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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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18. Urteil vom 14. Juli 1976 i.S. Fernandez gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt | |
Regeste |
Fremdenpolizei: Widerruf der Zusicherung einer Aufenthaltsbewilligung. |
- Voraussetzungen für den Widerruf einer Aufenthaltsbewilligung oder Zusicherung; Bedeutung des Einzelfalles (E. 2-4). | |
Sachverhalt | |
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Die Fremdenpolizei hielt dafür, dass die Zusicherung aufgrund falscher Angaben erteilt worden sei, da die Gesuchstellerin ihre vier Kinder verschwiegen habe. Sie verfügte den Widerruf der Zusicherung und forderte Encarnacion Fernandez auf, die Schweiz zu verlassen. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hat eine gegen die Widerrufsverfügung gerichtete Beschwerde abgewiesen mit der Begründung, der Familiennachzug, der unter den gegebenen Umständen nicht ausgeschlossen werden könne, sei unerwünscht. Das Bundesgericht heisst die dagegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Regierungsrat und EJPD gehen in ihren Meinungen auseinander über die Frage, welche Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Beschwerde massgebend ist. Der Regierungsrat hält dafür, dass sich die Erteilung der Bewilligung trotz der vorgängigen Zusicherung nach Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 1 ANAG beurteile, dass den kantonalen Behörden also ein weites Ermessen zustehe. Das EJPD vertritt demgegenüber die Auffassung, es liege ein Widerruf einer Zusicherung vor, dessen Zulässigkeit sich nach Art. 9 Abs. 2 lit. a ANAG bestimme. Die Voraussetzungen für einen Widerruf seien erfüllt, da bei Einreichung des Gesuches entweder falsche Angaben ![]() | 4 |
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Entgegen der Ansicht des EJPD kann nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin die Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung erschlichen hat:
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Die Beschwerdeführerin war berechtigt, den Zivilstand anzugeben, der in ihrem Reisepass eingetragen war und ihrem Heimatrecht entsprach. Hätte sie ihren Zivilstand mit "geschieden" angegeben, so hätte die Angabe zwar den tatsächlichen Verhältnissen besser entsprochen, doch wäre ein Unterschied zum Passeintrag entstanden, und streng rechtlich wäre die Angabe nach spanischem Recht ungenau gewesen. Aus der Angabe ihres Zivilstandes mit "ledig" darf der Beschwerdeführerin deshalb kein Vorwurf gemacht werden.
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Es wäre ohne Zweifel erwünscht, im Hinblick auf allfälligen späteren Familiennachzug zu wissen, ob der Ausländer, der um eine fremdenpolizeiliche Bewilligung nachsucht, Kinder hat, auch wenn für diese keine Bewilligung verlangt wird. Es ist jedoch Sache der zuständigen Behörde, im Gesuchsformular die entsprechende Frage zu stellen. Unterlässt sie dies, kann der Gesuchsteller nicht wissen, dass die Beantwortung der Frage für die schweizerischen Behörden eine "wesentliche Tatsache" darstellt.
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Eine Frau kann Kinder haben, gleichgültig ob sie ledig, verheiratet, verwitwet oder geschieden ist. Aus der Angabe des Zivilstandes mit "ledig" durften die kantonalen Behörden nicht mit hinreichender Sicherheit schliessen, die Beschwerdeführerin habe keine Kinder. Es ist Aufgabe der Fremdenpolizei, nach den "wesentlichen Tatsachen" zu fragen. Unterlässt sie dies, so kann sie dem Gesuchsteller nicht vorwerfen, er habe durch falsche Angaben oder durch wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen die Aufenthaltsbewilligung erschlichen. Der Widerruf der fremdenpolizeilichen Bewilligung kann deshalb nicht auf Art. 9 Abs. 2 lit. a ANAG gestützt werden.
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4. a) Wie der Regierungsrat zutreffend festgestellt hat, kann eine zugesicherte Aufenthaltsbewilligung noch in weiteren ![]() | 10 |
Gemäss Art. 6 Abs. 2 ANAV kann der Ausländer vom Ausland aus ein Gesuch um Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung stellen, und auch der Arbeitgeber in der Schweiz kann ein solches Gesuch stellen. Nach der Einreise und der Anmeldung des Ausländers sind dann die Aufenthaltsverhältnisse zu regeln. Es ist zu entscheiden, ob eine Bewilligung erteilt wird und welcher Art diese sein soll. Dabei sind vor allem sofort die wirklichen Absichten des Ausländers hinsichtlich des Zweckes und der Dauer seines Aufenthaltes festzustellen (Art. 6 Abs. 1 ANAV).
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Aus dieser Bestimmung, deren Gesetzmässigkeit nicht angefochten ist, ergibt sich, dass die Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung keineswegs vorbehaltlos erfolgen kann; vielmehr haben die zuständigen Behörden das Recht und die Pflicht, durch Befragung des eingereisten Ausländers zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung erfüllt sind. Immerhin bedeutet die Nichterteilung der Bewilligung einen Widerruf einer amtlichen Zusage, die ähnlich wie der Widerruf einer erteilten Bewilligung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu beurteilen ist. Dies führt zu einer Einschränkung des Ermessens der kantonalen Behörden bei der Erteilung oder Verweigerung einer zugesicherten Aufenthaltsbewilligung. Ähnlich wie bei der Überprüfung des Widerrufs von Verwaltungsakten ist nach Treu und Glauben abzuwägen zwischen den Interessen des Gesuchstellers, dass sich die Behörde an die Zusicherung hält, und dem öffentlichen Interesse an der rechtsgleichen Erteilung fremdenpolizeilicher Bewilligungen. Bei dieser Interessenabwägung ist gegebenenfalls auch ein unbeabsichtigter Irrtum der Behörde in Betracht zu ziehen, wenn es sich im Lichte des wahren Sachverhaltes rechtfertigt, eine zugesicherte Bewilligung nicht zu erteilen, oder eine bereits erteilte Bewilligung zu widerrufen (BGE 98 Ib 250 f. E. 4b; BGE 93 I 395).
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In diesem Sinne berufen sich Regierungsrat und EJPD auf das Kreisschreiben der Eidgenössischen Fremdenpolizei vom 30. Juli 1975 zur Verordnung des Bundesrates vom 9. Juli 1975 über die Begrenzung der Zahl der erwerbstätigen Ausländer. In Ziffer 10.9 dieses Kreisschreibens werden die kantonalen Fremdenpolizeibehörden angewiesen, bei der Erteilung ![]() | 13 |
b) Die Anwendung dieser Grundsätze vermag aus zwei Gründen den Widerruf der der Beschwerdeführerin gegenüber abgegebenen Zusicherung nicht zu rechtfertigen. Zum einen war nicht zu entscheiden, ob die auf ein Jahr zugesicherte Aufenthaltsbewilligung nach Ablauf eines Jahres nach freiem Ermessen zu verlängern sei oder nicht; zu entscheiden war vielmehr, ob die zugesicherte Aufenthaltsbewilligung verweigert werden könne, weil die Beschwerdeführerin möglicherweise ![]() | 14 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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