BGE 100 Ib 310 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
53. Auszug aus dem Urteil vom 26. September 1974 i.S. Bachmann gegen Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement. | |
Regeste |
Schlachtviehordnung: |
- Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der Regelung des Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO (Erw. 2). |
- Im Hinblick auf die Regelung des Art. 18 SVO gewählte firmenrechtliche Gestaltungsformen, welche erlauben, die von der Schlachtviehordnung verfolgte Absicht zu vereiteln, bleiben kontingentsrechtlich unerheblich (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Max Bachmann betrieb gemäss Handelsregistereintrag bis Ende 1971 als Einzelunternehmer eine Metzgerei, eine Wirtschaft und Viehhandel im Matzingen/TG. Mit der Metzgerei war ein bedeutender Fleischhandel verbunden. Max Bachmann kaufte Rindsnierstücke von verschiedenen Metzgereibetrieben und einer Schlachthandelsfirma ein und verkaufte seinerseits aus Schlachtungen oder Zukäufen Rindsnierstücke an Metzgereibetriebe weiter. Einen Teil der Rindsnierstücke setzte er bei Endverbrauchern (kollektive Haushaltungen) und im eigenen Ladengeschäft ab.
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In Anbetracht der am 15. Oktober 1971 in Kraft getretenen Schlachtviehordnung vom 27. September 1971 (SVO), die in der Einfuhrregelung für Fleisch und damit auch für Rindsnierstücke wesentliche Änderungen mit sich brachte, traf Max Bachmann organisationsrechtliche Dispositionen in seinem Betrieb: Er gründete zunächst die Macana Fleischhandel AG (nachfolgend Macana AG), die am 17. Januar 1972 ins Handelsregister eingetragen wurde. Vom Aktienkapital, Fr. 300 000.--, zeichneten Max Bachmann Fr. 298 000.--, seine Ehefrau Fr. 1000.-- und ein Dritter Fr. 1000.--. Neben dieser Aktiengesellschaft, deren Zweck im Engros-Handel mit Fleisch- und Wurstwaren, die Führung eines Schlächtereibetriebes und die Beteiligung an ähnlichen Unternehmungen besteht, führt Max Bachmann sein Einzelunternehmen unverändert fort. Am 20. März 1972 wurde der Sohn von Max Bachmann, Peter Bachmann, als Einzelunternehmer mit dem Geschäftszweck Lebensmittelhandel im Handelsregister eingetragen. Alle drei Unternehmen werden am gleichen Ort geführt; sie teilen sich in die selben Geschäfsräumlichkeiten und das selbe Personal; auch stehen für die Metzgereien die nämlichen Schlachteinrichtungen zur Verfügung. Die Abteilung für Landwirtschaft des EVD hielt dafür, die Gründung der Macana AG stelle einen Rechtsmissbrauch dar. Für die Ermittlung des B-Kontingentes nach Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO betrachtete sie das Einzelunternehmen des Max Bachmann und die Macana AG als Einheit. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) bestätigte diese Betrachtungsweise im Beschwerdeverfahren, weil es im Vorgehen des Beschwerdeführers eine Gesetzesumgehung erblickte. Gegen den Entscheid des EVD erhebt Max Bachmann Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er verlangt die Aufhebung der angefochtenen Verfügung.
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Erwägungen: | |
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Die frühere Prioritätsordnung (Art. 10 Abs. 2 SVO/1953) betraf die gesamte Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch, nicht nur die Nierstücke. Ferner wurde dort nicht auf den individuellen Umsatz eines Betriebes abgestellt, sondern der gesamte Umsatz (Verkauf lebender Tiere an Metzger oder Schlachtungen, inbegriffen Vermittlung oder Zukauf von Fleisch ausländischer Herkunft in ganzen Tierkörpern, Hälften und Vierteln sowie von Stotzen und Wurstfleisch ausländischer Herkunft) zählte für den betreffenden Betrieb in den städtischen Zentren stärker als für Schlachtbetriebe auf dem Land. Demgegenüber bringt die Regelung des Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO schon an sich eine bedeutende Verfeinerung. Es wird nicht global nach Orten mit geringer Produktion und grossem Verbrauch oder grosser Produktion und geringem Verbrauch unterschieden. Vielmehr erhalten die Metzgereibetriebe, die zugekaufte Rindsnierstücke im Detailhandel absetzen, entsprechend ihrem erhöhten Bedarf mehr Kontingente. Damit gelangen die Rindsnierstücke zum vornherein in Gebiete mit grösserer Nachfrage und werden nicht dadurch verteuert, dass sie zuvor durch verschiedene Hände gehen, bis sie zum Verbraucher gelangen (vgl. Antrag des EVD über die Revision der Schlachtviehordnung an den Bundesrat, S. 18). Dagegen soll der blosse Engros-Handel mit Nierstücken nicht kontingentsbildend sein. Eine solche Ordnung ist sachlich gerechtfertigt und sinnvoll. Die verschiedenartigen Verhältnisse im Bedarf an Rindsnierstücken werden dadurch angemessen berücksichtigt. Auf Kontingentsverbesserung gerichtete Transaktionen werden damit weitgehend unterbunden.
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Wenn den unterschiedlichen Verhältnissen in der Nachfrage Rechnung getragen wird, verstösst dies weder gegen die Rechtsgleichheit noch liegt darin ein Akt der Willkür. Wo der Gesetzgeber dem Bundesrat hinsichtlich der Wahl der zur Erreichung des gesetzlichen Zwecks geeigneten Massnahmen und ihrer Regelung im einzelnen ein weites Ermessen eingeräumt hat (BGE 99 Ib 169 und 190), kann das Bundesgericht im Rahmen seiner Prüfungszuständigkeit nur dann auf Gesetzwidrigkeit einer Verordnung erkennen, wenn die getroffene Regelung sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht zu ersehen ist, die umstrittene Verordnungsvorschrift mithin offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfällt (vgl. daselbst). Ein solcher Vorwurf trifft die Regelung des Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO nicht.
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Aus dem selben Grund ist der Einwand zu verwerfen, die Regelung benachteilige die ländlichen Betriebe. und verfolge einen gewerbepolitischen Zweck. Das trifft nicht zu, wenn die importierten Nierstücke ohne unnötigen Zwischenhandel über eine Metzgerei, die sie nicht braucht, an eine Metzgerei gelangen, die dafür Bedarf hat. Eine solche Marktordnung kann nicht im bloss formalen Sinne rechtsgleich ausgestaltet werden und in der Zuteilung der Importkontingente jeder Gruppe und den verschiedensten Betriebsarten mathematisch gleiche Kontingentsanteile verschaffen. Es muss vielmehr den unterschiedlichen Interessenlagen Rechnung getragen werden. Das Berechnungsbeispiel, mit welchem der Beschwerdeführer eine Wettbewerbsverzerrung oder eine gewerbepolitische Wirkung zu belegen versucht, braucht daher nicht auf seine sachliche Richtigkeit hin überprüft zu werden, zumal die im Beispiel des Beschwerdeführers angenommene Preisdifferenz an und für sich bestritten ist. Auch fehlt der Nachweis, dass die Schlachtungen bei Betrieben ohne B-Kontingente zurückgegangen wären. Abgesehen davon muss die angestrebte Marktordnung nicht notwendigerweise strukturerhaltend sein. Sie ist jedenfalls nicht bereits deswegen nicht kompetenzmässig und damit gesetz- oder verfassungswidrig, weil sie in den Wettbewerbsverhältnissen Veränderungen nach sich zieht und bestehenden wirtschaftlichen Positionen keinen ungeschmälerten Bestand gewährleistet (BGE 99 Ib 171). Das Bestreben, das mit Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO verfolgt wird, widerspricht weder Rechtsnoch Verfassungsgrundsätzen. Die Lösung, die zur Erreichung dieses Zieles getroffen worden ist, erscheint geeignet, ist jedenfalls nicht zweckuntauglich (BGE 99 Ib 380) und fällt damit nicht aus dem Rahmen des mit der Delegation vom Gesetzgeber dem Bundesrat eingeräumten weiten Ermessens.
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a) Die Akten lassen erkennen, dass der Beschwerdeführer anerkanntermassen im Hinblick auf die neue Kontingentsregelung der SVO organisationsrechtliche Massnahmen für seinen Betrieb getroffen hat. Am selben Ort, in den gleichen Geschäftsräumlichkeiten und im wesentlichen mit den selben personellen Kräften und materiellen Mitteln werden sein Einzelunternehmen, die Macana AG sowie die Einzelunternehmung seines Sohnes Peter betrieben. Kontingentsrechtlich erklären sich die organisationsrechtlichen Massnahmen im Betrieb des Beschwerdeführers aus der neuen Schlachtviehordnung. Es geht dabei um das sogenannte B-Kontingent (Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO) und ferner um ein Lebensmittelkontingent für Peter Bachmann (Art. 12 lit. c in Verbindung mit Art. 18 Abs. 4 SVO). Hätte der Beschwerdeführer in seiner weiterbestehenden Einzelunternehmung fortgefahren, Rindsnierstücke zuzukaufen und zugleich solche Stücke an Metzgereibetriebe, Schlachtvieh- oder Lebensmittelhandelsbetriebe zu verkaufen, so wären diese Verkäufe bis zum Ausmass der Zukäufe kontingentsrechtlich in Abzug gebracht worden (Art. 18 Abs. 1 SVO). Kontingentsbildend ist nämlich nach dieser Regelung nur der Überschuss der Zukäufe oder die Verkäufe an Betriebe der gleichen Handelsstufe. Kontingentsansprüche lösen somit nur die Rindsnierstücke aus, die zugekauft und beim Endverbraucher (Laden, kollektive Haushaltung) abgesetzt werden und nicht einen weiteren Handelsweg durchlaufen. Dabei geht es hier nur um die aus Zukäufen stammenden Rindsnierstücke und nicht um diejenigen aus den eigenen Schlachtungen.
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Ob der Beschwerdeführer für sein Einzelunternehmen - wie erst in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird - die Schlachtungen in Frauenfeld ausführt und nicht in Matzingen, braucht somit hier nicht näher abgeklärt zu werden. Für die Kontingentsberechtigung kann es nur darauf ankommen, wie im ganzen gesehen das Einzelunternehmen zusammen mit den übrigen Unternehmen in Matzingen geführt wird und nicht, wo die einzelnen Schlachtungen vorgenommen wurden. Hinzukommt, dass der Beschwerdeführer in den Basisjahren für die hier massgebende Kontingentsperiode (ab Mitte 1973) nach den Erhebungsblättern der GSF, kontrolliert durch den Fleischschauer von Matzingen, in Matzingen geschlachtet hat.
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Nach der Gestaltungsform, die der Beschwerdeführer gewählt hat, bleibt sein Einzelunternehmen weiter bestehen. Die zugekauften Rindsnierstücke will der Beschwerdeführer ausschliesslich im Laden oder an kollektive Haushaltungen verkauft haben. Damit wären diese Rindsnierstücke unter dem Vorbehalt der aus qualitativen Gründen angeblich mit der Macana AG ausgetauschten Nierstücke voll kontingentsbildend. Über die Macana AG wurden von ihrer Gründung an zum weitaus grössten Teil die Schlachtungen besorgt, die früher über die Einzelunternehmung des Beschwerdeführers gingen. Dieser führte Schlachtungen nur noch in sehr bescheidenem Masse aus. Dadurch nun, dass die vom Beschwerdeführer beherrschte Macana AG diese Nierstücke an Peter Bachmann verkauft und nicht der Beschwerdeführer selbst, wird erreicht, dass diese Verkäufe nicht von den Zukäufen des Max Bachmann abgezogen werden (Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO). Darin liegt der erste kontingentsrechtliche Vorteil des gewählten zivilrechtlichen Vorgehens. Hinzukommt ein weiterer Kontingentsvorzug. Peter Bachmann, der Sohn des Beschwerdeführers, der als Metzger im Betrieb tätig ist, macht für sein Einzelunternehmen des Lebensmittelhandels als Grossistenhändler mit Rindsnierstücken ein Kontingent geltend. Auf diesen Kontingentsanspruch sollen ihm die Zukäufe von Rindsnierstücken bei der Macana AG angerechnet werden, weil er diese Ware an Metzgereibetriebe verkauft, die früher Kunden des Beschwerdeführers waren. Statt eines Abzugs dieser Verkäufe von den Zukäufen des Beschwerdeführers ergibt sich daraus ein Kontingentszuwachs bei Peter Bachmann.
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b) Es fragt sich, ob angesichts der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem Einzelunternehmen des Beschwerdeführers und der von ihm beherrschten Macana AG nicht nur rein wirtschaftlich, sondern auch kontingentsrechtlich von einer Einheit zweier zivilrechtlich selbständiger Unternehmen ausgegangen werden darf. Die Frage ist zu bejahen.
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Der Sinn und Zweck des Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO besteht darin, dass Kettengeschäfte mit Rindsnierstücken auf der gleichen Handelsstufe, welche höchstens die Ware verteuern, kontingentsrechtlich nicht berücksichtigt werden sollen. Das erhellt auch aus Art. 18 Abs. 4 SVO. Derartige Transaktionen mit Rindsnierstücken bedeuten nämlich weder eine echte Leistung in der Schlachtviehverwertung noch eine Verteilungsleistung, die Kontingente im Sinne der Schlachtviehordnung verdienen würde. Davon liess sich und lässt sich auch die Käsemarktordnung leiten (vgl. BBl 1966 I 924 f.). Die firmenrechtliche Gestaltung, welche der Beschwerdeführer getroffen hat, würde ihm aber erlauben, diese von der Schlachtviehordnung verfolgte Absicht zu vereiteln. Bei dem Vorgehen, das er gewählt hat, würden Transaktionen auf der gleichen Handelsstufe kontingentsrechtlich nicht neutralisiert, sondern sogar noch privilegiert, indem auch noch der Sohn des Beschwerdeführers, Peter Bachmann, daraus für sein Lebensmittelhandelskontingent Nutzen ziehen würde. Die Auslegung des Art. 18 Abs. 1 lit. b SVO nach der vom Gesetzgeber gewählten Bewertung und Gestaltung des in Frage stehenden Interesses muss daher dazu führen, dass die vom Beschwerdeführer im Hinblick auf die Regelung der SVO gewählten Gestaltungsformen wirtschaftsrechtlich unrelevant bleiben; mit anderen Worten, die beiden zivilrechtlichen Unternehmen, die dem gleichen Inhaber gehören, müssen kontingentsrechtlich als Einheit behandelt werden. Denn nur so wird dem Ziel und Zweck der mit Art. 18 SVO getroffenen Kontingentsordnung Geltung verschafft.
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Ein weiterer Anhaltspunkt, um bei den beiden zivilrechtlich getrennten Unternehmen wirtschaftlich und für die Kontingentsberechnung Einheit anzunehmen, bildet Art. 18 Abs. 6. Darnach gelten Rindsnierstücke nicht als zugekauft, wenn zwischen Lieferanten und Abnehmern enge wirtschaftliche Beziehungen bestehen wie zwischen Mutter-, Tochter- und Schwestergesellschaft. Dem engen Wortlaut nach trifft diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall zwar nicht unmittelbar zu. Denn es geht hier nicht darum, dass Zukäufe unter verbundenen Unternehmen stattgefunden hätten, sondern darum, ob die von der Macana AG an Peter Bachmann abgegebenen Rindsnierstücke von den Zukäufen des Max Bachmann in Abzug zu bringen sind. Wiewohl Art. 18 Abs. 6 SVO dem Wortlaut nach auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar zutrifft, so tut er es doch seinem Sinn nach. Er ist - wie Art. 18 Abs. 1 lit. b selbst - darauf ausgerichtet, dass eine rein zivilrechtliche Trennung von kapital- und einflussmässig von der selben Person beherrschten Unternehmen nicht zu kontingentsrechtlichen Vorteilen führen soll.
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c) Würden die Bestimmungen des Art. 18 SVO im Sinne des Beschwerdeführers ausgelegt und zivilrechtliche Gestaltungsmassnahmen von der Art, wie sie der Beschwerdeführer getroffen hat, kontingentsrechtlich als rechtserheblich anerkannt, wären damit der Umgehung des angestrebten Verordnungszwecks Tür und Tor geöffnet; der Abzug der verkauften Nierstücke von den zugekauften bliebe toter Buchstabe; die Kontingente würden mit rein handelsrechtlichen Betriebsaufspaltungen und buchmässigen Handelswegen verdient; die konsequente Verfolgung der mit der SVO angestrebten Marktordnung, die nur echte Leistungen berücksichtigen will (vgl. BGE 99 Ib 172), würde weitgehend vereitelt.
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