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57. Auszug aus dem Urteil vom 3. Oktober 1975 i.S. Verband der Schweizerischen Automatenbranche und Mitbeteiligte gegen Eidg. Justiz- und Polizeidepartement | |
Regeste |
Bundesgesetz über die Spielbanken, Bewilligungspflicht für das Aufstellen von Geldspielapparaten, Widerruf einer Bewilligung (Bestätigung der Rechtsprechung). |
2. Widerruf einer - hier durch ein früheres Urteil des Bundesgerichtes erteilten - Bewilligung, Voraussetzungen (Erw. 2 und 5). Liquidationsfrist (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Durch Urteil vom 1. März 1968 erklärte das Bundesgericht den in ähnlicher Weise funktionierenden Apparat "GO-AND-STOP" ebenfalls gemäss Art. 3 SBG als zulässig. Da Missbräuche festgestellt wurden, sah sich das EJPD veranlasst, diesen Apparat durch Verfügung vom 1. Juni 1970 zu verbieten. In Änderung seiner Rechtsprechung schützte das Bundesgericht am 1. Oktober 1971 dieses Verbot (BGE 97 I 748).
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In der Folge erhielt das EJPD Anfragen, ob der Spielapparat "Tivoli" weiterhin zulässig sei. Es erteilte darauf dem Eidg. Amt für Mass und Gewicht (EAMG) den Auftrag, einen vom Bewilligungsempfänger zur Verfügung gestellten Apparat "Tivoli" anhand der im Bundesgerichtsurteil vom 1. Oktober 1971 aufgestellten Kriterien zu prüfen. Das EAMG erstattete im August 1972 Bericht. Danach hatte sich in einer grossen Serie von Blindspielversuchen ergeben, dass der Apparat ohne Beeinflussung, also beim reinen Glücksspiel, über 70% der Einsätze als Gewinne auszahlt. Das EAMG stellte auch fest, dass durch leicht vorzunehmende, vom Spieler nicht erkennbare Manipulationen der Spielablauf wesentlich verändert werden könne.
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Aufgrund dieses Berichtes und gestützt auf die Erwägungen des Bundesgerichtsurteils vom 1. Oktober 1971 nahm die Eidg. Polizeiabteilung in Aussicht, den Spielapparat "Tivoli" durch eine Verfügung des EJPD unzulässig erklären zu lassen. Dies wurde der Firma des ursprünglichen Bewilligungsempfängers unter Zustellung des Prüfungsberichtes des EAMG mitgeteilt und im Bundesblatt vom 1. September 1972 zuhanden weiterer Aufsteller von Spielapparaten "Tivoli" bekanntgemacht mit Hinweis auf die Möglichkeit, den Bericht des EAMG einzusehen und dazu Stellung zu nehmen. Solange die Spielapparate vom Typ "GO-AND-STOP" den Markt beherrschten, gingen kaum Klagen hinsichtlich des "Tivoli" ein. Deshalb wurde der Entscheid über sein Verbot vorerst aufgeschoben und die weitere Entwicklung abgewartet.
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"1. Der Spielapparat "Tivoli" fällt unter das in den Artikeln 35 der Bundesverfassung und 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 1929 über die Spielbanken enthaltene Verbot.
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2. Das Betreiben der bereits aufgestellten Spielautomaten "Tivoli", die in allen Teilen mit dem vom Bundesgericht am 17. März 1967 bewilligten identisch sind, ist noch bis zum 1. Oktober 1975 gestattet".
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Gegen diese Verfügung erheben der Verband der Schweiz. Automatenbranche und verschiedene Aufsteller von "Tivoli"- Spielapparaten Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Beschwerdeführer beantragen in erster Linie die Aufhebung der angefochtenen Verfügung. In mehreren Beschwerden wird das Eventualbegehren gestellt, die Angelegenheit Sei "zur ergänzenden Feststellung des Sachverhaltes" und zur Neubeurteilung an das EJPD zurückzuweisen. Schliesslich wird beantragt, bei Aufrechterhaltung des Verbotes sei in Abänderung von Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung das Betreiben der bereits aufgestellten Automaten "Tivoli" noch während einer längeren Frist zu gestatten. Den Beschwerden ist aufschiebende Wirkung verliehen worden.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Auch aus den in der Rechtsprechung entwickelten Regeln über den Widerruf (vgl. BGE 100 Ib 301 ff. und die dort zitierten Entscheidungen) lässt sich nicht ableiten, ein Widerruf der Bewilligung falle hier von vornherein ausser Betracht. Wiederholt wurde bestätigt, dass das Postulat der Rechtssicherheit im allgemeinen dann vorgehe, wenn durch die frühere ![]() | 11 |
Die Bewilligung eines Spielapparates gemäss Art. 3 SBG erfolgt sinngemäss immer unter dem Vorbehalt des Widerrufs im Falle von Missbräuchen oder für den Fall, dass neue wichtige Erkenntnisse zu einer andern grundsätzlichen Beurteilung führen (BGE 97 I 752 E. 4b). Die formelle Rechtskraft der Bewilligung steht einer neuen Prüfung des bewilligten Spielapparates nicht entgegen. Ob ein Widerruf gerechtfertigt ist, muss im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung entschieden werden.
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Abgesehen von den Kriterien, welche das Bundesgericht im Urteil vom 1. Oktober 1971 festlegte, gaben auch eine Reihe von Meldungen über missbräuchliche Veränderungen an "Tivoli"-Spielapparaten ![]() | 13 |
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In den Beschwerden wird die Schlussfolgerung - Eignung zum Glücksspiel - an sich nicht bestritten, aber geltend gemacht, die Gewinnchance beim "Blindspiel" sei nicht in korrekter Weise ermittelt worden, und daher sei die Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes unrichtig bzw. unvollständig.
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b) Das Spielgerät "Tivoli" ist ein Dreiwalzen-Apparat. Auf jeder der drei Walzen sind in verschiedenfarbigen Feldern zehn Zahlen von 1 bis 6 in unregelmässiger Verteilung und Reihenfolge angebracht. Der Spieler setzt nach Geldeinwurf die drei Walzen durch Herunterziehen eines Hebels gleichzeitig in Gang. Eine Aufschrift weist darauf hin, dass die Drehgeschwindigkeit der Walzen durch schnelles Herunterziehen des Hebels verringert wird. Durch Betätigen der den Walzen zugeordneten drei Federzugknöpfe kann der Spieler versuchen, die Walzen so anzuhalten, dass die Kombination der erscheinenden Zahlen einen Gewinn zur Folge hat. Ein Gewinn wird ausbezahlt, wenn auf allen drei Walzen beim Stillstand eine Zahl mit rotem Querstrich sichtbar ist. Einen roten Querstrich weisen die Felder mit den Zahlen 1, 2, 3 und 4 auf.
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Dem Bericht des EAMG ist zu entnehmen, dass das 1972 vorgeführte Gerät eine Besonderheit hat, welche - nach der Beschreibung - bei dem 1966 begutachteten Gerät nicht bestand: Die linke Walze ist beim 1972 geprüften Apparat so konstruiert, dass sie zunächst nicht gestoppt werden kann und stets bei Ziffer 5 anhält. Durch Drücken des zugeordneten linken Knopfes nach dem Anhalten kann dann eine andere Zahl ins Schauglas gebracht werden. Dass in diesem Punkt eine Abweichung vom ursprünglich bewilligten Prototyp vorliegt, wird von den Beschwerdeführern zwar nicht ausdrücklich anerkannt, aber auch nicht bestritten.
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Die massgebenden Feststellungen des EAMG erscheinen als zutreffend und bedürfen keiner Ergänzung oder Korrektur. Die Beanstandungen der Beschwerdeführer erweisen sich in diesem Punkt als unbegründet.
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c) Es wäre nun technisch durchaus möglich, dass trotz verhältnismässig hoher Erfolgschance beim Blindspiel durch geschickte Beeinflussung erheblich höhere Gewinne erzielt werden könnten. Den Beschwerdeführern ist zuzugeben, dass das Gutachten des EAMG nichts darüber aussagt, ob und allenfalls in welchem Mass ein Spieler durch geschicktes Eingreifen seine Erfolgschancen Steigern und so Gewinne erzielen kann, welche erheblich über der festgestellten Durchschnittserwartung beim unbeeinflussten Spiel (reinen Glücksspiel) liegen.
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Die Wirkung möglicher Manipulationen kann in zwei Richtungen gehen: Bei einem Spielapparat, der in der unveränderten Form nur dem geschickten Spieler Erfolgschancen bietet, kann durch Änderungen die reine Glücksspielchance erhöht und damit die Verwendbarkeit zum Glücksspiel erst geschaffen werden. Anderseits besteht bei solchen gemischten Geräten oft ein Interesse des Aufstellers daran, die Beeinflussungsmöglichkeit und damit die Gewinnchancen des geschickten Spielers zu vermindern oder zu beseitigen, damit der Apparat vorwiegend oder ausschliesslich als Glücksspielgerät benutzt und nicht immer wieder durch geschickte Spieler vollständig geleert wird.
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Zeigt der bewilligte Apparat - wie im vorliegenden Fall - schon eine durchschnittliche Blindspiel-Erfolgsquote von über 70% der Einsätze, so fällt die erste Manipulationsmöglichkeit praktisch ausser Betracht: Der Aufsteller wird natürlich die bereits ausreichende Erfolgschance beim Glücksspiel nicht erhöhen. Hingegen besteht - wie bereits erwähnt - auch hier ein offensichtliches Interesse, die Einflussmöglichkeit des geschickten Spielers zu verringern oder gänzlich zu eliminieren; denn eine Erfolgsquote von über 70% beim unbeeinflussten ![]() | 24 |
b) Aus den Akten ergibt sich, dass die Spielapparate "Tivoli" leicht manipuliert werden können, ohne dass dies - ausser mit exakten Messungen - sicher festzustellen ist.
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aa) Im Untersuchungsbericht des EAMG werden einzelne Manipulationsmöglichkeiten erwähnt: Verkürzung der Einwirkzeit durch Verstellen von Schrauben, Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit der Walzen durch stärkere Antriebsfedern, Veränderungen des Bremsweges der Walzen durch Anbringen von Gewichten.
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bb) In den Jahren 1971-1975 sind dem EJPD eine Reihe von Strafuntersuchungen gemeldet worden, welche den Verdacht von Änderungen an "Tivoli"-Apparaten betrafen. Ohne dass hier der Ausgang aller dieser Verfahren näher abzuklären und zu erörtern wäre, ist festzuhalten, dass in mehreren Fällen die Abänderung von Spielapparaten "Tivoli" (vor allem durch Anbringen von Zusatzgewichten) klar nachgewiesen wurde. Die vom EAMG festgestellte Möglichkeit von Änderungen ist also nicht rein theoretischer Natur, sondern hat bereits wiederholt zu Missbräuchen geführt. Entgegen der Behauptung in einzelnen Beschwerden besteht eben für den Aufsteller auch bei diesem Apparat durchaus ein Interesse an gewissen Änderungen. Zwar wird er nicht die bereits recht hohe Erfolgschance beim unbeeinflussten Glücksspiel vergrössern; hingegen liegt es in seinem Interesse, den möglichen Geschicklichkeitseinfluss und damit die zusätzliche Gewinnchance des geschickten Spielers herabzusetzen oder auszuschliessen. Durch eine solche Änderung wird das Gerät einem reinen Glücksspielautomaten angenähert.
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c) Der Spielapparat "Tivoli" entspricht somit nicht nur wegen der direkten Eignung zum Glücksspiel, sondern auch wegen seiner Manipulierbarkeit den Anforderungen nicht, welche gemäss Art. 3 SBG an ein bundesrechtlich zulässiges Geschicklichkeitsspielgerät gestellt werden müssen.
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Der Vorschlag, es sei - bei Annahme der Unzulässigkeit des Spielapparates nach der neuen Praxis - die seinerzeit erteilte Bewilligung nicht einfach zu widerrufen, sondern im Sinne einer verhältnismässigen Übergangsregelung seien die jetzt schon aufgestellten "Tivoli"-Apparate weiterhin zu tolerieren und lediglich das Aufstellen neuer Exemplare zu untersagen, erscheint nicht als befriedigende, praktikable Lösung. Die vorhandenen Apparate müssten genau registriert und gekennzeichnet werden. Zudem wären sie durch Fachleute auf ![]() | 31 |
Der seit 1972 voraussehbare Widerruf der Bewilligung verletzt kein Bundesrecht. Angesichts der Nachteile und der grundsätzlichen Problematik der in den Beschwerden vorgeschlagenen "Zwischenlösung" ist ein Betriebsverbot auch für die jetzt aufgestellten "Tivoli"-Apparate nicht unverhältnismässig. Soweit sich die Beschwerden gegen das Dispositiv 1 der angefochtenen Verfügung richten, sind sie somit abzuweisen.
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Obschon die Beschwerdeführer in der geschilderten Weise gewarnt worden sind, ist ihnen eine angemessene Frist für die Liquidation des 1967 bewilligten und auch nach der Widerrufsankündigung von 1972 weiterhin tolerierten Betriebes der "Tivoli"-Spielapparate einzuräumen. Für die Geräte "GO-AND-STOP" hat das Bundesgericht die Liquidationsfrist auf ![]() | 34 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1. Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit sie sich gegen das Dispositiv 1 der angefochtenen Verfügung richten.
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