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28. Urteil vom 31. März 1976 i.S. Stadt Zürich gegen Kanton Zürich und Eidg. Schätzungskommission 10. Kreis | |
Regeste |
Enteignung; Entschädigung für die Aufhebung von Dienstbarkeiten (Art. 23 Abs. 1 EntG). |
2. Entschädigungsanspruch des Dienstbarkeitsberechtigten bei Aufhebung oder Beschränkung einer Servitut (Art. 23 Abs. 1 EntG): |
a) Bewertung von Dienstbarkeiten. Gegenstand und Ausgestaltung des Anspruches nach Art. 23 Abs. 1 EntG; Abgrenzung gegenüber den Ansprüchen nach Art. 19 EntG (Erw. 2). |
b) Für den Wegfall von Vorteilen, die ausserhalb des eigentlichen Dienstbarkeitsinteresses liegen (z.B. Verlust der Möglichkeit, sich vom Eigentümer des belasteten Grundstückes den Verzicht auf die Servitut erkaufen zu lassen), hat der Enteigner nicht einzustehen (Erw. 3a). |
c) Welche Gegenleistung der Dienstbarkeitsberechtigte für den Erwerb der Servitut seinerzeit erbracht hat, ist für die Entschädigungsbemessung ohne Belang (Erw. 3b). |
d) Kann eine Gemeinde, die aus städteplanerischen Gründen eine in Privateigentum stehende Parzelle durch Erwerb einer entsprechenden Personalservitut mit einem Bauverbot belegt hat, für den Hinfall dieser Benutzungsbeschränkung infolge Enteignung des belasteten Grundstückes eine Entschädigung verlangen? Frage im konkreten Fall verneint (Erw. 3c). | |
Sachverhalt | |
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Die Stadt Zürich, welche durch die teilweise Enteignung der Parzelle insoweit mitbetroffen war, als die zu ihren Gunsten darauf lastende Nutzungsbeschränkung in bezug auf die vom Kanton in Anspruch genommene Fläche von Gesetzes wegen (Art. 91 Abs. 1 EntG) dahinfiel, verlangte hiefür im Schätzungsverfahren eine Entschädigung von Fr. 230.--/m2. Sie stellte sich auf den Standpunkt, der ihr zu ersetzende Wert der Servitut entspreche der Differenz zwischen dem Verkehrswert, den das in der Industriezone liegende Land ohne Belastung aufweisen würde (Fr. 250.--/m2), und jenem, den es wegen der darauf lastenden Dienstbarkeit tatsächlich aufweise (Fr. 20.-- /m2). Die Schätzungskommission wies dieses Entschädigungsbegehren ab. Die Stadt Zürich führt hiegegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde und hält an ihrer Forderung fest, - Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
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Erwägungen: | |
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Anders stellt sich die Frage nach der Bewertung von Dienstbarkeiten, wenn solche durch die Enteignung mittelbar oder unmittelbar aufgehoben werden. Auf diesen Fall bezieht sich die Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 EntG, wonach für "enteignete" Dienstbarkeiten - von einem hier keine Rolle spielenden Vorbehalt abgesehen (Schutz der Grundpfand- und Grundlastberechtigten vor nachträglicher Überbelastung des Grundstückes, Art. 21 Abs. 3 EntG) - dem Berechtigten der "ganze aus ihrer Beschränkung oder ihrem Erlöschen (Art. 91) entstehende Schaden" zu vergüten ist. - Durch eine Dienstbarkeit wird in der Regel der Verkehrswert des belasteten Grundstückes, je nach Inhalt der Servitut, mehr oder weniger beeinträchtigt. Nach den im Enteignungsrecht geltenden Grundsätzen wird dem Eigentümer eines dienstbarkeitsbelasteten Grundstückes bei dessen Enteignung nur jener Verkehrswert ersetzt, den das Grundstück bei Berücksichtigung ![]() | 6 |
3. Da der Bau einer Kläranlage auf dem streitigen Grundstück heute unbestrittenermassen nicht mehr in Frage kommt, hat die zugunsten der Stadt Zürich darauf lastende Servitut praktisch ein Bauverbot zum Inhalt. Eine derartige Nutzungsbeschränkung bildet in der Regel Gegenstand einer Grunddienstbarkeit; ein Privater, der nicht Nachbar des belasteten Grundstückes ist, wird an dessen Freihaltung kaum je ein eigenes sachliches Interesse haben. Dass die Stadt Zürich ein Bauverbot zum Gegenstand einer Personaldienstbarkeit ![]() | 7 |
a) Die Stadt Zürich begründet ihre Entschädigungsforderung vor allem damit, dass ihr infolge der Enteignung die Chance entgehe, vom Belasteten für den Verzicht auf die Dienstbarkeit eine Ablösungssumme zu erhalten, welche der Differenz zwischen dem Verkehrswert unbelasteten Industrielandes und jenem bauverbotsbelasteten Kulturlandes entsprechen würde. Die Beschwerdeführerin macht geltend, entgegen der Annahme der Schätzungskommission habe im vorliegenden Fall die Möglichkeit einer derartigen Vereinbarung konkret bestanden. Die bisherigen Eigentümer des belasteten Grundstückes hätten sich in den Jahren 1964-1968 nachgewiesenermassen um eine Ablösung der Servitut bemüht. Mit der Zuweisung des Landes in die Industriezone sei das Interesse an der Ablösung noch ausgeprägter geworden.
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Überlegungen dieser Art sind für die Entschädigungsbemessung unbeachtlich. Der Berechtigte hat nach Art. 23 Abs. 1 EntG bzw. Art. 736 ZGB Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm aus dem Dahinfallen der Dienstbarkeit entsteht, d.h. auf Schadloshaltung für seine Dienstbarkeitsinteressen. Für den Wegfall von Vorteilen, die ausserhalb des eigentlichen Dienstbarkeitsinteresses liegen, hat der Enteigner nicht einzustehen (vgl. LIVER, N. 181 zu Art. 736 ZGB). Welchen Betrag der Eigentümer des belasteten Grundstückes für eine freiwillige Ablösung der Servitut gegebenenfalls zu zahlen bereit gewesen wäre, kann daher auf die Bemessung der Entschädigung keinen Einfluss haben (BGE 73 II 36f., 27 II 139 E. 2). Massgebend ist einzig das vermögenswerte, sachbezogene Interesse, das der Dienstbarkeitsberechtigte am Fortbestand der Servitut hat.
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b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe das Grundstück im Jahre 1954 wegen der von ihr darauf errichteten Servitut zu einem Preis abgetreten (Fr. 10.--/m2), der erheblich unter dem damaligen Verkehrswert von unbelastetem Land in vergleichbarer Situation (Fr. 25.--/m2) gelegen habe. Sie habe somit der servitutarischen Belastung einen Geldwert beigemessen und die Baufreiheit gegen einen entsprechenden Preisnachlass nicht mitverkauft.
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Das mag zutreffen. Welche Gegenleistung für die Einräumung der Dienstbarkeit seinerzeit erbracht worden ist, ist für ![]() | 11 |
c) Es bleibt zu prüfen, ob und wieweit die Stadt Zürich an der Aufrechterhaltung des auf dem fraglichen Grundstück lastenden Bauverbotes ein vermögenswertes Interesse hat. Wie aus den Akten hervorgeht, erfolgte die Errichtung der Personaldienstbarkeit aus städteplanerischen Gründen. Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass es im Kanton Zürich früher (bis 1959) an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage gefehlt habe, um eigentliche Landwirtschafts- und Grünzonen zu schaffen. Die Stadt Zürich sei daher gezwungen gewesen, ihre planerischen Ziele durch Landkäufe zu verfolgen, um als Grundeigentümerin die unerwünschte Überbauung bestimmter Gebiete zu verhindern und namentlich zwischen den Stadtquartieren und den in baulicher Entwicklung stehenden Agglomerationsgemeinden einen Trenngürtel zu schaffen. Diesem Zweck habe auch der Erwerb von Land ausserhalb des Gemeindebannes in den unmittelbar an die Stadt angrenzenden Gebieten der Nachbargemeinden dienen können. Aus solchen planerischen Überlegungen habe die Stadt Zürich - die im fraglichen Gebiet noch zahlreiche andere, bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstücke besitze - im Jahre 1947 die streitige Parzelle Nr. 10735 erworben. Um den Gemeinden Dübendorf und Wallisellen den Landerwerb für eine Kläranlage zu erleichtern, habe die Stadt das Grundstück im Jahre 1954 abgetreten, unter gleichzeitiger Sicherung des Planungszweckes durch Errichtung einer Nutzungsbeschränkung. Wiewohl bereits im Zeitpunkt der Abtretung bekannt gewesen sei, dass die Kläranlage auf einem andern, benachbarten Terrain erstellt werden sollte und die Gemeinde Dübendorf die von der Stadt zur Verfügung gestellte Parzelle Nr. 10735 nur benötigte, um einem betroffenen Landwirtschaftsbetrieb Realersatz leisten zu können, habe man bei der Umschreibung der ![]() | 12 |
Dass die Stadt Zürich als Eigentümerin eines enteigneten Grundstückes gegebenenfalls genau gleich zu entschädigen wäre wie ein privater Grundeigentümer, steht ausser Zweifel. Im vorliegenden Fall handelt es sich indessen nicht um den Entzug von Grundeigentum, sondern um die Frage, ob und inwiefern die Stadt durch den teilweisen Hinfall einer zu ihren Gunsten auf einem Drittgrundstück bestehenden Bauverbotsservitut nach Massgabe von Art. 23 Abs. 1 EntG geschädigt ist. Ein geldwerter Schaden läge namentlich dann vor, wenn die betreffende Nutzungsbeschränkung als Grunddienstbarkeit ausgestaltet, d.h. wenn die Bauverbotsservitut zugunsten eines benachbarten Grundstückes errichtet worden wäre, um diesem im Hinblick auf seine Überbauung oder Erschliessung gewisse Vorteile zu sichern. Die fragliche Servitut ist indessen als Personaldienstbarkeit ausgestaltet; sie ist als solche, da nichts Gegenteiliges vereinbart wurde, unübertragbar (Art. 781 Abs. 2 ZGB) und kann daher nicht Handelsobjekt bilden. Dass die Möglichkeit, sich vom Eigentümer des belasteten Grundstückes den Verzicht auf die Servitut erkaufen zu lassen, kein zu entschädigendes Dienstbarkeitsinteresse darstellt, wurde bereits ausgeführt. Hätte die Gemeinde Dübendorf das belastete Grundstück - entsprechend den von der Stadt Zürich bei Begründung der Dienstbarkeit verfolgten planerischen Absichten - in eine Bauverbotszone eingewiesen, so wäre die Möglichkeit des Erhaltes einer Ablösungssumme praktisch ebenfalls entfallen, ohne dass die Dienstbarkeitsberechtigte hiefür einen Entschädigungsanspruch hätte geltend machen können.
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