, es liege eine Steuerumgehung durch Schaffung verdeckten Eigenkapitals vor. Sie betrachtete ein Eigenkapital von 20% der Bilanzsumme als normal und stellte deshalb bei der Einschätzung der Beschwerdeführerin für die 11., 12. und 13. Wehrsteuerperiode einen Teil der Mitgliederdarlehen als verdecktes Eigenkapital in Rechnung. Die kantonale Rekurskommission bestätigte die Einspracheentscheide.
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C.- Gegen den Rekursentscheid erhebt die Steuerpflichtige Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie macht geltend, sie erfülle bloss die Funktion einer Umschlagstelle; sie sei wirtschaftlich nicht selbständig. Dieser Eigenart entspreche eine besondere Kapitalstruktur. Die gegebenen Umstände rechtfertigten es nicht, eine Steuerumgehung anzunehmen. Es sei verfehlt, die Regeln, nach denen Kapitalgesellschaften für verdecktes Eigenkapital besteuert werden, auf Genossenschaften anzuwenden.
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Das Bundesgericht lehnt den grundsätzlichen Standpunkt der Beschwerdeführerin ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Indessen verkennt die Beschwerdeführerin die Natur und die Tragweite des Merkblattes. Dieses hat keineswegs den Charakter einer Rechtsverordnung, die nur für die Zukunft und bloss für die im Text genannte Kategorie von Steuerpflichtigen anwendbar wäre. Vielmehr enthält es administrative Weisungen, welche schon vorher massgebliche allgemeine Rechtsgrundsätze betreffen und deren einheitliche Anwendung im Fall der Immobiliengesellschaften erleichtern sollen.
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Diese Rechtsgrundsätze sind in einer langjährigen Rechtsprechung über die Steuerumgehung entwickelt worden. Auf sie hat sich das Bundesgericht in einem Urteil vom 12. November 1971 (ASA 41 S. 243 ff.) bei der Prüfung der im angefochtenen Entscheid befolgten, auf das Merkblatt vom 10. Juli 1968 gestützten Praxis berufen (E. 3a). Das Merkblatt bezieht sich deshalb nur auf die Immobiliengesellschaften, weil bei ihnen die "Unterkapitalisierung" besonders häufig vorkommt. Die Besteuerung verdeckten Eigenkapitals kommt aber auch in anderen Fällen in Frage. In diesem Sinne hat sich das Bundesgericht schon vor 1968 ausgesprochen (ASA 19 S. 90 ff.; vgl. auch BGE 96 I 118 betr. kantonale Steuern); ebenso die Eidg. Steuerverwaltung in einem nicht weitergezogenen Entscheid betr. Couponabgabe und Verrechnungssteuer auf Zinsen für Vorschüsse der Aktionäre eines Unternehmens des Detailhandels (ASA 27 S. 229 ff.). Die mit der Prüfung der Motion Piller beauftragte Expertenkommission hatte ihrerseits in ihrem 1955 erstatteten Bericht "Zum Problem der gleichmässigen Besteuerung der Erwerbsunternehmungen" befürwortet, dass das verdeckte Eigenkapital allgemein besteuert werde, auch wenn besondere gesetzliche Bestimmungen darüber fehlen (S. 113/114, 167). Auch MASSHARDT (Komm. zur eidg. Wehrsteuer 1971-1982, S. 214, N. 9b zu Art. 49 WStB) vertritt diese Auffassung; er erklärt, dass eine solche Besteuerung nicht nur für Immobiliengellschaften, sondern gelegentlich auch für Finanz- und Beteiligungsgesellschaften oder andere Unternehmungen in Betracht kommt. KÄNZIG (Wehrsteuer, Ergänzungsband 2.Aufl., S. 8/9, N. 17 zu Art. 2 WStB) ist offenbar der gleichen Meinung, indem er in ganz allgemeiner Weise von der Besteuerung des verdeckten Eigenkapitals spricht. Gewiss ist die "Unterkapitalisierung" von Handels- oder Fabrikationsunternehmungen nicht besonders häufig; wenn sie vorkommt und die Voraussetzungen der Steuerumgehung erfüllt sind, besteht aber kein Grund und liefe es sogar dem Gebot der Rechtsgleichheit zuwider, daraus nicht die entsprechenden steuerlichen Folgerungen zu ziehen.
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Selbsthilfegenossenschaften erstrebten im Unterschied zu den Aktiengesellschaften keinen Gewinn und seien daher anders zu behandeln als diese. Sie erklärt, dass sie wirtschaftlich nicht selbständig sei, sondern lediglich die Funktion einer Umschlagstelle erfülle, indem sie den Einkauf und die Lagerung der Waren für ihre Mitglieder zentralisiere, wobei sie nur die Selbstkosten in Rechnung stelle. Den Folgerungen, die sie aus diesen Feststellungen ableitet, kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Der Wehrsteuerbeschluss unterwirft die Genossenschaften grundsätzlich dem gleichen System der Besteuerung wie die Aktiengesellschaften, ohne darauf abzustellen, ob ein Gewinn erstrebt wird oder nicht (Art. 50 und 61). Diese Gleichbehandlung bei der Wehrsteuer wird übrigens schon von der Bundesverfassung gefordert, die in Art. 41 ter Abs. 5 lit. a vorschreibt, dass die juristischen Personen "ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steuerlich möglichst gleichmässig zu belasten" sind. Ein verdecktes Eigenkapital gehört aber zu den Faktoren, welche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer wie auch immer gestalteten Unternehmung bestimmen, und ist dementsprechend zu besteuern. Insbesondere rechtfertigt es sich, einer solchen Besteuerung Genossenschaften zu unterwerfen, welche - wie die Beschwerdeführerin - ihre Ware zu den Selbstkosten liefern und demzufolge kaum Gewinne ausweisen; denn sie stellen nichtsdestoweniger wirtschaftlich leistungsfähige Unternehmungen dar, die der direkten Steuer fast vollständig entgehen würden, wenn ihr verborgenes Eigenkapital und die darauf entfallenden Zinsen nicht erfasst würden. Als die erwähnte Expertenkommission die Besteuerung des verdeckten Eigenkapitals befürwortete, hatte sie denn auch besonders die Genossenschaften und die Genossenschaftsverbände im Auge.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat angenommen, bei Darlehen der Gesellschafter an die Gesellschaft habe man es mit verdecktem Eigenkapital und Steuerumgehung zu tun, wenn a) die Gesellschaft ihre Aufgabe ohne die geborgten Mittel nicht hätte erfüllen können, b) ein Darlehen in der vereinbarten Höhe nach den geschäftlichen Gepflogenheiten von einem der Gesellschaft fernstehenden Dritten nicht erhältlich gewesen wäre, c) dieses Leihkapital dem Risiko des Geschäftserfolges ausgesetzt wurde, und d) das Vorgehen sich lediglich daraus erklären lässt, dass die Gesellschafter von der Gesellschaft zum Zwecke der Steuerersparnis einen Passivzins anstelle eines Anteils am Reinertrag beziehen wollten. Diese in BGE 90 I 224 wiedergegebene Umschreibung, von der auch das Merkblatt der Eidg. Steuerverwaltung vom 10. Juli 1968 ausgeht, steht im Einklang mit der oben erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichts und kann der Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit zugrunde gelegt werden.
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Wie im angefochtenen Entscheid mit Recht ausgeführt wird, sind hier die Merkmale der Steuerumgehung erfüllt. Die Beschwerdeführerin benötigte umfangreiche Mittel, um die für ihre Tätigkeit erforderlichen Immobilien im Werte von rund 4 Millionen Franken anschaffen zu können. Mit einem Anteilscheinkapital von bloss Fr. 100 000 und ohne andere eigene Mittel hätte sie gewiss nicht das gesamte noch fehlende Kapital bei Dritten borgen können, auch nicht gegen hypothekarische Sicherstellung. Das normale Vorgehen hätte in einer starken Erhöhung des Anteilscheinkapitals bestanden. Die Statuten der Beschwerdeführerin bestimmen denn auch in Art. 14, dass die Mitglieder "je nach Finanzbedarf" im Verhältnisse ihrer Warenbezüge "zusätzliche obligatorische Anteile zu übernehmen" haben. Es war den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen und statutenwidrig, die gesamten zusätzlich erforderlichen Mittel auf dem Wege einfacher Darlehen der Mitglieder zu beschaffen. Diese Darlehen waren zum Teil dem mit dem Unternehmen der Beschwerdeführerin verbundenen Risiko ausgesetzt, in gleicher Weise wie das Anteilscheinkapital. Das von den Beteiligten gewählte Vorgehen hätte auch, was nicht bestritten ist, eine beträchtliche Steuerersparnis zur Folge, wenn es für die Besteuerung hingenommen würde. Es lässt sich nur mit der Absicht erklären, Steuern einzusparen, die bei sachgemässer Gestaltung der Verhältnisse geschuldet wären. Ein anderer Grund wird nicht genannt und ist auch nicht ersichtlich.
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