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15. Auszug aus dem Urteil vom 8. März 1974 i.S. Secchi gegen Regierungsrat des Kantons Luzern | |
Regeste |
Gewässerschutz: Bewilligungen für Bauten ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes. Art. 20 eidg. Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971 (GSchG); Art. 25 und 27 Allgemeine Gewässerschutzverordnung des Bundesrates vom 19. Juni 1972 (Allg. GSchV). |
2. Ist Art. 25 Allg.GSchV (Begriff des Umbaus) auf Ersatzbauten analog anwendbar? Frage offengelassen (Erw. 3 und 7). |
3. Begriff des sachlich begründeten Bedürfnisses (Art. 20 GSchG, Art. 27 Allg.GSchV; Erw. 2-4). |
4. Fall eines Ehepaars, welches das von ihm erworbene kleine Landgut selber bewirtschaften und als Ersatz für das vom Verkäufer zurückbehaltene alte Wohnhaus einen Neubau errichten will. Sachlich begründetes Bedürfnis mit Vorbehalt bejaht (Erw. 5-8). | |
Sachverhalt | |
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A.- Die Eheleute Aldo und Silvia Secchi-Piazza, die in der Stadt Luzern wohnen, kauften am 28. Juli 1971 von Fräulein Josy Gut, geb. 1896, den grössten Teil des Gehöftes "Fürten", das in Udligenswil (Luzern) ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt dieser Gemeinde abgegrenzten Gebietes liegt. Sie erwarben rund 2,6 ha samt der Scheune. Die Verkäuferin behielt eine Parzelle von 424 m2 mit dem Wohnhaus, das sie weiterhin bewohnt. Den Eheleuten Secchi wurde ein Kaufsrecht an dieser Parzelle eingeräumt, das sie nach dem Tode von Fräulein Gut ausüben können. Sie schafften eine Baubaracke an, um sie auf "Fürten" aufzustellen und zu einem Wohngebäude für sich auszubauen. Sie betreiben auf dem gekauften Land selber Landwirtschaft. Aldo Secchi, der am Lehrerseminar in Luzern Biologieunterricht erteilt, will mit der Landwirtschaft wissenschaftliche Tierbeobachtungen (Verhaltensforschung) verbinden.
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Am 27. Januar 1972 erteilte der Gemeinderat von Udligenswil den Eheleuten Secchi die Baubewilligung für das Aufstellen der Wohnbaracke. Hiegegen rekurrierte das kantonale Amt für Gewässerschutz an den Regierungsrat mit der Begründung, die häuslichen Abwässer dürften nicht landwirtschaftlich verwertet werden.
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Am 10. April 1972 entschied das kantonale Polizeidepartement, für das Bauvorhaben der Eheleute Secchi könne eine Ausnahmebewilligung nach § 6 Abs. 1 des kantonalen Gewässerschutzgesetzes nicht erteilt werden. Diese Bestimmung sieht vor, dass eine solche Bewilligung erforderlich ist, wenn Abwässer aus nichtlandwirtschaftlichen Gebäuden und Betrieben nicht an eine Kanalisation angeschlossen werden sollen.
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Die Eheleute Secchi fochten den Entscheid des Departementes mit Beschwerde beim Regierungsrat an. Dieser wies die Beschwerde am 19. März 1973 ab. Er führte aus, ein sachlich begründetes Bedürfnis im Sinne des Art. 20 GSchG und des Art. 27 Allg.GSchV sei nicht nachgewiesen. Das Eidg. Amt ![]() | 5 |
B.- Aldo und Silvia Secchi-Piazza erheben Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben, und die Luzerner Behörden seien anzuweisen, ihnen die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen. Es wird geltend gemacht, die Beschwerdeführer übten auf "Fürten" eine eigentliche landwirtschaftliche Tätigkeit aus, und dazu sei ein neues Wohngebäude an Ort und Stelle erforderlich, da das alte ausfalle. Ob Aldo Secchi sich im Haupt- oder im Nebenberufals Landwirt betätige, sei gleichgültig. Die Beschwerdeführer hätten sich von Anfang an bereit erklärt, eine moderne Kläranlage für die häuslichen Abwässer einzurichten.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Luzern beantragt Abweisung, das Eidg. Departement des Innern Gutheissung der Beschwerde.
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Aus den Erwägungen: | |
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Art. 20 bestimmt im ersten Satz, dass Baubewilligungen für Gebäude und Anlagen ausserhalb des Kanalisationsbereiches nur erteilt werden dürfen, "sofern der Gesuchsteller ![]() | 9 |
Nach Art. 20 GSchG ist es Sache des Gesuchstellers, diesen Nachweis zu leisten. Der Gesuchsteller muss dartun, dass er selber ein genügendes Interesse an der Baute oder Anlage hat. Das Bedürfnis muss aber nach dem Gesetzestext auch "sachlich (objectivement, oggettivamente) begründet" sein. Dem Art. 20 GSchG liegt gemäss Botschaft des Bundesrates die Überlegung zugrunde, dass die ausserhalb des Kanalisationsrayons erstellten, "mit mehr oder weniger behelfsmässigen und schwer zu kontrollierenden Einzelkläreinrichtungen oder mit abflusslosen Abwassergruben versehenen Gebäude erfahrungsgemäss eine stetige Gefahr für ober- und unterirdische Gewässer bedeuten", und dass daher das nationale Werk der Abwassersanierung in Frage gestellt würde, "sofern Bauten mit derartigen als definitive Lösung gedachten Abwasserbeseitigungen überall uneingeschränkt bewilligt würden". Es soll der Tendenz, "die abseits der bestehenden Siedlungen gelegenen Gebiete unseres Landes mit Einfamillien- und Ferienhäusern zu überbauen", entgegengewirkt werden, weil sonst damit gerechnet werden müsste, "dass die Zahl der Verunreinigungs- und Gefahrenherde ins Unermessliche wachsen würde" (BBl 1970 II 543). Der Gesuchsteller, der ausserhalb des Kanalisationsbereiches bauen will, muss sich daher auf Gründe berufen können, die so gewichtig sind, dass sich eine Ausnahme von der zum Schutz der Gewässer aufgestellten Regel des Ausschlusses der Bewilligung abgelegener Bauten verantworten lässt (BGE 99 I/b 154 E. 2 a).
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Im ersten Satz des Art. 19 GSchG steht die Wendung "Neu- und Umbau von Bauten und Anlagen aller Art", während im folgenden Satz von "kleineren Gebäuden und Anlagen" und in Art. 20 einfach von "Gebäuden und Anlagen" die Rede ist. Zweifellos ist mit der kurzen Wendung "Gebäude und Anlagen" dasselbe gemeint wie mit der ausführlichen Umschreibung im ersten Satz des Art. 19. Es kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass Art. 20 im Gegensatz zu Art. 19 nur Neubauten und ![]() | 11 |
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Das Bundesgericht hat in BGE 99 I/b 153 ff. (E. 2) die in Art. 27 Allg.GSchV enthaltene Umschreibung des sachlich begründeten Bedürfnisses als gesetz- und verfassungsmässig befunden unter der Voraussetzung, dass die Bestimmung so verstanden wird, wie es sie ausgelegt hat. Es hat insbesondere ausgeführt (E. 2 b, Abs. 1), in subjektiver Beziehung entsprächen dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes der deutsche und der italienische Text des Art. 27 Abs. 1 Allg.GSchV ("dringend angewiesen", "necessità urgente"), während die französische Fassung ("nécessité absolue") dem Gesuchsteller zu viel zumute; der Nachweis eines bedeutenden, aktuellen und intensiven Interesses des Gesuchstellers genüge. Anderseits hat das Gericht dargelegt (E. 2 b, Abs. 2), in objektiver Beziehung hätten alle drei Fassungen des Art. 27 Abs. 1 Allg.GSchV - trotz gewissen Abweichungen - denselben Sinn; namentlich sei den im deutschen und im italienischen Text stehenden Ausdrücken "bedingt" und "condizionata" die gleiche Bedeutung beizumessen, die das im französischen Text gebrauchte Wort "justifié" habe.
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Nach Art. 25 Allg.GSchV gilt als Umbau im Sinne der Art. 19 ![]() | 14 |
Wenn der Eigentümer eines Gebäudes findet, es genüge seinen Ansprüchen nicht oder nicht mehr, kann er sich veranlasst sehen, es durch einen Neubau zu ersetzen, statt es umzubauen. Mit der Erstellung einer Ersatzbaute kann unter Umständen im wesentlichen das gleiche Ergebnis wie mit einem Umbau erreicht werden. Man kann sich deshalb fragen, ob es sich nicht rechtfertige, Art. 25 Allg.GSchV auf Ersatzbauten analog anzuwenden. Die Frage kann indessen hier offengelassen werden, da das Urteil dann, wenn ihm ausschliesslich Art. 20 GSchG und Art. 27 Allg.GSchV zugrunde gelegt werden, nicht anders ausfällt als dann, wenn Art. 25 Allg. GSchV mitberücksichtigt wird.
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Es besteht jedoch die grosse Gefahr, dass finanzkräftige Leute ![]() | 17 |
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Freilich ist auf "Fürten" bereits ein Wohnhaus vorhanden, doch konnten die Beschwerdeführer es aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, vorläufig nicht erwerben. Die betagte Verkäuferin des Landes, Fräulein Gut, wollte sich von ihrer angestammten Wohnung nicht mehr trennen. Den Beschwerdeführern wurde deshalb lediglich ein Kaufsrecht an der Wohnhausparzelle eingeräumt, das sie nach dem Tode von Fräulein Gut ausüben können. Sie sind daher auf die Errichtung eines neuen Wohnhauses angewiesen; sie haben daran ein bedeutendes, aktuelles und intensives Interesse.
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Unter den gegebenen Umständen lässt sich nicht mit Grund bestreiten, dass die Beschwerdeführer ein dringendes Bedürfnis für die Errichtung der projektierten Baute haben.
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Es besteht auch kein Grund zur Annahme, dass das Bauprojekt den Umfang einer angemessenen baulichen Sanierung des von den Beschwerdeführern gekauften landwirtschaftlichen Kleinbetriebes überschreitet.
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7. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass für den in Frage stehenden Bau ein sachlich begründetes Bedürfnis ![]() | 24 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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