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52. Urteil vom 17. Oktober 1975 i.S. Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) gegen Generaldirektion PTT | |
Regeste |
Postverkehrsgesetz: Beförderung von Drucksachen. | |
Sachverhalt | |
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Erwägungen: | |
1. Das Postverkehrsgesetz unterscheidet zwischen einer gewöhnlichen Drucksachentaxe (Art. 17), einer ermässigten ![]() | 2 |
Der Bundesrat hat in Art. 56b PVV den Begriff der politischen Parteien im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. b PVG umschrieben. Als solche gelten die politischen Parteien, die in der Bundesversammlung, in einem Kantons- oder Gemeindeparlament oder in einer Gemeindeexekutive vertreten sind, und ferner andere politische Vereinigungen, sofern sie körperschaftlich organisiert sind und sich bei der Aufgabe der Drucksachen durch Vorweisung der Statuten als politische Partei ausweisen (Abs. 1). Nicht als Parteien gelten die für die Teilnahme an einer bestimmten Abstimmung oder Wahl gebildeten Komitees, Gruppen oder Vereinigungen (Abs. 2). Damit ist aber noch nicht positiv bestimmt, unter welchen konkreten Voraussetzungen der Post zur Beförderung übergebene Publikationen als "Drucksachen von Parteien" im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. b PVG zu betrachten sind. Namentlich ist die Frage offen, ob es genügt, dass eine Partei eine Drucksache herstellen lässt und sie allenfalls auch finanziert oder ob die gesetzliche Ordnung verlangt, dass die Partei sich als Herausgeber und damit als Absender der Drucksache auch zu erkennen gibt.
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Diese Fragen standen in den parlamentarischen Beratungen 1972 zur Diskussion. Der Nationalrat beschloss vorerst - entgegen den bundesrätlichen Anträgen und Stellungnahmen - eine Lösung, welche die tarifliche Bevorzugung für "Drucksachen politischer, erzieherischer oder religiöser Natur" vorsah (Amtl.Bull. N. 1972 S. 848). Auf die Einwände des Ständerates hin, dass eine derartige Lösung, die nur auf den Charakter des Erzeugnisses abstelle, das Postschalterpersonal ![]() | 4 |
2. Der Vorzugstarif für "Drucksachen von Parteien" bezweckt offensichtlich die posttarifarische Begünstigung der politischen Parteien. Es sollen die in der Regel nur knapp dotierten Parteikassen geschont und damit indirekt den Parteien die Erfüllung der für das öffentliche Leben wichtigen politischen Aufgaben erleichtert werden. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet sind alle von einer Partei stammenden Drucksachen, welche die übrigen Voraussetzungen des Art. 19 PVG erfüllen, tarifbegünstigt. Es kommt deshalb an sich nicht darauf an, ob eine Partei in der Drucksache selbst ihre Urheberschaft und Herausgeberschaft ausdrücklich kundtut. Art. 19 PVG unterwirft die Parteien jedenfalls keiner eigentlichen Offenbarungspflicht; weder aufgrund der parlamentarischen Beratungen noch vom Zweckgedanken der gesetzlichen Bestimmung her lässt sich auf einen Zwang schliessen, die Parteien müssten zum Zwecke der Vermeidung von Unklarheiten ihre Trägerschaft in klar ersichtlicher Weise auf der Drucksache zum Ausdruck bringen. Anders verhält es sich, wenn eine Partei die Drucklegung eines Erzeugnisses zwar veranlasst und finanziert hat, aber nach aussen den Eindruck zu erwecken versucht, die Drucksache stamme von einer überparteilichen Aktion. Hier stellt sich nicht so sehr das Problem der Offenbarungspflicht, sondern jenes der Praktikabilität: Kann aus praktischen Gründen gestützt auf Art. 19 PVG gefordert werden, Text und Aufmachung müssten den Absender ersichtlich werden lassen? Diese Frage stand - wie erwähnt - in den parlamentarischen Beratungen zur Diskussion, und Gründe der Praktikabilität waren entscheidend für die heutige Fassung des Art. 19 Abs. 2 lit. b PVG. Den erwähnten parlamentarischen Beratungen kommt hinsichtlich der Auslegung des Art. 19 PVG deshalb grössere Bedeutung zu, da die geltende ![]() | 5 |
Mit dem gesetzlichen Zweck wäre eine Berufung auf Gründe der Praktikabilität allerdings dann nicht vereinbar, wenn sie dazu führte, dass der gesetzlich angestrebte Zweck weitgehend vereitelt würde, d.h., wenn gestützt auf solche Gesichtspunkte die Parteien weitgehend um ihre posttarifarische Bevorzugung geprellt werden könnten. Dies ist indes nach der Praxis der Postbehörden, soweit sie im vorliegenden Verfahren zur Diskussion steht, nicht der Fall. Bei den meisten "Drucksachen von Parteien" ergibt sich der Absender ohne weiteres und zwangsläufig aus der Drucksache selbst; der Absender ist mithin mühelos durch die Organe der Post feststellbar. Abstimmungs- und Wahlmaterial, das eine vielfach, das andere vereinzelt, wird anstelle von oder in Zusammenarbeit mit Parteien von sog. Aktionskomitees herausgegeben. Der politische Gehalt derartiger Druckerzeugnisse ist unverkennbar; hingegen entfällt die in Art. 19 Abs. 2 lit. b PVG verlangte parteiliche Trägerschaft dann, wenn das Druckerzeugnis von einem ad hoc gebildeten Komitee oder einer sonstigen Gruppe oder Vereinigung herausgegeben und zum Versand gebracht wird. Deshalb ist es denn auch nicht rechtserheblich, dass in manch solchen Aktionskomitees eine oder mehrere politische Parteien über ihre Vertreter engagiert sind und die Parteikassen unter Umständen sogar finanzielle Beiträge zur Unterstützung solcher Aktionen leisten. Dem Erfordernis, dass die Anwendung des Art. 19 Abs. 2 lit. b PVG für die Organe der Post praktikabel sein muss, wäre jedenfalls nicht Genüge getan, wenn sich diese vor Versand einer unadressierten Drucksache immer erst vergewissern müssten, ob trotz gegenteiligem Anschein (Herausgabe durch Aktionskomitee) nicht doch eine Partei dahintersteht, welcher die Urheberschaft und die Trägerschaft zukommt sowie die Finanzierung der Drucksache obliegt und welche somit allenfalls Anspruch auf Privilegierung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. b PVG beanspruchen könnte.
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Daraus erhellt, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht nicht verletzt. Die Rügen der Beschwerdeführerin bedürfen somit keiner weiteren Erörterung. Mit der Vorinstanz braucht entsprechend der erwähnten Auslegung des Art. 19 Abs. 2 lit. b PVG nicht näher abgeklärt zu werden, ob und allenfalls in welchem Ausmass die SPS tatsächlich Urheber der Flugblattaktion war und diese auch finanziert hat. Dieser nicht abgeklärte Sachverhalt ist rechtlich im vorliegenden Fall nicht erheblich.
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