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33. Urteil vom 9. April 1976 i.S. Firma Hofmann AG gegen Gemeinderat Littau und Regierungsrat des Kantons Luzern | |
Regeste |
Gewässerschutz; Ölunfall; Verteilung der Kosten der Feststellung und Behebung einer Grundwasserverunreinigung, wenn mehrere Störer beteiligt sind. |
Begriff des Verhaltens- und des Zustandstörers (E. 3). |
Grundsätze der Störerauswahl bei Haftungskonkurrenz (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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Wegen dieses Ölunfalls wurde gegen den verantwortlichen Equipenchef der Firma, die am 5. Dezember 1972 die letzte Tankrevision durchgeführt hatte, ein Strafverfahren eingeleitet. Das Amtsgericht Luzern-Land verurteilte ihn wegen fahrlässiger Trinkwasserverschmutzung zu einer Busse von Fr. 500.--, und das Obergericht des Kantons Luzern bestätigte das Urteil. Der Verurteilte hat beim Bundesgericht eine Kassationsbeschwerde und eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht.
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Am 24. Juni 1974 verfügte der Gemeinderat Littau, die Kosten für die Feststellung und Behebung der Grundwasserverunreinigung infolge des Ölunfalls und alle weiteren daraus sich ergebenden Kosten seien in Art. 8 GSchG der Firma Hofmann zu belasten, und es wurde dieser Firma eine Frist von 30 Tagen angesetzt zur Bezahlung der bisher aufgelaufenen Kosten von Fr. 319'017.90. Das Forderungsrecht für weitere Kosten, insbesondere auch für den Fremdwasserbezug, wurde ausdrücklich vorbehalten.
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Der Regierungsrat des Kantons Luzern hiess eine von der Firma Hofmann gegen die Verfügung des Gemeinderates Littau eingereichte Verwaltungsbeschwerde teilweise gut. Er stellte fest, die Kosten des Fremdwasserbezuges beträfen nicht ![]() | 4 |
Die Firma Hofmann hat beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Hauptantrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides.
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Der Gemeinderat Littau und der Regierungsrat des Kantons Luzern beantragen Abweisung der Beschwerde, während das Eidgenössische Departement des Innern auf einen förmlichen Antrag verzichtet hat.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Durch den angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat in Anwendung von Art. 8 GSchG Kosten von Sicherungsmassnahmen der beschwerdeführenden Firma Hofmann überbunden. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird bestritten, dass nach den konkreten Umständen die Zahlungspflicht gemäss Art. 8 GSchG die Beschwerdeführerin treffe. Subsidiär wird die Berechnung der Kosten der Sicherungsmassnahmen beanstandet.
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Es ist somit davon auszugehen, dass als Verursacher im Sinne von Art. 8 GSchG alle nach Doktrin und Praxis als Störer für eine Gefahr oder Störung Verantwortlichen in Frage kommen. Sind für die Gewässerverschmutzung oder Verschmutzungsgefahr mehrere Personen verantwortlich, so ist das sich dabei ergebende Konkurrenzproblem unter Berücksichtigung des Umstandes zu prüfen, dass nicht über die Pflicht zur effektiven Gefahrenabwehr, sondern über die blosse Kostentragungspflicht zu entscheiden ist.
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Nach allgemeiner Auffassung ist die polizeirechtliche Haftung durch ein zusätzliches Kriterium einzuschränken: In der deutschen Lehre und Rechtsprechung wird vielfach die Unmittelbarkeit der Verursachung als haftungsbegrenzendes Erfordernis bezeichnet. Danach kommen als polizeirechtlich erhebliche Ursachen nur solche Handlungen in Betracht, die bereits selbst die Grenze zur Gefahr überschritten haben. Nur derjenige ![]() | 12 |
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b) Nach dem angefochtenen Entscheid des Regierungsrates soll die Beschwerdeführerin auch als Verhaltensstörerin haftbar sein, weil die Anlage ungenügend kontrolliert bzw. unterhalten worden sei.
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Aus den Akten ergeben sich einige Hinweise, die vermuten lassen, dass die Gefahr von Leckschäden möglicherweise für die zuständigen Angestellten der Beschwerdeführerin erkennbar war und nicht nur durch eine fachmännische Tankrevision festgestellt werden konnte. Der Vorwurf der Verhaltensstörungen durch fahrlässige oder vorsätzliche Unterlassung wird im Entscheid des Regierungsrates nicht näher begründet. Um das Ausmass der Verantwortung der Beschwerdeführerin festzulegen, muss jedoch abgeklärt werden, ob die Gefahr von Ölverlusten - etwa wegen des Zustandes sichtbarer Leitungen (starker Rost) oder wegen des Auftretens von Wasser im Heizöl - erkannt wurde oder hätte erkannt werden sollen.
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c) Ausser der Beschwerdeführerin als Zustands- und eventuell als Verhaltensstörerin kommt - nach dem bisherigen Ergebnis des Strafverfahrens - als weiterer Störer Ernst Hofer in Frage, der als Equipenchef der Firma Forster am 5. Dezember 1972 eine Tankrevision der Anlage durchführte und dem zur Last gelegt wird, er habe wegen ungenügender ![]() | 16 |
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Der angefochtene Entscheid beruht auf der Auffassung, dass bei einer Mehrheit von Störern die Behörde sich zwar nicht nach freier Wahl an irgendeinen Verantwortlichen halten könne (in diesem Sinne BGE 94 I 411 E. 5d), aber doch die Möglichkeit habe, nach pflichtgemässem Ermessen einen der Störer mit der vollen Zahlungspflicht zu belasten und ihm die Auseinandersetzung mit andern Verantwortlichen zu überlassen (ähnlich RR Aargau in ZBl 1976 S. 34 f.).
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b) URS GUENG hat in kritischer Auseinandersetzung mit BGE 94 I 411 Regeln über die Störerauswahl bei Haftungskonkurrenz zu entwickeln versucht ("Zur Haftungskonkurrenz im Polizeirecht" in ZBl 1973 S. 257 ff. insbesondere 270 f.). Er hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die zivilrechtliche Haftungssolidarität dem Geschädigten für einen möglichst umfassenden Ausgleich der erlittenen Einbusse Gewähr bieten wolle, während im Polizeirecht für die Lösung der Konkurrenzfrage nicht die möglichst einfache und rasche Deckung finanzieller Ansprüche des Gemeinwesens ausschlaggebend sein könne. Ob die von Gueng in Anlehnung an die deutsche Lehre entwickelten Auswahlregeln den praktischen Erfordernissen genügen, wenn es darum geht, den zur Behebung der Störung Verpflichteten rasch zu bestimmen, kann hier offen bleiben. Auf jeden Fall verdient die von Gueng vorgebrachte Kritik der bisherigen Praxis Beachtung, soweit sie sich auf die Verteilung der Kosten einer antizipierten Ersatzvornahme bezieht.
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c) Im vorliegenden Fall haben Gemeinderat und Regierungsrat es unterlassen, die möglichen Verursachungsanteile genauer abzuklären und eine gerechte Aufteilung der Kostenpflicht zwischen den festgestellten Verursachern vorzunehmen. Eine solche Bestimmung der Verursachungsquoten mag in manchen Fällen recht schwierig sein. Es besteht aber kein Grund, die zuständige Behörde von dieser Aufgabe zu entlasten und die schematische Überwälzung der Kosten auf einen einzelnen von mehreren Verursachern zu gestatten. Art. 8 GSchG schafft keine solche "Solidarhaft" unter verschiedenen Verursachern. Aus dieser Bestimmung kann auch nicht das Recht abgeleitet werden, die bis zur Eruierung weiterer Verursacher aufgelaufenen Kosten von Abwehrmassnahmen dem zuerst bekannten Zustandsstörer - dem Eigentümer der mangelhaften Anlage - zu überbinden und allfällige weitere Verursacher erst zur Tragung später entstehender Kosten zu verpflichten, wie der Gemeinderat Littau dies offenbar vorgesehen hat. Die Kosten von Massnahmen sind vielmehr nach möglichst genauer Abklärung des Hergangs auf die verschiedenen Verursacher nach analogen Grundsätzen zu verteilen, ![]() | 21 |
Indem der Regierungsrat die Beschwerdeführerin allein zur Zahlung des vollen Betrages der bis zum Tag der erstinstanzlichen Verfügung aufgelaufenen Kosten verpflichtete, obschon zumindest die mangelhafte Tankrevision als weitere, nicht von der Beschwerdeführerin zu vertretende Ursache in Frage kommt, hat er Art. 8 GSchG verletzt. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben, und die Akten sind zu neuer Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Art. 8 GSchG erlaubt nicht ein den Staat oder die Gemeinde begünstigendes summarisches Verfahren, sondern verlangt eine differenzierte Feststellung der Verursachungsanteile.
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Es dürfte angezeigt sein, die beanstandeten Positionen der Kostenrechnung vor Erlass einer neuen Verfügung gemäss Art. 8 GSchG in einer mündlichen Verhandlung unter Beizug von Fachleuten zu klären. Die zum Teil recht pauschale Rechnungsstellung legt dieses Vorgehen nahe.
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