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34. Urteil vom 11. Juli 1975 i.S. Eidg. Departement des Innern gegen Marugg und Mitbeteiligte und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | |
Regeste |
Gewässerschutz, Baubewilligung. |
2. Verhältnis zwischen Art. 19 und 20 GSchG. Auslegung des ungenau gefassten Art. 20 (Bestätigung der Rechtsprechung). Wenn der Bauplatz zwar innerhalb des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes, aber ausserhalb der Bauzone liegt, ist Art. 20 massgebend. Begriff der Bauzone (Erw. 2). |
3. Grundsatz von Treu und Glauben. Zusicherung der Baubewilligung seitens der Gemeinde? (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess die Beschwerde der Mitglieder der Baugesellschaft gegen diesen Entscheid teilweise gut und wies die Sache zu neuer Prüfung des Baugesuches an die Vorinstanz zurück (Urteil vom 28. August 1974). Es führte aus, der Bauplatz liege innerhalb des im generellen Kanalisationsprojekt (GKP) der Gemeinde abgegrenzten Gebietes, so dass Art. 20 GSchG nicht anwendbar sei. Auf jeden Fall verstosse der Standpunkt der Gemeinde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil sie seinerzeit die Baubewilligung zugesichert habe. Das neue GSchG habe Art. 25 BO Zizers nicht ausser Kraft gesetzt. Falls nicht die von der Vorinstanz noch abzuklärenden Druckverhältnisse bei der Wasserversorgung oder bis jetzt nicht erwähnte zwingende Vorschriften dem Bauvorhaben entgegenständen, sei die nachgesuchte Bewilligung zu erteilen.
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Gegen den Entscheid des kantonalen Gerichts, der den Parteien des kantonalen Verfahrens am 10. Januar und dem Eidg. Departement des Innern (EDI) am 11. Februar 1975 zugestellt worden ist, hat diese Behörde beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragt, das Urteil aufzuheben und die Baubewilligung zu verweigern. Das kantonale Gericht und die Mitglieder der Baugesellschaft beantragen, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Die Gemeinde Zizers schliesst auf Gutheissung der Beschwerde.
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Zu Unrecht wirft das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden den dortigen "Gewässerschutz-Instanzen" vor, sie hätten die Frist zur Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde verpasst und möchten nun mit Hilfe des EDI ein "rechtskräftiges" Urteil aufheben. Die Gemeinde Zizers und die kantonalen "Gewässerschutz-Instanzen" hatten offensichtlich keine Möglichkeit, den beanstandeten Entscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten (vgl. Urteil Gemeinde Parpan vom 22. Februar 1974, teilweise veröffentlicht in BGE 100 Ia 274). Nach der Rechtsprechung ist eine Gemeinde auch nicht legitimiert, in Gewässerschutzsachen der vorliegenden Art den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weiterzuziehen (BGE 99 Ib 213 ff. E. 4 und zit. Urteil vom 22. Februar 1974, nicht publizierte E. 3). Nur die zuständige Bundesbehörde ist befugt, in einem solchen Fall das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Gewässerschutzrechts im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht zu vertreten.
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b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann auch geltend gemacht werden, von den kantonalen Behörden sei das Verwaltungsrecht des Bundes - im vorliegenden Fall das Gewässerschutzrecht - nicht zur Anwendung gebracht worden, obschon es angewendet werden sollte. Die Versicherung des Verwaltungsgerichts, das angefochtene Urteil stütze sich nicht auf gewässerschutzrechtliche Überlegungen, vermag daher die Beschwerdelegitimation des EDI nicht auszuschliessen. Bundesrecht kann auch dadurch verletzt werden, dass man es zu ![]() | 6 |
c) Auch der Einwand, für die Beschwerdegegner sei das Urteil des Verwaltungsgerichtes in Rechtskraft erwachsen, weil innert 30 Tagen seit der an sie ergangenen Mitteilung keine Beschwerde eingereicht worden sei, ist unbehelflich. Der in diesem Zusammenhang erwähnte Art. 107 Abs. 3 OG bezieht sich nach seiner systematischen Stellung auf die Berechnung der Beschwerdefrist. Die mangelhafte Eröffnung eines Entscheides soll die Rekursmöglichkeit für den Adressaten nicht beeinträchtigen. Aus dieser Vorschrift lässt sich nicht ableiten, andere am Verfahren Beteiligte könnten gegen die wegen mangelhafter Eröffnung nachträglich noch zulässige Einreichung eines Rechtsmittels den Einwand erheben, der Entscheid sei für sie in Rechtskraft erwachsen. Wäre Art. 107 Abs. 3 OG so zu verstehen, so würde er in vielen Fällen einer mangelhaften Eröffnung zu einem unlösbaren Widerspruch führen, indem derjenige, welchem der Entscheid nicht vorschriftsgemäss eröffnet wurde, zwar hinterher die Anfechtungsmöglichkeit noch hätte, aber damit von vornherein dort nicht zum Ziel gelangen könnte, wo für andere am Verfahren Beteiligte die formelle Rechtskraft bereits eingetreten ist. Zu den "Nachteilen", welche Art. 107 Abs. 3 OG ausschliessen will, gehört die durch eine Beschwerde, welche wegen mangelhafter Eröffnung erst nachträglich eingegangen ist, veranlasste Überprüfung eines vorher für rechtskräftig gehaltenen Entscheides nicht.
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d) Die Berufung auf die für die Parteien des kantonalen Verfahrens eingetretene formelle Rechtskraft des angefochtenen Entscheides steht dem Eintreten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht entgegen. Da dem EDI das Urteil des Verwaltungsgerichtes vorerst nicht mitgeteilt wurde, begann für die zuständige Bundesbehörde die Beschwerdefrist von 30 Tagen erst mit der nachträglichen Zustellung des Entscheides. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unbestrittenermassen innert dieser Frist erhoben worden.
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e) Wegen der Verspätung der Eröffnung des Entscheides gegenüber dem EDI und der Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Ablauf von 30 Tagen seit der Zustellung des Urteils an die Baugesellschaft Mutschacker ist übrigens den Gesellschaftern kein Nachteil erwachsen. Der angefochtene ![]() | 9 |
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a) Die Auffassung, in dieser Situation lasse sich dem GSchG überhaupt keine Lösung entnehmen, ist offensichtlich nicht haltbar. Mit den Vorschriften der Art. 19 und 20 GSchG wollte der Gesetzgeber eine lückenlose Regelung aller Fälle von Neu- und Umbauten treffen. Dass der Wortlaut der Bestimmungen scheinbar eine Lücke offen lässt, indem ein Bauvorhaben, das ausserhalb der Bauzone, aber innerhalb des GKP liegt, weder von Art. 19 noch von Art. 20 ohne weiteres erfasst wird, beruht auf einem durch die Entstehungsgeschichte erklärbaren Versehen: Entsprechend den Marginalien unterschied der bundesrätliche Entwurf zwischen Baubewilligungen innerhalb und ausserhalb des GKP. Der Ständerat gab dem Art. 19 die heutige Fassung, welche vorab die Bauzonen ![]() | 11 |
b) Aus dieser Auslegung ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass das Baugesuch, welches sich auf ausserhalb der Bauzonen liegende Grundstücke bezieht, gemäss Art. 20 GSchG zu beurteilen ist. In der Regel wird der Perimeter des GKP mit dem Baugebiet übereinstimmen (Art. 15 AGSchV). Trifft dies, wie im vorliegenden Fall, aus irgendeinem Grunde nicht zu, so ist nach der eindeutigen Fassung von Art. 19 der Zonenplan für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift massgebend; die Möglichkeit von Bauten ausserhalb der Bauzonen richtet sich nach Art. 20. Dieser vom Gesetzgeber bestimmte Vorrang der Bauzonen gegenüber dem GKP erscheint übrigens auch als sachlich begründet: Ein GKP, dessen Perimeter das in der Zonenplanung ausgeschiedene Baugebiet überschreitet, spiegelt entweder ein früheres Stadium einer vorwiegend auf kanalisationstechnischen Überlegungen beruhenden Planung wider oder umfasst - wie die Gemeinde dies im vorliegenden Fall geltend macht - auch Gebiete, die nur langfristig in mehreren Jahrzehnten eventuell für die Überbauung ![]() | 12 |
c) Auch das Argument, unter gewissen Voraussetzungen könnten nach kommunalem Recht nicht landwirtschaftliche Bauten im übrigen Gemeindegebiet bewilligt werden (BO Zizers Art. 25 Abs. 2) und daher sei dieses Gebiet Bauzone im Sinne des Art. 19 GSchG, ist nicht stichhaltig. Unter einer Bauzone im Sinne des Gewässerschutzrechts kann nur ein nach der massgebenden Planung für die Überbauung vorgesehenes Gebiet verstanden werden. Wollte man nicht eingezonte Parzellen, auf denen nach kommunalem Recht ausnahmsweise doch gebaut werden darf, sofern der Bauherr selber für die notwendige Erschliessung sorgt, ebenfalls zur "Bauzone" rechnen, so würde damit der raumplanerische Zweck der Art. 19 und 20 GSchG verkannt und die Erreichung eines wesentlichen Zieles dieser Gesetzgebung in klarer Weise vereitelt.
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d) Dass die Gesuchsteller Marugg, Glauser und Suter im Sinne von Art. 20 GSchG/Art. 27 AGSchV ein sachlich begründetes Bedürfnis an der Erstellung des projektierten Neubaus auf dem vorgesehenen Platz nachweisen könnten, wird von keiner Seite geltend gemacht. Die richtige Anwendung des Gewässerschutzrechts führt somit zur Abweisung des Baugesuchs.
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Die von der Vorinstanz getroffene Entscheidung ist mit dem Bundesrecht höchstens vereinbar, sofern nach dem Grundsatz von Treu und Glauben wegen verbindlicher Zusicherung der Gemeinde die verlangte Bewilligung erteilt werden muss, obschon sie gemäss Art. 19/20 GSchG nicht erteilt werden könnte.
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a) Am 1. Juni 1966 schloss die Gemeinde Zizers mit Max ![]() | 17 |
b) Wie sich aus den Akten ergibt, wurden die Erschliessungsleitungen vertragsgemäss erstellt. Durch eine als "Vergleich" bezeichnete Abmachung vom 16. März 1972 übernahm die Gemeinde die gemäss der Vereinbarung vom 11. Juni 1966 erstellten Leitungen gegen Bezahlung von Fr. 52'000.--. Die für die Erschliessung (Wasserversorgung) des Gebietes notwendige Druckkesselanlage blieb im Eigentum von Marugg. In Ziff. 2 des "Vergleichs" wird ausdrücklich festgehalten, dass die Vereinbarung vom 1. Juni 1966 damit hinfällig werde.
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c) Weder in der ursprünglichen "Vereinbarung" (vom 1. Juni 1966) noch im "Vergleich" (vom 16. März 1972) hat die Gemeinde dem Vertragspartner Marugg - etwa aufgrund eines Überbauungsprojektes - die bauliche Nutzung bestimmter Grundstücke fest zugesichert. Wohl zeigt die getroffene finanzielle Abmachung mit einem freiwilligen Perimeter-Beitrag Maruggs von 30% der Leitungskosten, dass Marugg wegen der auf diese Weise zu erreichenden Möglichkeit baulicher Nutzung bereit war, die Erschliessungskosten vorzuschiessen und einen Teil davon selber definitiv zu übernehmen (bzw. auf die von ihm realisierten Projekte zu überwälzen). In welchem Ausmass er aus der Erschliessung effektiv Vorteile hatte und welchen Anteil der Kosten er aufgrund des "Vergleichs" selber definitiv zu tragen bereit war, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Dies ist für die Entscheidung auch nicht ausschlaggebend; denn die mit der Gemeinde getroffenen Abmachungen enthalten auf jeden Fall keine verbindliche Zusicherung, dass auch die jetzt in Frage stehenden Grundstücke überbaut werden könnten. Nur wenn nachgewiesen wäre, dass der Beschwerdegegner Marugg durch eine derartige Zusicherung veranlasst worden wäre, eigene Mittel in die Kanalisationsleitung zu investieren und bei der Übernahme durch die ![]() | 19 |
In den mit der Gemeinde getroffenen Abmachungen fehlt jedes derartige Versprechen. Aufgrund des "Vergleichs" hat die Gemeinde an Marugg als Ersteller der Leitungen "per Saldo aller Ansprüche" Fr. 52'000.-- bezahlt.
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d) Nach der Rechtsprechung können behördliche Zusicherungen nicht dazu führen, dass eine nach der massgeblichen Erklärung der Behörde eingetretene Änderung der gesetzlichen Vorschriften auf den Empfänger der Zusicherung nicht anzuwenden wäre. Voraussetzung des Vertrauensschutzes ist also, dass die Änderung der behördlichen Stellungnahme nicht auf einer Gesetzesänderung beruht (BGE 99 Ib 101 ff. E. 4).
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Das neue Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971 ist am 1. Juli 1972 in Kraft getreten. Selbst wenn vor dem Bau der Kanalisationsleitung (1966) oder beim Abschluss des "Vergleichs" vom 16. März 1972 (betr. Übernahme der Leitung) eine Auskunft oder Erklärung gegeben worden wäre, welche als Zusicherung der Überbauungsmöglichkeit für die in Frage stehenden Parzellen verstanden werden könnte, so stände eine solche Zusicherung der Anwendung des nachher in Kraft getretenen neuen Gewässerschutzrechtes nicht entgegen.
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e) Die aus Art. 20 GSchG sich ergebende Verweigerung der von der Baugesellschaft Mutschacker nachgesuchten Baubewilligung verstösst somit nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Das angefochtene Urteil lässt sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht halten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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