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Informationen zum Dokument  BGE 102 Ib 193  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. In rechtlicher Hinsicht betrachtete die Vorinstanz die Geschwi ...
3. a) Er macht jedoch geltend, die Vorinstanz habe sich zu Unrech ...
4. Die Vorinstanz ist der Ansicht, W. habe den Verkehr in schwere ...
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31. Auszug aus dem Urteil vom 15. September 1976 i.S. W. gegen Regierungsrat des Kantons Zug
 
 
Regeste
 
Führerausweisentzug.  
2. Verhältnis zwischen Art. 16 und 90 SVG (E. 3d).  
3. Die Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG durch den Strafrichter verpflichtet die Administrativbehörde nicht, ihre Massnahme auf Art. 16 Abs. 2 SVG zu stützen (E. 3 und 4).  
 
Sachverhalt
 
BGE 102 Ib, 193 (194)Am 14. April 1972 fuhr W. mit einer Geschwindigkeit von 140-160 km/h auf der Sihltalstrasse in Adliswil. Diese Strasse ist als Umfahrungsstrasse ausgebaut und weist eine Spur für jede Fahrtrichtung auf. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung galt zu jenem Zeitpunkt weder generell noch war eine solche auf dieser Strasse speziell signalisiert.
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Als W. nach seinen Angaben ca. 150 m von der im spitzen Winkel einmündenden Albisrampe entfernt war, sah er den von F. gesteuerten Personenwagen auf dieser Rampe in die Sihltalstrasse einbiegen.
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W. versuchte, F. durch Hupsignale zur Freigabe seiner Fahrspur zu bewegen. Dieser hielt sich in der Folge stark an die rechte Strassenseite, was W. ermöglichte, ihn ohne Überfahren der Sicherheitslinie zu überholen. Beim Überholmanöver hatte W. nur einen sehr kleinen Abstand zum Fahrzeug von F. Dieser schwenkte darum nach rechts aus, geriet über den Strassenrand hinaus und kollidierte mit einem Beleuchtungskandelaber.
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Das Bezirksgericht Horgen verurteilte W. am 2. November 1973 wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 32 Abs. 1, 34 Abs. 4 und 35 Abs. 3 SVG) in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG zu 14 Tagen Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug, Probezeit vier Jahre.
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Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte zwar am 21. März 1974 im wesentlichen die Sachverhaltsfeststellung des erstinstanzlichen Urteils, sprach W. jedoch nur wegen einfacher Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig und reduzierte die Strafe auf eine Busse von Fr. 500.--. Bereits am 23. Mai 1972 hatte die Justiz- und Polizeidirektion des Kantons Zug W. den Führerausweis für die Dauer von fünf Monaten entzogen. Gegen diesen Entscheid führte W. Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Zug. Dieser wies die Beschwerde am 13. April 1976 ab und stützte den Führerausweisentzug ausdrücklich auf Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG.
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W. beantragt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, es sei der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zug aufzuheben BGE 102 Ib, 193 (195)und die Dauer des Führerausweisentzuges auf einen Monat zu beschränken.
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Aus den Erwägungen:
 
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Die Vorinstanz macht W. ferner den Vorwurf, sein Abstand zum Fahrzeug F. sei beim Überholen ungenügend gewesen (Art. 34 Abs. 4 SVG) und er habe es an der besonderen Rücksichtnahme gegenüber dem Lenker des zu überholenden Fahrzeuges fehlen lassen (Art. 35 Abs. 3 SVG). Da W. erwiesenermassen F. zur Freigabe der Fahrbahn drängte und beim Überholen einen sehr kleinen seitlichen Abstand zu diesem hielt, ist dieser Vorwurf gerechtfertigt. Die Fahrweise von W. ist selbst dann zu beanstanden, wenn angenommen wird, F. sei unter Missachtung des Vortrittsrechtes auf die Fahrbahn eingeschwenkt. Der Beschwerdeführer hätte nämlich seinen Vortritt nicht unbekümmert um andere Strassenbenützer ausüben dürfen, sondern wäre verpflichtet gewesen, auf ein allfälliges fehlerhaftes Verhalten eines Vortrittsbelasteten Rücksicht zu nehmen, zumal da dieser auf 150 m sichtbar war. Dass dies möglich gewesen wäre, hat die Vorinstanz überzeugend nachgewiesen. Sie kam nämlich zum Schluss, dass W. eine genügend grosse Distanz zur Verfügung gestanden hat, um sein Tempo so stark zu reduzieren, dass er nicht mehr hätte überholen müssen. (Nach den Berechnungen der Vorinstanz hat W. das Fahrzeug von F., das sich ebenfalls in Fahrt befand, ca. 250 m nachdem er es erblickt hatte, eingeholt. Auf dieser Strecke hätte W. nach diesen Berechnungen sein Fahrzeug sogar zum Stillstand bringen können.) Der Beschwerdeführer bestreitet auch diese Verkehrsregelverletzung nicht mehr grundsätzlich.
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BGE 102 Ib, 193 (196)3. a) Er macht jedoch geltend, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht über die Tatsache hinweggesetzt, dass seine Fahrweise vom Obergericht des Kantons Zürich als einfache Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 1 SVG qualifiziert worden sei. Bei dieser Lage habe der Regierungsrat den Führerausweis nicht unter Annahme einer schweren Gefährdung des Verkehrs, gestützt auf Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG entziehen dürfen. Eine solche Abweichung von der rechtlichen Würdigung des Strafrichters sei unzulässig.
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b) Die Tatbestandsumschreibungen für den Führerausweisentzug und die strafrechtliche Sanktion stimmen nicht überein. Es bestehen aber gewisse Parallelen zwischen Art. 16 Abs. 2 und 90 Ziff. 1 SVG einerseits, Art. 16 Abs. 3 lit. a und Art. 90 Ziff. 2 SVG andererseits (BGE 101 Ib 273). Insbesondere sind die Formulierungen "... wenn der Führer den Verkehr in schwerer Weise gefährdet hat" (Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG) und "Wer ... eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft ..." (Art. 90 Ziff. 2 SVG) ähnlich. Es stellt sich darum die Frage, ob sich die Administrativbehörde in der Beurteilung der Schwere der Verkehrsgefährdung vom Erkenntnis des Strafrichters entfernen darf.
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c) Der Entscheid über die Schwere einer Verkehrsgefährdung ist eine Frage der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes. Ob darin eine Bindung der Administrativbehörden an das Strafurteil bestehe, sofern dieses in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig ist, wurde vom Bundesgericht in BGE 96 I 775 zunächst offen gelassen. Im nicht publizierten Entscheid vom 9. April 1976 i.S. Grosjean führt das Bundesgericht nun aus, in reinen Rechtsfragen sei die Verwaltungsbehörde nicht an die Beurteilung durch den Strafrichter gebunden, denn sonst würde die Verwaltung in ihrer freien Rechtsanwendung beschränkt. Eine andere Lösung ist nach diesem Entscheid höchstens gerechtfertigt, wenn die rechtliche Würdigung eines Falles sehr stark von der Würdigung von Tatsachen abhängt, die der Strafrichter besser kennt als die Verwaltungsbehörde.
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Eine solch enge Verknüpfung von Sachverhaltsfeststellung und Rechtsanwendung liegt im zu beurteilenden Fall nicht vor. Somit ist die Verwaltungsbehörde in ihrer rechtlichen Qualifikation des Verhaltens von W. schon aus diesem Grund frei.
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d) In Art. 90 Ziff. 2 SVG ist die schwere Gefährdung des BGE 102 Ib, 193 (197)Verkehrs nicht das einzige Tatbestandselement; diese Gefährdung muss zusätzlich durch eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln eingetreten sein. Diese Bestimmung legt damit ein Schwergewicht auf das Verschulden des Fahrzeuglenkers und verlangt eine Würdigung eines Sachverhaltes unter einem subjektiven Gesichtspunkt. Die nach Art. 90 SVG verhängte Sanktion ist dementsprechend eine besonders dem subjektiven Verschulden angemessene Strafe.
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Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG hingegen stellt mehr auf die objektive Gefährdung des Verkehrs ab. Die auf Grund dieser Bestimmung ausgesprochene Sanktion ist denn auch eine sichernde oder warnende Massnahme und nicht eine Strafe (nicht veröffentlichte Urteile Détraz vom 21. Dezember 1973, E. 2 und Stäheli vom 5. November 1973, E. 2a).
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Da Art. 16 Abs. 3 lit. a und 90 Ziff. 2 SVG neben ihrer Ähnlichkeit somit einen wesentlichen Unterschied aufweisen, kann die Verwaltungsbehörde auch aus diesem Grund nicht an die rechtliche Würdigung des Strafrichters gebunden sein. Der Regierungsrat des Kantons Zug durfte daher den Führerausweis auf Grund von Art. 16 Abs. 3 lit. a entziehen, auch wenn das Obergericht des Kantons Zürich die Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG abgelehnt hatte.
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Das Überholmanöver des Beschwerdeführers war in der Tat sehr riskant: Sein Tempo war übersetzt; er drängte F. auf die Seite und hielt, als er an diesem vorbeifuhr, rücksichtslos einen zu kleinen seitlichen Abstand ein.
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Es ist schwer verständlich, wie das Obergericht des Kantons Zürich zum Schluss kommen konnte, W. habe sich durch sein "riskantes Manöver in erster Linie selbst" gefährdet. Bei einem Überholvorgang ist eine Selbstgefährdung fast immer mit einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer verbunden. Das trifft im vorliegenden Fall in hohem Masse zu, denn F. wurde beträchtlich gefährdet. Selbst wenn dieser, durch das Überholmanöver überrascht, sich selber nicht ganz richtig verhalten haben sollte, vermindert dies die Gefahr, die mit der Fahrweise von W. verbunden war, nicht.
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Der Regierungsrat des Kantons Zug hat somit zu Recht entschieden, W. habe den Verkehr im Sinne von Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG in schwerer Weise gefährdet. Bei dieser Lage BGE 102 Ib, 193 (198)ist der Entzug des Führerausweises obligatorisch. Die Entzugsdauer von fünf Monaten liegt in Anbetracht der Schwere der Gefährdung und der Tatsache, dass W. schon im Jahr 1969 der Führerausweis wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand für die Dauer von vier Monaten entzogen wurde, im Ermessensspielraum der Vorinstanz.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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