BGE 100 Ib 45 | |||
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8. Auszug aus dem Urteil vom 22. März 1974 i.S. Sunne gegen Eidg. Finanz- und Zolldepartement | |
Regeste |
Zollgesetz; Zollausschlussgebiet Samnaun. |
2. Die Kontingentierung der Ein- und Durchfuhr fiskalisch nicht belasteter Tabakwaren nach dem Samnaun verletzt kein Bundesrecht (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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A.- Die Talschaft Samnaun bildet ein Zollausschlussgebiet im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 (ZG). Zur Unterbindung des Schmuggels von Samnaun in die umliegenden Zollgebiete hat die Eidg. Oberzolldirektion u.a. die Einfuhr abgabefreier Zigaretten in diese Talschaft nach Massgabe des dortigen Verbrauches kontingentiert. Die Importe kontingentierter Waren nach Samnaun haben aus Kontrollgründen ausschliesslich über das Zollamt Martina zu erfolgen.
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B.- Björn Sunne bemüht sich seit längerer Zeit, aufverschiedenen Wegen Tabakwaren zollfrei nach Samnaun zu bringen.
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Am 20. Oktober 1972 versandte er beim Postamt Lörrach BRD 15 Pakete mit je 50 Stangen Zigaretten an seine Firma Transekonom in Compatsch. Da weder Sunne noch seine Firma über ein Kontingent verfügen, hielt das Zollamt Martina die Postsendungen zurück. Nach Rücksprache mit der Oberzolldirektion bestätigte der Zolleinnehmer von Martina am 26. Oktober 1972, dass die fraglichen Sendungen nicht in das Zollausschlussgebiet weiter geleitet werden dürften. Sunne liess die Pakete hierauf ins Zollfreilager Basel zurücksenden.
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Am 23. November 1972 verlangte Sunne per Telex von der Oberzolldirektion eine verbindliche Rechtsauskunft darüber, ob Zigaretten im Briefpostverkehr vom Ausland her ins Zollausschlussgebiet Samnaun geschickt werden könnten. Die Oberzolldirektion antwortete, ein solcher Versand sei nur im Rahmen des Transitkontingentes möglich. Sunne machte am 24. November 1972 eine weitere Rückfrage und legte gleichzeitig beim Eidg. Finanz- und Zolldepartement (EFZD) Beschwerde ein gegen die Zurückweisung der Paketsendungen aus Lörrach.
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D.- Gegen den Entscheid des EFZD reichte Björn Sunne Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass die Rückweisung der Zigaretten durch das Zollamt Martina vom 26. Oktober 1972 unrechtmässig war. Zur Begründung wird ausgeführt, der Entscheid des EFZD sei aufzuheben, falls Sendungen ins Zollausland nicht der Zollkontrolle unterlägen. Selbst wenn aber solche Sendungen der Zollkontrolle unterlägen, hätten die Sendungen des Beschwerdeführers nicht zurückgehalten werden dürfen, denn für die Kontingentierung der Tabakwareneinfuhr bestehe keine gültige Rechtsgrundlage.
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E.- Das EFZD beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Im Verwaltungsverfahren hat er die Auffassung vertreten, die Sendung von Lörrach nach Compatsch sei eine Postsendung im direkten Transit und daher gemäss Art. 57 Abs. 1 ZG von der Zollkontrolle befreit; denn es handle sich um eine Sendung vom Ausland (Lörrach) ins Zollausland (Talschaft Samnaun).
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Der Ausdruck "Sendungen im direkten Transit" in Art. 57 Abs. 1 ZG bedeutet sinngemäss, dass es sich um Sendungen handeln muss, die aus einem ausländischen Staat kommen und durch die Schweiz direkt in ein drittes Land befördert werden. Diese Interpretation entspricht, wie im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt wird, der Entstehungsgeschichte der Bestimmung: Im bundesrätlichen Entwurf war der Transit ausdrücklich als Beförderung nach einem dritten Lande umschrieben (BBl 1924 I 92); in der parlamentarischen Beratung wurde keine inhaltliche Änderung der Vorschrift beschlossen; die definitive Fassung ist auf eine sprachliche Korrektur durch die Redaktionskommission zurückzuführen.
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"Mit Rücksicht auf ihre Lage können schweizerische Grenzgebiete oder Grenzliegenschaften, unbeschadet der Überwachung durch die Zollverwaltung, vom schweizerischen Zollgebiet ausgeschlossen werden (Zollausschlussgebiet)."
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Das Zollausschlussgebiet kann zwar wegen der Wirkungen des Zollausschlusses als Zollausland bezeichnet werden; die schweizerische Gebietshoheit bleibt aber bestehen (BLUMENSTEIN, Grundzüge des schweizerischen Zollrechts, Bern 1931, S. 16; vgl. zur Wirkung des Zollausschlusses auch R. E. SCHERRER, Der Zollanschluss der deutschen Enklave Büsingen an die Schweiz, Zürcher Diss. 1971 S. 54 f).
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c) Gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. c PZO sind von der Zollkontrolle bei direkter Durchfuhr ausgenommen: "Sendungen von einem ausländischen Aufgabeort an einen ausländischen Bestimmungsort." Da die Talschaft Samnaun nicht zum Ausland im Sinne dieser Vorschrift gehört, kann auch aus dieser Vorschrift keine Befreiung von der Zollkontrolle für die in Frage stehenden Paketsendungen aus Lörrach abgeleitet werden. Art. 7 Abs. 1 lit. c PZO stimmt mit dem sinngemäss interpretierten Art. 57 Abs. 1 ZG überein.
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d) Dass bestimmte Sendungen in die Talschaft Samnaun unter Zollkontrolle gestellt werden, verletzt somit kein Bundesrecht. Die Zollverwaltung ist nach den einschlägigen Bestimmungen befugt, die zur Verhinderung von Missbräuchen notwendige Überwachung des Warenverkehrs nach dem Zollausschlussgebiet durchzuführen.
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a) Die Kontingentierung der abgabefreien Einfuhr von Tabak und anderer schmuggelfähiger Waren in die Talschaft Samnaun wurde 1940 auf Grund zwischenstaatlicher Abmachungen über den Grenzverkehr mit dem Deutschen Reich eingeführt. Wie in der Vernehmlassung des EFZD zutreffend festgestellt wird, ist die staatsvertragliche Regelung (Ziff. IV des Sitzungsprotokolls zu dem am 9. März 1939 abgeschlossenen Abkommen über den kleinen Grenzverkehr, AS 1940 S. 350), welche die Kontingentierung ursprünglich veranlasste, inzwischen weggefallen und zwar spätestens am 25. Februar 1948 mit dem Inkrafttreten des Schweizerisch-österreichischen Abkommens über den Grenzverkehr vom 30. April 1947. Durch diese Neuregelung wurden die mit dem Deutschen Reich getroffenen Abmachungen ersetzt.
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b) Die Kontingentierung der Ein- und Durchfuhr fiskalisch nicht belasteter Tabakwaren nach dem Samnaun wurde weiterhin aufrecht erhalten und von Zeit zu Zeit den veränderten Bedürfnissen angepasst. Es ist zu prüfen, ob diese Massnahme sich auf schweizerisches Recht stützen kann oder - mangels einer genügenden Rechtsgrundlage - gegen Bundesrecht verstösst.
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Wirkungen und Umfang eines Zollausschlusses, d.h. einer durch besondere örtliche Verhältnisse bedingten Rücknahme der Zollgrenze hinter die Staatsgrenze sind, soweit keine zwischenstaatlichen Abmachungen bestehen, vom Träger der Gebietshoheit, der auch die Zollhoheit behält, im einzelnen zu bestimmen. Gemäss Art. 2 Abs. 5 ZG fällt die Regelung des zollrechtlichen Sonderstatuts grundsätzlich in die Zuständigkeit des Bundesrates. Im Rahmen der Festlegung der Folgen des Zollausschlusses darfzur Sicherung vor Missbräuchen auch die Kontingentierung der Ein- und Durchfuhr von besonders schmuggelfähigen Waren verfügt werden. Eine solche Massnahme, welche die privilegierende Wirkung des Zollausschlusses dem Zweck des Sonderstatuts entsprechend auf die Talbewohner zu beschränken und die missbräuchliche Ausnützung durch Dritte zu verhindern sucht, steht mit keiner Vorschrift des Bundesrechts in Widerspruch.
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c) In der Vernehmlassung des EFZD wird noch die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausdrücklich aufgeworfene Frage erörtert, ob die Kontingentierung in rechtsgültiger Weise durch die zuständige Instanz angeordnet worden sei.
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Der Bundesrat hat 1892 gemäss der ihm zustehenden gesetzlichen Möglichkeit das Samnaun aus der schweizerischen Zoll-Linie ausgeschlossen, um den Talbewohnern entgegenzukommen und einen übermässigen Aufwand für die Zollkontrolle an der effektiven Landesgrenze zu vermeiden. 1911 nach dem Bau einer Fahrstrasse von Martina nach Samnaun wurde der Zollausschluss trotz der Veränderung der Verkehrsverhältnisse bestätigt.
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Den Vollzug und die Regelung der zolltechnischen Einzelheiten überliess der Bundesrat 1892 und 1911 dem Zolldepartement. Dabei war von Anfang an klar, dass allenfalls Massnahmen gegen Schmuggel getroffen werden mussten (vgl. Bericht des Zoll-Departementes an den Bundesrat vom 25. April 1892). Die Oberzolldirektion, der - heute gemäss Art. 6 Ziff. 1 des BRB vom 8. November 1946 über die Organisation der Zollverwaltung - die Vollziehung der Gesetze, Verordnungen und Erlasse des Bundesrates und des Finanz- und Zolldepartementes betreffend das Zollwesen übertragen ist, hat seit jeher die mit dem Zollausschluss zusammenhängenden Anordnungen getroffen (vgl. BBl 1911 V 211, 255), ohne dass in dieser Sache eine spezielle förmliche Delegation vom Departement an die Oberzolldirektion erfolgte. Die angefochtene Kontingentierung beruht auf Verfügungen und Dienstanweisungen der Oberzolldirektion. Ein allgemeiner Erlass darüber besteht nicht.
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Die Kontingentierung als blosse Vollzugsmassnahme zum Schutze vor missbräuchlicher Ausnützung des Zollausschlusses bedarf jedoch keiner besondern Rechtsgrundlage. Die Kompetenz der Oberzolldirektion, den vom Bundesrat ohne Regelung der Einzelheiten verfügten Zollausschluss zweckentsprechend durchzuführen, lässt sich aus dem allgemeinen Auftrag dieser Verwaltungsbehörde zum Vollzug zollrechtlicher Gesetze, Verordnungen und Erlasse (gemäss Art. 6 Ziff. 1 des oben erwähnten BRB vom 8. November 1943) ableiten. Mit der Festlegung von Kontingenten zur Verhinderung des Schmuggels wird der Rahmen eines sinnvollen Vollzuges des vom Bundesrat angeordneten Zollausschlusses nicht überschritten. Die Rüge, die Kontingentierung verletze Bundesrecht und sei willkürlich, erweist sich somit als unbegründet.
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