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16. Auszug aus dem Urteil vom 8. März 1974 i.S. Tanklager Zell AG gegen Regierungsrat des Kantons Luzern | |
Regeste |
Gewässerschutz; Errichtung eines Tanklagers. |
2. Prüfung der Zulässigkeit des Widerrufs im konkreten Einzelfall; Ausschluss der Errichtung von Tanklagern über Grundwasservorkommen in Zone A; Geltung der gewässerschutzrechtlichen Zonenvorschriften in Kantonen, die noch keine Zonenausscheidung vorgenommen haben (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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A.- Die Tanklager Zell AG ist Eigentümerin eines in der Gemeinde Zell (LU) gelegenen Tanklagers von vier Stehtanks mit je 5000 m3 Fassungsvermögen für die Pflichtlagerung flüssiger Brennstoffe. Sie beabsichtigt, dieses Tanklager zu erweitern. Am 30. September 1969 hat das Staatswirtschaftsdepartement des Kantons Luzern ihr die gewässerschutzpolizeiliche Bewilligung für die Errichtung von vier neuen Tanks mit insgesamt 21 900 m3 Nutzinhalt verweigert. Dagegen erhob sie Rekurs beim Regierungsrat. Während des Rekursverfahrens stellte sie dem Staatswirtschaftsdepartement ein Wiedererwägungsgesuch. Noch bevor dieses Gesuch behandelt wurde, änderte sie ihr Projekt und reichte dem Departement Pläne einer "Variante Ila" ein für die Erweiterung der Anlage durch drei Tanks mit insgesamt 27 000 m3 Nutzinhalt. Am 12. März 1971 hiess das Departement das Wiedererwägungsgesuch gut und bewilligte die Erweiterung des Tanklagers "vom bisherigen Nutzinhalt von 20 000 m3 auf 41 900 m3". Zu den nach Einreichung des Gesuchs vorgenommenen Projektänderungen schwieg es sich aus. Der Rekurs der Tanklager Zell AG an den Luzerner Regierungsrat wurde damit gegenstandslos. Gegen die Bewilligung wurde kein Rechtsmittel ergriffen.
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Auf Intervention des Eidg. Departementes des Innern (EDI), das die Meinung vertrat, die Erteilung der Bewilligung verstosse gegen Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer vom 16. März 1955 (GSchG 1955) und die darauf beruhende Rechtsprechung des Bundesgerichtes, beschloss der Regierungsrat des Kantons Luzern, die Angelegenheit zu überprüfen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesrates, in der empfohlen wurde, die im Spiele stehenden Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen, hob er am 1. Oktober 1973 ![]() | 3 |
B.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. November 1973 beantragt die Tanklager Zell AG, Ziff. 1 und 2 des angefochtenen Entscheides des Regierungsrates aufzuheben und ihr die Bewilligung zur Erweiterung der Anlage nach der "Variante Ila" zu erteilen, eventuell unter dem Vorbehalt, dass sie diese Variante dem kantonalen Gewässerschutzamt zur formellen Genehmigung unterbreite.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Luzern beantragt, die Beschwerde unter Kostenfolge abzuweisen. Das EDI schliesst sich diesem Antrag an.
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Erwägungen: | |
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2. Eine formell rechtskräftige Verwaltungsverfügung kann nicht ohne weiteres aufgehoben werden, wenn sie dem öffentlichen ![]() | 7 |
- wenn der Bewilligungsempfänger durch die Bewilligung ein subjektives Recht erworben hat,
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- wenn der frühere Entscheid in einem Verfahren ergangen ist, in dem die öffentlichen Interessen abzuwägen waren,
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- wenn der Empfänger von der Bewilligung bereits Gebrauch gemacht hat (BGE 98 I/b 249 Erw. 4 a mit Hinweisen).
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Immerhin kann ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse auch in diesen Fällen zum Widerruf der Verfügung führen (BGE 88 I 228 Erw. 1).
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Das öffentliche Interesse kann den Widerruf der Bewilligung auch erfordern, wenn diese zwar seinerzeit in Übereinstimmung mit der damals geltenden Gesetzgebung ergangen ist, die gesetzlichen Vorschriften aber seither geändert haben (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 210 oben). Allerdings ist dann besonders sorgfältig zu prüfen, ob es den Widerruf wirklich erfordert, erst recht, wenn in bestehende Verhältnisse eingegriffen werden muss, die auf Grund der erteilten Bewilligung entstanden sind. Gelegentlich beschränken die Gesetze die Anwendung der neuen Vorschriften auf bestehende, dem neuen Recht nicht mehr entsprechende Verhältnisse insofern, als sie eine Anpassung nur unter bestimmten Bedingungen verlangen, z.B. die Anpassung eines zufolge Wechsels der Gesetzgebung baupolizeiwidrig gewordenen Gebäudes nur für den Fall, dass dieses abbrennt, umgebaut wird u.ä. Beim vorliegenden Sachverhalt fallen die privaten Interessen aber weniger ins Gewicht, weil auf Grund der erteilten Bewilligung noch kein Zustand geschaffen worden ist, der nur unter unverhältnismässig grossen Schwierigkeiten der neuen Rechtslage angepasst werden könnte.
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Eine Verfügung kann ausserhalb der Rechtsmittelverfahren von der Instanz, die sie erlassen hat oder auch, sofern dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, von einer dieser übergeordneten Instanz widerrufen werden. Die Lehre nimmt - allerdings ohne ![]() | 13 |
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a) Art. 24 GSchG zählt die flüssigen Brenn- und Treibstoffe zu den wassergefährdenden Stoffen, für deren Lagerung besondere Schutzmassnahmen erforderlich sind. Dies ist für das Bundesgericht verbindlich, so dass nicht weiter zu prüfen ist, ob die ![]() ![]() | 15 |
b) Der Kanton Luzern ist der ihm auferlegten Verpflichtung, Zonen im Sinne von Art. 10 der Verordnung auszuscheiden, noch nicht nachgekommen. Das kann aber, wie der Regierungsrat zu Recht angenommen hat und von der Beschwerdeführerin nicht bezweifelt wird, nicht dazu führen, dass in der Zwischenzeit das Bauverbot in Gebieten, die an sich der Zone A zuzuteilen sind, nicht zu beachten wäre. Mit eingehender Begründung hat der Regierungsrat sodann dargetan, dass das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin in die Zone A zu liegen käme. Die Beschwerdeführerin hat diese Feststellungen nicht als unrichtig angefochten, so dass kein Anlass besteht, auf sie zurückzukommen. Der Regierungsrat hat im weitern gezeigt, dass die geplante Anlage mindestens im Katastrophenfall geeignet ist, die Trink- und Brauchwasserversorgung der Region Lutherntal zu gefährden. Daraus folgt, dass die vorgesehene Erweiterung der Anlage beim derzeitigen Stand der Gesetzgebung rechtswidrig ist und ![]() | 16 |
c) Widerspricht die Ausführung der bewilligten Anlage dem geltenden Recht, so ist die erteilte Bewilligung nach dem Gesagten zu widerrufen, wenn das öffentliche Interesse dies verlangt und allfällige Rechtssicherheitsinteressen des Bewilligungsempfängers überwiegt. Unter diesem Gesichtspunkt ist gleichgültig, dass es sich beim Projekt der Beschwerdeführerin nicht um eine Neuanlage, sondern um eine blosse Erweiterung der bereits bestehenden grundwassergefährdenden Anlage handelt, denn die Verordnung verbietet zu Recht sowohl die Neuanlage als auch die Erweiterung bestehender wassergefährdender Betriebe. Angesichts der grossen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Brauchwasser beigemessen hat, ist ein erhebliches Interesse an der Verhinderung der bewilligten Erweiterungsbauten zu bejahen. Es überwiegt auch das allfällige öffentliche Interesse an einer regionsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen.
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