![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
62. Auszug aus dem Urteil vom 12. Dezember 1975 i.S. Erbengemeinschaft des Emil Burkard gegen Schweizerische Eidgenossenschaft. | |
Regeste |
Art. 21 der EVK-Statuten: Voraussetzungen für die Ausrichtung einer Invalidenrente. |
Ein Beamter, der das Dienstverhältnis selber gekündigt hat und während der Kündigungszeit von einer invalidierenden Krankheit befallen wird, hat Anspruch auf Ausrichtung einer Invalidenrente, wenn die Invalidität nachgewiesenermassen vor Beendigung des Dienstverhältnisses, d.h. während der Zugehörigkeit des Beamten zur Versicherungseinrichtung des Bundes, eingetreten ist (Änderung der Rechtsprechung; E. 4-6). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
Mit verwaltungsrechtlicher Klage beim Bundesgericht stellte Burkard das Hauptbegehren, die EVK sei anzuweisen, ihm eine angemessene Invalidenrente auszuzahlen.
| 2 |
Das Eidgenössische Personalamt beantragt Abweisung der Klage mit der Begründung, es sei kein Versicherungsfall eingetreten, da bei Beendigung des Dienstverhältnisses eine Krankheit und noch keine Invalidität bestanden habe.
| 3 |
Emil Burkard ist am 8. August 1975 verstorben, ohne wieder eine Arbeit aufgenommen zu haben. Seine Erben sind in seine Ansprüche eingetreten.
| 4 |
Das Bundesgericht heisst die Klage grundsätzlich gut.
| 5 |
Aus den Erwägungen: | |
6 | |
![]() | 7 |
3. Angesichts der Verschiedenartigkeit von Gesundheitsschäden besteht ein grosser Spielraum bei der Abgrenzung von Krankheit resp. Unfallausheilung einerseits und Invalidität anderseits. Während unter Invalidität die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit als Folge einer Einbusse der körperlichen oder geistigen Integrität zu verstehen ist (Art. 4 Abs. 1 IVG), kann Krankheit als eine in vielen Fällen reversible Gesundheitsstörung von unterschiedlicher Dauer umschrieben werden. Die Grenze zwischen Krankheit und Invalidität ist keineswegs leicht zu ziehen; die Übergänge sind vielfach fliessend und unmerklich (König, Schweiz. Privatversicherungsrecht, ![]() | 8 |
Emil Burkard erkrankte am 28. Juli 1973 derart, dass der Hausbesuch eines Arztes erforderlich wurde. Er wurde in der Folge zunächst wegen Rückenschmerzen und danach wegen Schmerzen in der Herzgegend behandelt, wobei anlässlich einer Untersuchung im Kreisspital Muri ein Befund auf Kreislaufstörungen im Bereiche der Herzarterie und Rhythmusstörungen gestellt wurde. Am 8. Februar 1974 schliesslich wurde in der kardiologischen Abteilung des Kantonsspitals Zürich die für den Gesundheitsschaden massgebende Myokardiopathie als Folge einer Amyloidose festgestellt. Diese Krankheit gilt bis heute als nicht heilbar; eine Kausaltherapie ist nicht bekannt. Burkard war denn auch bis zu seinem Tode am 8. August 1975 nicht mehr in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Der Verlauf der Krankheit und die fehlende Therapiemöglichkeit lassen es angezeigt erscheinen, die Amyloidose versicherungstechnisch als invaliditätsbegründende Krankheit zu betrachten.
| 9 |
10 | |
a) Der behandelnde Arzt führte in seinem Bericht vom 5. Oktober 1973 aus, Burkard sei tauglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten, sollte aber nicht mehr schwere Arbeiten ![]() | 11 |
Der Bericht des behandelnden Arztes vom 5. Oktober 1973, der somit erstattet wurde, bevor die massgebende Diagnose auf Amyloidose gestellt wurde, mochte medizinisch damals richtig gewesen sein, ist aber rechtlich nicht massgebend, da - wie ausgeführt - vom rechtlichen Begriff der Invalidität auszugehen ist und die Krankheit im medizinischen Sinn im Rahmen der EVK-Statuten Invalidität bedeuten kann. Nach Art. 60 Abs. 2 BtG entscheidet das Bundesgericht selbständig, ob dauernde Invalidität vorliegt.
| 12 |
b) Wäre der Rentenanspruch nach dem Bundesgesetz über die Invalidenversicherung zu bestimmen, so käme Art. 29 Abs. 1 IVG zur Anwendung: Nach der sogenannten Variante II würde die Rente nach einer mindestens hälftigen Arbeitsunfähigkeit von 360 Tagen und bei voraussichtlich mindestens hälftiger Erwerbsunfähigkeit ausgerichtet. Nach dieser Regelung hat die Invalidenkommission des Kantons Aargau Burkard mit Wirkung ab 1. Juli 1974 eine Rente zugesprochen.
| 13 |
Davon zu unterscheiden ist die für die SUVA geltende Ordnung. Nach Art. 76 KUVG wird eine Invalidenrente dann ausgerichtet, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten nicht erwartet werden kann und der Unfall eine voraussichtlich bleibende Erwerbsunfähigkeit hinterlässt. Dabei werden die Berufskrankheiten dem Betriebsunfall grundsätzlich gleichgestellt. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat jedoch in einem Urteil aus dem Jahre 1945 festgestellt, dass der Wortlaut von Art. 76 KUVG offensichtlich auf Unfälle abgestimmt ist, bei denen sich in der Regel eine klare Grenze zwischen Krankengeldzahlung und Rentenbeginn ziehen lässt, dass die Bestimmung aber bei langwierigen Berufskrankheiten nicht unbesehen angewendet werden kann. Es hat entschieden, dass bei Berufskrankheiten die Rente das Krankengeld von dem Moment an zu ersetzen hat, in dem der Gesundheitszustand stabil geworden ist und der ![]() | 14 |
c) Die im IVG und im KUVG entwickelten Grundsätze können nicht ohne weiteres übernommen werden, um zu entscheiden, wann Invalidität nach den Vorschriften des Beamtengesetzes und der EVK-Statuten als eingetreten zu betrachten ist. Es ist zu prüfen, welche Lösung den für die Versicherungseinrichtung des Bundes massgebenden Bestimmungen am besten entspricht.
| 15 |
Nach Art. 55 BtG kann ein Dienstverhältnis aus wichtigen Gründen, namentlich auch wegen Invalidität, umgestaltet oder aufgelöst werden, wobei vor einem solchen Entscheid der Sachverhalt zu untersuchen und der Beamte anzuhören ist. Art. 21 der EVK-Statuten setzt für die Massnahme voraus, dass der Versicherte für seine bisherige oder eine andere ihm zumutbare, ähnliche Beschäftigung invalid geworden ist. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Umgestaltung oder Auflösung des Dienstverhältnisses wegen Invalidität dem konkreten Einzelfall gerecht werden soll; eine schematische Lösung, wie sie in Art. 29 Abs. 1 IVG enthalten ist, kann deshalb nicht in Frage kommen. Vielmehr ist - ähnlich wie nach Art. 76 KUVG in der Auslegung des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes - Invalidität dann anzunehmen, wenn der wichtige Grund, d.h. die unheilbare, invalidierende Krankheit tatsächlich eintritt. Nicht von Belang ist dagegen der Zeitpunkt, in dem das Bestehen einer derartigen Krankheit ärztlich festgestellt wird; nicht ausschlaggebend ist anderseits der Ausbruch der Krankheit, also der Beginn der gesundheitlichen Beeinträchtigung an sich, da, wie bereits ausgeführt, Krankheits- und Invaliditätsbegründung sich nicht in jedem Falle decken.
| 16 |
Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass die Beschwerden, die bei Burkard am 28. Juli 1973 auftraten, sogleich eine völlige Arbeitsunfähigkeit herbeiführten, dass die Beschwerden von einer bis heute noch nicht heilbaren Krankheit herrührten, ![]() | 17 |
18 | |
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es entspricht allgemeinen Grundsätzen des Versicherungsrechtes, dass alle während der Versicherungsdauer eintretenden Versicherungsfälle zu decken sind. Diese Regel wird durch Art. 48 BtG, auf den sich die EVK-Statuten stützen, in keiner Weise eingeschränkt; diese Vorschrift bestimmt allgemein, dass der Beamte gegen die wirtschaftlichen Folgen von Invalidität, Alter und Tod zu versichern ist. Dazu kommt, dass - auch nach Auffassung des Eidgenössischen Personalamtes - Witwen- und Waisenrenten geschuldet sind, wenn ein Versicherter während der Kündigungszeit stirbt. Es ist nicht einzusehen, aus welchen Gründen kassenrechtlich zwischen Tod und Invalidität ein Unterschied gemacht werden könnte. Ein Ausschluss von Kassenleistungen hätte zwangsläufig eine Versicherungslücke zur Folge, da sich der bei der EVK Versicherte bis zum Ende des Dienstverhältnisses vernünftigerweise nicht anderswo versichert und wohl auch nicht versichern könnte und er nach Auflösung des Dienstverhältnisses und eingetretener Invalidität wegen seines Gesundheitszustandes in keine ![]() | 19 |
Diese Ordnung gilt im übrigen ohne Einschränkung für die freiwillig Versicherten nach Art. 3 Abs. 2 der EVK-Statuten. Diese sind nicht mehr Beamte des Bundes, und ihr Dienstverhältnis kann deshalb nicht mehr von einer eidgenössischen Wahlbehörde aufgelöst werden. Es wäre unhaltbar, den Beamten, auch wenn er im gekündigten Dienstverhältnis steht, schlechter zu behandeln als den freiwillig Versicherten und bei jenem den Rentenbezug von einer Bedingung abhängig zu machen, die es für diesen nicht geben kann.
| 20 |
6. Dieses Auslegungsergebnis steht in Widerspruch zum Urteil BGE 89 I 143 ff. Damals entschied das Bundesgericht ausdrücklich, dass eine Rente wegen vorzeitiger Invalidität nur dann beansprucht werden könne, wenn das Dienstverhältnis aus diesem und nicht aus einem anderen Grunde aufgelöst werde, und dass kein Anspruch auf irgendwelche Kassenleistungen entstehe, wenn der Bedienstete auf eigenes Begehren vor Erreichen der Altersgrenze oder aus eigenem Verschulden ausscheide. Diese Ordnung trage den Schwierigkeiten Rechnung, auf welche die Beurteilung der Frage der Invalidität oft stosse (BGE 89 I 146). Das Bundesgericht hatte in jenem Falle ![]() | 21 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |