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30. Urteil vom 16. Mai 1975 i.S. X. und Y-Bank gegen Eidgenössische Steuerverwaltung | |
Regeste |
Auskunfterteilung nach dem Doppelbesteuerungsabkommen vom 24. Mai 1951 zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika (DBA-US). | |
Sachverhalt | |
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In der Folge machten die amerikanischen Steuerbehörden geltend, der Amtsbericht genüge vor amerikanischen Gerichten nicht; für den Beweis im gerichtlichen Verfahren seien beglaubigte Originalbelege nötig. In einem zweiten Amtshilfegesuch vom 10. November 1972 verlangte der IRS die Beschaffung des nach amerikanischem Verfahrensrecht erforderlichen Beweismaterials, einerseits die Übermittlung aller mit der Angelegenheit irgendwie zusammenhängenden Dokumente der Y-Bank und anderseits die Einvernahme von Zeugen, die in der Lage seien, Aussagen über die einzelnen Urkunden zu machen. Mit Verfügung vom 31. August 1973 eröffnete die EStV X. und der Y-Bank, sie werde dem Gesuch entsprechen. Sie lehnte zwar die verlangten einlässlichen Zeugeneinvernahmen ab, ordnete jedoch die Beschlagnahme der mit der Angelegenheit in Zusammenhang stehenden Dokumente bei der Y-Bank und eine kurze Befragung der mit der Herausgabe befassten Angestellten der Bank an. Einsprachen von X. und der Y-Bank wies die EStV am 12. Februar 1974 im wesentlichen ab.
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X. und die Y-Bank haben Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragen in der Hauptsache, es sei dem zweiten Amtshilfegesuch des IRS nicht zu entsprechen, und daher seien die Verfügung der EStV vom 31. August 1973 und der Einspracheentscheid vom 12. Februar 1974 aufzuheben.
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Die EStV beantragt, die Beschwerden abzuweisen.
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Im zweiten Amtshilfegesuch vom 10. November 1972 verlangt der IRS nun die Beschaffung von Originaldokumenten oder beglaubigten Kopien sowie die Einvernahme von Personen. Der IRS will sich nicht mit Auskünften begnügen, sondern stellt das Begehren, es seien auch die nach amerikanischem Recht erforderlichen Beweise auf dem Wege der Amtshilfe zu beschaffen.
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a) Nach dem Wortlaut bezieht sich Art. XVI DBA-US nur auf die Erteilung von Auskünften: Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten sollen zu den angegebenen Zwecken (Durchführung des Abkommens, Verhütung von Betrugsdelikten und dgl.) einander die für sie nach der Steuergesetzgebung erhältlichen Auskünfte zur Verfügung stellen. Wie sich aus den Akten ergibt, hat die EStV seit dem Inkrafttreten des DBA-US die vertragliche Pflicht zum Austausch der erhältlichen Informationen stets dahin verstanden, dass den amerikanischen Behörden nach Möglichkeit Auskünfte zu geben, aber in der Regel nicht zusätzlich noch spezielle Beweise zu beschaffen seien. Diese herkömmliche, dem Vertragstext entsprechende Auslegung der staatsvertraglichen Amtshilfepflicht erscheint zutreffend.
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b) Fiskaldelikte sind nach schweizerischer Auffassung von der Rechtshilfe in Strafsachen auszunehmen (Art. 11 Abs. 1 AuslG, Art. 2 lit. a des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959/20. März 1967). Entstehungsgeschichte und Text von Art. XVI DBA-US liefern keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Schweiz habe - unter Aufgabe des Grundsatzes der Nichtleistung von Rechtshilfe in Steuersachen - den Steuerbehörden der Vereinigten Staaten für Steuerbetrugsfälle umfassende Rechtshilfe zusichern wollen; die staatsvertragliche Verpflichtung umfasst lediglich den Austausch jener Auskünfte, die für die Steuerbehörden nach der Gesetzgebung des ersuchten Staates in solchen Fällen erhältlich sind. Eine weitergehende Pflicht ![]() | 9 |
Diese grundsätzliche Haltung wurde gerade gegenüber den Vereinigten Staaten in dem am 25. Mai 1973 abgeschlossenen, von der Schweiz noch nicht ratifizierten Staatsvertrag über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen erneut bekräftigt. Rechtshilfe in Steuerstrafsachen ist dort nur vorgesehen bei Ermittlungen gegen leitende Personen des organisierten Verbrechens (Art. 7 Ziff. 2). Als typische Akte der Rechtshilfe erwähnt Art. 1 Ziff. 4 des Vertrages u.a. die Abnahme von Zeugenaussagen oder anderen Erklärungen, die Herausgabe oder Sicherstellung von Gerichtsakten, Schriftstücken oder sonstigen Beweisstücken und die Beglaubigung von Schriftstücken. Von dieser eigentlichen Rechtshilfe unterscheidet Art. 38 Ziff. 4 des Vertrages "die Erteilung von Auskünften in Fällen betreffend Steuern, die unter das Abkommen vom 24. Mai 1951 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen fallen" (vgl. hiezu Botschaft des Bundesrates vom 28. August 1974, BBl 1974 II 587).
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c) Die EStV leitet aus dem Urteil vom 23. Dezember 1970 ab, dass Art. XVI DBA-US entgegen der bisherigen Praxis nach der Interpretation des Bundesgerichtes die Verpflichtung enthalte, nicht nur Auskünfte zu erteilen, sondern im Rahmen des nach schweizerischem Recht in analogen Steuerbetrugsfällen Zulässigen die den Anforderungen des amerikanischen Rechtes entsprechenden Beweise zu sichern und den Steuerbehörden der USA zu übergeben.
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Bei der Beurteilung der ersten Verwaltungsgerichtsbeschwerde von X. war jedoch lediglich darüber zu entscheiden, ob der von der EStV erstellte Amtsbericht gemäss der damals angefochtenen Verfügung dem IRS gestützt auf Art. XVI DBA-US zu übergeben sei. Das Bundesgericht bejahte dies und wies die Beschwerde ab. In der Begründung wurde im wesentlichen dargelegt, dass die in Frage stehenden Auskünfte über Bankgeschäfte als erhältliche Auskünfte im Sinne von Art. XVI DBA-US zu betrachten seien, weil für analoge Steuerbetrugsdelikte nach schweizerischem Recht - jedenfalls ![]() ![]() | 12 |
d) Da sich die Amtshilfepflicht nach Wortlaut und Sinn von Art. XVI DBA-US auf die Auskunfterteilung beschränkt und spezielle Massnahmen der eigentlichen Rechtshilfe nicht umfasst, sind die durch die Verfügung vom 31. August 1973 angeordneten zusätzlichen Untersuchungshandlungen durch die vertraglichen Verpflichtungen nicht gedeckt. Der angefochtene Entscheid verletzt somit Bundesrecht, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerden sind gutzuheissen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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