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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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75. Urteil vom 19. Dezember 1975 i.S. B. gegen Eidg. Steuerverwaltung | |
Regeste |
Warenumsatzsteuer: Haftung des ausgeschiedenen Teilhabers für Schulden der Kollektivgesellschaft (Art. 12 Abs. 4 WUStB; Art. 568, 576 ff. OR). |
2. Beschränkt der von einer Kollektivgesellschaft erlangte Nachlassvertrag auch die Haftung der Gesellschafter? Hat der Nachlassvertrag, den der das Geschäft nach Art. 579 OR Fortsetzende abschliesst, dieselbe Wirkung für den Ausgeschiedenen? Fragen offengelassen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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B ficht den Einspracheentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Er beantragt, es sei festzustellen, dass er für die im Entscheid bestätigte Forderung erst dann persönlich belangt werden könne, wenn die Voraussetzungen des Art. 568 Abs. 3 OR vorlägen, und dass sein Ausscheiden aus der Kollektivgesellschaft nicht als Auflösung im Sinne dieser Bestimmung gelte; eventuell sei festzustellen, dass die Forderung unter den Nachlassvertrag der Firma A falle und daher ihm gegenüber nur in der Höhe der Nachlassdividende von 30% geltend gemacht werden könne.
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Die EStV belangt den Beschwerdeführer als ehemaligen Teilhaber der Kollektivgesellschaft A & B auf Grund des Art. 12 WUStB und des Art. 568 OR für eine aus dem Warenumsatzsteuerbeschluss abgeleitete Forderung gegenüber der Gesellschaft. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass es sich um Gesellschaftsschulden handelt, und auch nicht, dass die in Frage stehenden Steueransprüche vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft entstanden sind. Er erhebt jedoch Einwendungen, die den Umfang seiner Haftung und den Beginn seiner Belangbarkeit betreffen. In erster Linie hält er dafür, dass hier zur Zeit noch keine der in Art. 568 Abs. 3 OR erwähnten Voraussetzungen der Belangbarkeit des Gesellschafters erfüllt sei. In zweiter Linie wendet er ein, die Forderung falle unter den Nachlassvertrag der Firma A und könne daher ihm gegenüber auf jeden Fall nur in der Höhe der Nachlassdividende von 30% geltend gemacht werden. Er stellt demgemäss ein Haupt- und ein Eventualbegehren. Es entspricht seinen Anträgen und ist angezeigt, dass vorab die Frage erörtert wird, ob er nach Art. 568 Abs. 3 OR schon jetzt belangt werden könne.
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2. a) Der Beschwerdeführer ist nicht in Konkurs geraten, und weder die Kollektivgesellschaft A & B noch der das Geschäft seit dem Ausscheiden des Mitgesellschafters fortsetzende Gesellschafter A sind erfolglos betrieben worden. Der Nachlassvertrag mit Dividende (Prozentvergleich), wie ihn A abgeschlossen hat, ist dem erfolglosen Ausgang einer Betreibung ![]() | 5 |
b) Art. 568 Abs. 3 OR sagt deutlich, dass der einzelne Gesellschafter "auch nach seinem Ausscheiden" erst dann persönlich für Gesellschaftsschulden belangt werden kann, wenn er selbst in Konkurs geraten oder wenn die Gesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben worden ist. Der ausscheidende Gesellschafter wird also nicht schon zufolge seines Austritts belangbar, sondern erst, wenn eine der in Art. 568 Abs. 3 OR genannten besonderen Voraussetzungen, zu denen die Auflösung der Gesellschaft gehört, erfüllt ist. Das Ausscheiden eines Gesellschafters gilt nicht als Auflösung im Sinne dieser Bestimmung (HARTMANN, N. 12 und 19 zu Art. 568 OR; SIEGWART, N. 18 zu Art. 568/569 OR). Trotz des Ausscheidens eines oder mehrerer Teilhaber kann die Gesellschaft fortgesetzt werden, wenn mindestens zwei Gesellschafter übriggeblieben sind. Eine solche Fortsetzung ist in den Fällen statthaft, die in den Art. 576-578 OR erwähnt sind. Nach Art. 576 kann sie durch Vereinbarung der Gesellschafter herbeigeführt werden. Art. 577 sieht vor, dass dann, wenn die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigen Gründen verlangt werden könnte und diese vorwiegend in der Person eines oder mehrerer Gesellschafter liegen, der Richter auf deren Ausschliessung erkennen kann, sofern alle übrigen Gesellschafter es beantragen. Fällt ein Gesellschafter in Konkurs oder verlangt einer seiner Gläubiger, der dessen Liquidationsanteil gepfändet hat, die Auflösung der Gesellschaft, so können nach Art. 578 die übrigen Gesellschafter ihn ausschliessen.
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c) Die Art. 576-578 OR sind ihrem Wortlaut nach auf Kollektivgesellschaften mit mehr als zwei Teilhabern zugeschnitten.
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Demnach erwirbt der das Geschäft gemäss Art. 579 OR Fortsetzende das Geschäftsvermögen nicht neu, sondern es verbleibt ihm, d.h. es geht ohne weiteres, durch Anwachsung, in sein Alleinvermögen über (BGE 75 I 275, 81 II 362; HARTMANN N. 7, SIEGWART N. 1 zu Art. 579 OR). Der ausgeschiedene zweite Gesellschafter wird nach denselben Grundsätzen abgefunden, die für das Ausscheiden aus einer fortbestehenden Gesellschaft gelten (Art. 580 OR). Aber auch seine Belangbarkeit ist an die gleichen Voraussetzungen geknüpft wie die des Gesellschafters, der aus einer von den übrigen Gesellschaftern ![]() | 9 |
d) Im vorliegenden Fall ist - offenbar auf Grund einer Vereinbarung - der eine Gesellschafter ausgeschieden und das Geschäft vom andern im Sinne des Art. 579 OR fortgesetzt worden. Der Ausgeschiedene ist nicht in Konkurs gefallen, und der Fortsetzende hat weder das Geschäft aufgegeben, noch ist er seinerseits in Konkurs geraten oder erfolglos betrieben worden. Der Ausgeschiedene kann daher nach Art. 568 Abs. 3 OR für die Gesellschaftsschulden bis auf weiteres nicht persönlich belangt werden. Das in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellte Hauptbegehren erweist sich somit als begründet.
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3. Nach Art. 303 SchKG verliert ein Gläubiger infolge eines Nachlassvertrages, dem er nicht zugestimmt hat, seine Rechte gegen Mitschuldner, Bürgen und Gewährspflichtige nicht. Die EStV hat dem von A, der das gesellschaftliche Unternehmen fortsetzt, abgeschlossenen Nachlassvertrag nicht zugestimmt. Indes nehmen verschiedene Autoren an, dass der von einer Kollektivgesellschaft erlangte Nachlassvertrag die Gesellschafter von ihrer Haftung über die Nachlassquote hinaus befreie (HARTMANN, N. 14 zu Art. 570 OR; SIEGWART, N. 24 zu Art. 568/569 OR; im gleichen Sinne JAEGER, der immerhin verlangt, dass der Nachlassvertrag mit allen Gesellschaftern abgeschlossen werden müsse, N. 1 zu Art. 293 SchKG). Das Bundesgericht hat in älteren Urteilen dieselbe Auffassung vertreten (BGE 32 II 478, BGE 37 I 160, BGE 45 II 301, BGE 48 III 247); doch hat es in einem neueren Entscheid offengelassen, ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden könne (BGE 62 III 133 f.). Die Frage braucht auch hier nicht geprüft zu werden. Die EStV bejaht sie zwar, macht aber unter Berufung auf SIEGWART (N. 24 zu Art. 568/569 OR) geltend, der nicht von der Gesellschaft, sondern vom Übernehmen ![]() | 11 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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