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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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31. Auszug aus dem Urteil vom 7. Mai 1975 i.S. Säurefabrik Schweizerhall und Chemische Fabrik Schweizerhall gegen Kanton Basel-Landschaft und Eidg. Schätzungskommission 7. Kreis | |
Regeste |
Enteignung. Art. 19 EntG. |
2. Was der Enteignete aus eigenem Antrieb aufwendet, um eine Rechtspflicht zu erfüllen oder eine Haftpflicht zu vermeiden, ist weder nach lit. b noch lit. c von Art. 19 EntG zu entschädigen (E. 3). | |
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a) Die ESchK legt eingehend und zutreffend dar, weshalb sie diese Auffassung nicht teilt: Für die Rodung und die Vergrösserung ![]() | 2 |
b) Die Einwände der Beschwerdeführerinnen hiegegen vermögen nicht zu überzeugen. Insbesondere ist ohne Bedeutung, dass sie den kleinen Waldabschnitt, der durch die Autobahn vom übrigen Wald abgetrennt wurde, ohne vorgängige Erlaubnis gerodet und auf das Niveau des Fabrikareals abgesenkt haben. Mit der nachträglichen Bewilligung des selbstherrlichen Vorgehens haben die zuständigen Behörden keineswegs anerkannt, dass sie auch ohne die besondere durch das Werk entstandene Lage entsprechende Bewilligungen erteilt hätten. In der Tat wäre es nachträglich wenig sinnvoll gewesen, eine Wiederaufforstung zu verlangen, zumal ja das kleine isolierte Waldstück kaum mehr hätte vernünftig bewirtschaftet werden können. Zweifellos ist die so erreichte Vergrösserung des Fabrikareals dem Bau der Autobahn zu verdanken. Demnach hat die ESchK mit Recht von einer Anwendung des Art. 20 EntG abgesehen und den Wert des Waldbodens auf Grund der heutigen Nutzung bestimmt.
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c) Erstmals in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde meldet die Säurefabrik einen Anspruch von Fr. 16'300.-- mit der Begründung an, der Enteigner habe rund 10 000 m3 des im Strassenareal abgebauten Kieses verwenden können. Sie sagt nicht, aus welcher Gesetzesbestimmung sie ihren Anspruch herleitet. Jedenfalls fallen weder Art. 19 lit. b (Minderwert der Restparzelle) noch Art. 19 lit. c EntG in Betracht; die zweite Bestimmung ![]() | 4 |
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a) Die Säurefabrik behauptet nicht, der Enteigner habe ihr zur Vermeidung schädlicher Einwirkungen auf die Nationalstrasse Auflagen gemacht. Vielmehr handelte sie aus eigenem Antrieb und ohne sich vorher zu vergewissern, ob der Enteigner bereit sei, für die entsprechenden Kosten gutzustehen. Ob dieser ihr später einmal hätte Auflagen machen oder sie für allfällige Schäden haftbar erklären müssen, oder ob gegebenenfalls mit Verantwortlichkeitsklagen Dritter zu rechnen gewesen wäre, ist nicht zu entscheiden, da es sich um reine Spekulationen handelt.
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b) In der angerufenen Rechtsprechung ging es darum, auf ![]() | 7 |
Doch lässt sich ein solcher Anspruch weder aus Art. 684 ZGB noch aus der Rechtsprechung zu Art. 5 EntG zum Schutz der Nachbarrechte ableiten. Zwar untersagt Art. 684 ZGB nicht jede Einwirkung auf die Nachbarschaft. Verboten sind nur übermässige Einwirkungen; deren zulässiges Mass ergibt sich aus der Lage und dem Ortsgebrauch, die sich beide ändern können. Der auf andere Grundstücke einwirkende Eigentümer hat sich anzupassen. Zu seinen Gunsten entsteht kein wohlerworbenes Recht, auch nicht aus Priorität und Vorbestand (HAAB, N 19 zu Art. 684). Art. 684 ZGB verschafft dem Nachbar ein Recht auf Schutz vor Störung und nicht ein Recht darauf, stören zu dürfen. Daher ist auch die Anwendung des Art. 5 EntG zum Schutze des nachbarlichen Störers ausgeschlossen.
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c) Bei der Betrachtung der polizeilichen Verpflichtungen des Störers ist das Ergebnis dasselbe: Die allgemeine polizeiliche Pflicht zum Nichtstören lässt sich nicht zu einem Recht, stören zu können, umbilden, nur weil zu Gunsten des Störers eine gewisse Toleranz besteht (OFTINGER, Lärmbekämpfung als Aufgabe des Rechts, S. 53). Eine Verschärfung der polizeilichen Vorschriften oder deren strengere Handhabung stellen keinen Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar, welcher eine Enteignungsentschädigung auslöst.
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aa) Der Industrie - nicht zuletzt der chemischen - wurde früher oft ein hohes Mass an Duldung zugebilligt. Es wurden Immissionen in Kauf genommen, die ganze Gebiete und nicht bloss die unmittelbaren Nachbarn trafen und die quantitativ weit über das hinausgingen, was unter Nachbarn zu dulden ist. Was man lange Zeit im Interesse der Volkswirtschaft hinnahm, ![]() | 10 |
bb) Der Augenschein hat ergeben, dass die Säurefabrik Schweizerhall sich tatsächlich um einen saubern Betrieb bemüht. Lästige Dünste fehlen, weil die Fabrikationsprozesse sich in geschlossenen Kreisläufen abspielen und durch automatische Sicherheitsvorrichtungen überwacht werden. Die Verhinderung des Schwefeltrioxydaustritts und damit der Nebelbildung erscheint hier eher als Einzelproblem. Die Gesamtkonzeption, nach welcher die Säurefabrik ihren ganzen Betrieb gestaltete, hätte eine Ausklammerung gerade des SO3 wohl kaum erlaubt. Diese Feststellung soll das Verdienst des Unternehmens keinesfalls schmälern. Es hat beispielhaft bewiesen, dass Immissionen aus Industrieanlagen nicht als Schicksal hinzunehmen sind. Daraus ergibt sich aber auch eine dauernde Pflicht zu entsprechender Anstrengung. Ohnehin weiss man noch wenig über die Belastbarkeit der Atmosphäre selbst mit sogenannten harmlosen Stoffen; früherer Optimismus wurde jedenfalls schon stark gedämpft. Jede vermeidbare Luftverschmutzung ist im Zweifel grundsätzlich unrechtmässig (Art. 24septies BV).
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d) Die Säurefabrik Schweizerhall beruft sich schliesslich auch auf Art. 19 lit. c EntG. An sich trifft zu, dass danach zur vollen Entschädigung auch die Vergütung aller weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen, gehört. Dabei ist gleichgültig, ob der Schaden eine Folge der Enteignung oder des Werkes ist. In jedem Falle muss es sich aber um einen Nachteil handeln, der dem Enteigneten zugefügt wurde und den er sich nicht selbst verursacht. Aufwendungen, die der Enteignete aus eigenem Antrieb auf sich nimmt, fallen keinesfalls darunter, auch solche nicht, die er in Erfüllung einer Rechtspflicht oder zur Vermeidung einer Haftpflicht vorsorglich macht.
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