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38. Urteil vom 14. Juli 1976 i.S. Hans Giger AG gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement und Abteilung für Landwirtschaft | |
Regeste |
Formelle Rechtsverweigerung |
Eine Behörde begeht eine formelle Rechtsverweigerung, wenn sie nicht neu entscheidet, nachdem die Beschwerdeinstanz die Beschwerde gutgeheissen und die Akten zu weiteren Abklärungen zurückgewiesen hat; Anforderungen an die Begründung der Verfügung (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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"Ihr Einwand bezüglich der Erledigung der Verwaltungsbeschwerde vom 15. Oktober 1974 betrifft nicht unsere Abteilung, sondern das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement, weshalb wir seinem Generalsekretariat eine Kopie des vorliegenden Schreibens zustellen. Wir haben jedenfalls den uns durch den Beschwerdeentscheid des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes vom 23. Mai 1975 erteilten Weisungen nachgelebt."
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Im Anschluss an diese Stellungnahme liess das Generalsekretariat EVD den Anwalt der Hans Giger AG mit Schreiben vom 18. August 1975 wissen:
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"Wir bestätigen den Empfang Ihres Schreibens vom 11. August 1975.
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Inzwischen ist uns auch eine Kopie der Antwort zugekommen, welche die Abteilung für Landwirtschaft unter dem gleichen Datum an Ihre Klientschaft direkt gerichtet hat. Darin werden die Kontingentsfestsetzungen vom 14. Juli 1975 für Rindsnierstücke und vom 15. Juli 1975 für Bindenstotzen bzw. zugeschnittene Binden als rekursfähige Verfügungen bezeichnet. Zudem sind die Schlussfolgerungen enthalten, die die Vorinstanz aus der vom Eidg. Volkswirtschaftsdepartement in seinem Entscheid vom 23. Mai 1975 angeordneten Überprüfung der Verhältnisse gezogen hat.
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Ein zusätzlicher Entscheid in dieser Sache ist daher weder vom Departement noch von der Vorinstanz zu erwarten."
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Die Hans Giger AG hat beim Bundesgericht eine gegen das EVD und die ALw gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung eingereicht, mit der Begründung, dass ihr eine abschliessende Beurteilung der Verwaltungsbeschwerde vom 15. Oktober 1974 ausdrücklich verweigert worden sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Nach Art. 8 der Verordnung über den Schlachtviehmarkt und die Fleischversorgung (Schlachtviehordnung) vom 27. September 1971 (SVO) in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 SVO erteilt die ALw die Einfuhrbewilligungen für Binden und Bindenstotzen sowie für Rindsnierstücke. An dieser Zuständigkeitsordnung hat der Beschwerdeentscheid vom 23. Mai 1975 nichts geändert, denn das EVD entschied in vollem Umfang über die Beschwerde, teilweise durch Abweisung, teilweise durch Gutheissung und Rückweisung der Akten an die ALw zu weiterer Abklärung. Das Departement behielt sich, soweit es die Beschwerde guthiess, keineswegs den Entscheid über die von der Beschwerdeführerin gestellten Begehren vor, sondern wies die ALw an, aus der Neuüberprüfung der Verhältnisse allfällig sich ergebende Änderungen auf den Zeitpunkt der allgemeinen neuen Kontingentszuteilung hin vorzunehmen. Die ALw, nicht das EVD, hätte somit in der Folge verfügen müssen, ob sich auf Grund der Abklärungen eine Änderung der der Beschwerdeführerin am 12. September 1974 zugewiesenen Kontingente ergebe. Nach seinem Entscheid vom 23. Mai 1975 war das EVD entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin mit der Sache nicht mehr befasst und deshalb für eine solche Verfügung nicht zuständig. Erst durch Beschwerde gegen eine nach Durchführung der Abklärungen getroffene neue Verfügung der ALw wäre die Sache wiederum beim EVD hängig geworden. Unter diesen Umständen konnte ![]() | 11 |
c) Für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die ALw richtet, beruft sich die Beschwerdeführerin auf Art. 47 Abs. 2 und 3 VwVG, der direkt oder analog anzuwenden sei. Nach dieser Bestimmung kann der Beschwerdeführer, wenn eine nicht endgültig entscheidende Beschwerdeinstanz im Einzelfalle eine Weisung erteilt, dass oder wie eine Vorinstanz verfügen soll, deren Verfügung unmittelbar an die nächsthöhere Beschwerdeinstanz weiterziehen; als solche gilt auch das Bundesgericht. Weisungen, die eine Beschwerdeinstanz erteilt, wenn sie in der Sache entscheidet und diese an die Vorinstanz zurückweist, gelten nicht als Weisungen im vorerwähnten Sinne (Art. 47 Abs. 4 VwVG).
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Die Beschwerdeführerin führt nicht aus, inwiefern das EVD der ALw die Weisung erteilt haben soll, keinen Entscheid zu fällen. Eine derartige Weisung könnte allenfalls darin erblickt werden, dass das EVD in seinem Beschwerdeentscheid vom 23. Mai 1975 ausführte, eine rückwirkende Abänderung der Kontingente könnte schon aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit nicht in Betracht kommen, und entschied, soweit sich aus der Rückweisung der Akten an die Vorinstanz und aus der Neuüberprüfung der Verhältnisse eine Änderung ergebe, sei diese auf den Zeitpunkt der allgemeinen neuen Kontingentszuteilung vorzunehmen. Da es sich jedoch dabei um eine Weisung nach Abs. 4 und nicht nach Abs. 2 von Art. 47 VwVG handeln würde, wäre ein Sprungrekurs nicht zulässig. Auch aus dem Schreiben des EVD an den Anwalt der Beschwerdeführerin vom 18. August 1975 ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 47 Abs. 2 VwVG nichts abzuleiten. Darin wird lediglich gesagt, im Antwortschreiben der ALw seien die Schlussfolgerungen enthalten, die diese aus der im Entscheid vom 23. Mai 1975 angeordneten Überprüfung der Verhältnisse gezogen habe; ein zusätzlicher Entscheid in der Sache sei daher weder vom EVD noch von der ALw zu erwarten. Die blosse Meinungsübereinstimmung der beiden ![]() | 13 |
d) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde setzt nach Art. 103 lit. a OG voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat oder, im Falle von Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, ein schutzwürdiges Interesse am Erlass einer Verfügung. Obwohl die Kontingentsperiode 1974/75 bereits abgelaufen ist, kann ein aktuelles Interesse der Beschwerdeführerin an der Prüfung der von ihr aufgeworfenen Fragen nicht bestritten werden; andernfalls hätte die Verwaltung die Möglichkeit, eine wirksame Überprüfung ihrer Tätigkeit durch Zuwarten auszuschliessen. Entsprechend lässt Art. 106 Abs. 2 OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung jederzeit zu. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten; es ist zu prüfen, ob die ALw der Beschwerdeführerin das Recht verweigert hat.
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2. a) In materieller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe in ihrer Verwaltungsbeschwerde vom 15. Oktober 1974 eine Erhöhung ihrer Kontingente für Binden und Bindenstotzen sowie für Rindsnierstücke für die Zeit ab 8. Juli 1974 verlangt, mit der Begründung, dass die Kontingentsberechtigung anderen Firmen zu Unrecht zuerkannt worden ![]() | 15 |
Das EVD ist der Auffassung, die Verwaltungsbeschwerde vom 15. Oktober 1974 sei durch seinen Entscheid vom 23. Mai 1975 einerseits, durch die neuen Kontingentsfestsetzungen der ALw vom 14. und 15. Juli 1975 in Verbindung mit deren Schreiben vom 11. August 1975 erledigt worden. Dieses Schreiben enthalte im Rahmen der Geheimhaltungspflicht die Begründung zu den neuen Kontingentsfestsetzungen, die von der Beschwerdeführerin am 9. September 1975 wiederum mit Verwaltungsbeschwerde angefochten worden seien.
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b) Eine formelle Rechtsverweigerung begeht die in der Sache zuständige Behörde, wenn sie ein bei ihr gestelltes Gesuch nicht an die Hand nimmt und behandelt (BGE 87 I 246 ![]() | 17 |
c) Aus den Akten ergibt sich eindeutig, dass über das von der Beschwerdeführerin in ihrer Verwaltungsbeschwerde vom 15. Oktober 1974 gestellte Begehren auf Erhöhung ihrer Einfuhrkontingente für Binden und Bindenstotzen sowie Rindsnierstücke bis heute nicht entschieden worden ist, insoweit das EVD die Beschwerde guthiess und die Akten zu weiterer Abklärung an die ALw zurückwies. Entgegen der Auffassung des EVD wurde ein Entscheid über das Beschwerdebegehren weder durch den Beschwerdeentscheid einerseits, noch durch die Kontingentsfestsetzungen für 1975/76 in Verbindung mit dem Schreiben der ALw vom 11. August 1975 anderseits gefällt. Das EVD befand in seinem Entscheid vom 23. Mai 1975 das Begehren nur insoweit für unbegründet, als es die Beschwerde abwies, nicht aber insoweit, als es diese guthiess. In diesem Umfang konnte des Departement keinen Entscheid in der Sache fällen, da die Akten unvollständig waren. Die Gutheissung der Beschwerde, verbunden mit der Rückweisung der Akten zur Vornahme weiterer Abklärungen verlangte somit eine neue Verfügung der ALw über die der Beschwerdeführerin ![]() | 18 |
Wie ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin ohne Zweifel ein schutzwürdiges Interesse am Erlass einer derartigen, gesetzeskonformen Verfügung, selbst wenn die in Frage stehende Kontingentsperiode bereits abgelaufen ist. Für die Berechnung der Einzelkontingente ist gemäss Art. 22 Abs. 1 SVO auf die Kontingentsgrundlagen des vorausgegangenen Kalenderjahres abzustellen, so dass sich eine höhere oder niedrigere Kontingentszuweisung im Vorjahr auf die Ermittlung des Kontingentes für die folgenden Jahre auswirkt. Dementsprechend hat die Beschwerdeführerin die Kontingentszuteilungen nicht nur für 1974/75, sondern auch für 1975/76 mit Verwaltungsbeschwerde angefochten. Entgegen der Auffassung des EVD sind Änderungen, die sich aus einer Neuüberprüfung der Verhältnisse ergeben, nicht erst auf den Zeitpunkt der allgemeinen neuen Kontingentszuteilung, sondern bereits mit Wirkung auf die angefochtene Kontingentszuteilung vorzunehmen. Jede Beschwerde gegen ein von der ALw einmal zugewiesenes Kontingent wäre sonst von vornherein sinnlos. Von der öffentlichen Verwaltung muss im übrigen erwartet werden, dass sie eine notwendige Überprüfung der Verhältnisse beförderlich an die Hand nimmt und ihren Entscheid so rasch als nur möglich fällt, jedenfalls noch vor Ablauf der Kontingentsperiode. Zu der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage, ob und in welcher Weise bei Erhöhung des ursprünglichen ![]() | 19 |
Nachdem die Abklärungen durchgeführt sind, die das EVD in seinem Beschwerdeentscheid verlangt hat, steht einer neuen Verfügung der ALw über das Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin nichts mehr im Wege. Indem sie diese Verfügung bisher nicht oder nicht in der gesetzlich geforderten Form erlassen hat und offensichtlich zu erlassen nicht bereit ist, macht sie sich der Beschwerdeführerin gegenüber einer formellen Rechtsverweigerung schuldig. Sie ist deshalb anzuweisen, nunmehr ohne Verzug zu verfügen. Die Verfügung wird - im Unterschied zum Schreiben vom 11. August 1975 - den Anforderungen von Art. 35 Abs. 1 VwVG Rechnung tragen müssen. In analoger Anwendung der Grundsätze von Art. 26 VwVG wird es der Verwaltung auch ohne Verletzung des Amtsgeheimnisses möglich sein, die Verfügung so zu begründen, dass die Beschwerdeführerin ihr die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen entnehmen kann.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit auf sie einzutreten ist. Die Abteilung für Landwirtschaft wird angewiesen, unverzüglich über die von der Beschwerdeführerin in ihrer Verwaltungsbeschwerde vom 15. Oktober 1974 gestellten Begehren zu verfügen, soweit die Akten durch den Beschwerdeentscheid des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements an sie zurückgewiesen wurden.
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