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63. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5.November 1974 i.S. Brasserie de Haacht SA gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum. | |
Regeste |
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. |
Markenrecht. |
Madrider Abkommen (Fassung von Nizza 1957), Art. 5 Abs. 1; Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon), Art. 6 quinquies lit. B, 6 quinquies lit. C; Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MschG. Schutzvoraussetzung einer geographischen Herkunftsbezeichnung (Erw. 2). |
Ausnahmsweise Schutzfähigkeit eines international hinterlegten Zeichens in der Schweiz, das nur im Ursprungsland Verkehrsgeltung erlangt hat (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Mit Verfügung vom 22. Januar 1974 verweigerte das Amt dieser Marke vorläufig den Schutz. Es führte zur Begründung insbesondere aus, die Bezeichnung "Haacht" sei eine nicht unterscheidungskräftige belgische Herkunftsangabe, die für Erzeugnisse anderen Ursprungs täuschend sei. Gleichzeitig forderte es die Gesuchstellerin auf, nachzuweisen, dass sich das Wort Haacht durch langen und unangefochtenen Gebrauch als Kennzeichen ihrer Erzeugnisse durchgesetzt habe.
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B.- Da die Brasserie de Haacht SA innert der ihr anberaumten dreimonatigen Frist eine Durchsetzung der Marke im Verkehr nicht geltend machte, verweigerte das Amt am 22. Mai 1974 die Eintragung endgültig.
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C.- Die Brasserie de Haacht SA beantragt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die Verfügung des Amtes aufzuheben und die Marke "Haacht" in der Schweiz zu schützen. Das Amt beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
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Mit Verfügung vom 17. Juli 1974 trat es auf ein Wiedererwägungsgesuch der Beschwerdeführerin vom 5. Juli 1974 nicht ein.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerde bloss "vorsorglich" für den Fall eingereicht, dass das Amt auf ihr ![]() | 6 |
2. Belgien und die Schweiz sind am 15. Dezember 1966 dem Madrider Abkommen betreffend die internationale Registrierung der Fabrik- oder Handelsmarken (MAA) in der am ![]() | 7 |
Zwischen Belgien und der Schweiz ist die am 31. Oktober 1958 in Lissabon vereinbarte Fassung der PVUe massgebend (vgl. La Propirété industrielle 1966, S. 5 ff.). Sie gestattet gemäss Art. 6 quinquies lit. B die Eintragung von Fabrik- und Handelsmarken zu verweigern, wenn sie "jeder Unterscheidungskraft entbehren oder ausschliesslich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt sind, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, des Ursprungsortes der Erzeugnisse oder der Zeit der Erzeugung dienen können, oder die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird, üblich sind". Art. 6 quinquies lit. C bestimmt, dass bei der Würdigung der Schutzfähigkeit der Marke alle Tatsachen zu berücksichtigen sind, insbesondere die Dauer des Gebrauchs der Marke. Diese Regelung stimmt überein mit der Vorschrift des Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG. Danach darf eine Marke u.a. dann nicht eingetragen werden, wenn sie als wesentlichen Bestandteil ein im Gemeingut anzusehendes Zeichen enthält. Ein geographischer Name ist dann keine Sachbezeichnung mehr und schutzfähig, wenn er sich im Verkehr durch dauernden und unangefochtenen Gebrauch als Kennzeichen für die Waren eines bestimmten Unternehmens durchgesetzt hat (vgl. BGE 77 II 326 betreffend "Sihl").
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Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Nach Rechtsprechung und Lehre kann im Verwaltungsgerichtsverfahren das Bundesgericht die Feststellung des Sachverhaltes vom Amtes wegen frei überprüfen und dabei auch neue Tatsachen berücksichtigen, und zwar selbst solche, die erst seit Erlass des angefochtenen Entscheides eingetreten sind (vgl. Art. 104 lit. b in Verbindung mit Art. 105 Abs. 1 OG; BGE 97 I 474 mit Hinweisen; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 507 oben in Verbindung mit S. 481, Ziff. 6 lit. a Abs. 2 und S. 510). Ist somit der Sachverhalt vom Amtes wegen festzustellen, so schadet es der Beschwerdeführerin nicht, dass sie sich erst vor Bundesgericht auf die Verkehrsgeltung der Marke "Haacht" beruft, obwohl ihr das offenbar bereits vor Erlass der endgültigen Verfügung des Amtes möglich gewesen wäre. Das Verwaltungsgerichtsverfahren des Bundesgerichtes kennt keinen mit der Eventualmaxime der kantonalen Prozessordnungen vergleichbaren Grundsatz, dass sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel innerhalb eines bestimmten Verfahrensabschnittes vorzubringen sind und später, insbesondere im Rechtsmittelverfahren, nur noch unter genau umschriebenen Voraussetzungen nachgebracht werden dürfen. Wollte man die Behauptung der Beschwerdeführerin als verspätet betrachten und die Beschwerde abweisen, so wäre damit nichts gewonnen. Die Beschwerdeführerin könnte in einem neuen Verfahren das Versäumte, wenn auch mit zusätzlichen Kosten, ohne Rechtsnachteile ![]() | 11 |
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a) Das Amt begründet den Eventualantrag auf Abweisung der Beschwerde damit, dass nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 99 Ib 10 ff.) eine Marke im Inland Verkehrsgeltung besitzen müsse. Diese Voraussetzung sei erst dann erfüllt, wenn sich das Zeichen beim kaufenden Publikum durchgesetzt habe. Es genüge daher nicht, dass schweizerische Brauereikreise die Marke der Beschwerdeführerin angeblich kennen.
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b) Das Bundesgericht hat im erwähnten Entscheid seine frühere Rechtsprechung dahin präzisiert, dass nach Art. 6 quinquies lit. C PVUe die im Einfuhrland erlangte Verkehrsgeltung einer Marke zu berücksichtigen sei (BGE a.a.O. S. 30-33). Es nahm aber anderseits ausdrücklich Bezug auf BGE 55 I 262 ("Tunbridge Wells"), wo dargelegt wird (S. 271), dass Herkunftsbezeichnungen mindestens für die Beziehungen zwischen den Verbandsstaaten dann ausnahmsweise als Marke verwendet werden dürfen, wenn sie im Ursprungsland lange gebraucht worden sind. Es fügte sodann bei, dass der Ausdruck "Tunbridge Wells" im Ursprungsland England eine Ortsbezeichnung, folglich ein Freizeichen gewesen sei, das sich dort durch langen Gebrauch zum Individualzeichen umgebildet habe. Schweizerische Geschäftsleute seien an seiner Freihaltung für den Gebrauch im Inland nicht interessiert gewesen. Die Verwendung von "Tunbridge Wells" als Marke durch sie hätte geradezu täuschend wirken können. Das habe das Bundesgericht schon im Entscheid BGE 73 II 133 angedeutet, als es mit BGE 55 I 262 ff. einen Vergleich gezogen und die ![]() | 14 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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