![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
52. Urteil vom 15. Oktober 1976 i.S. Schmidt gegen Schweizerische Bundesbahnen | |
Regeste |
Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage. | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
Der vorbestrafte Schmidli wurde in der Folge wegen dieses Betruges und anderer Delikte zu einer unbedingten Zuchthausstrafe von zwölf Monaten verurteilt; der Geldbetrag konnte nicht mehr beigebracht werden.
| 2 |
Karl Schmidt hat beim Bundesgericht verwaltungsrechtliche Klage eingereicht mit dem Begehren, die Schweizerischen Bundesbahnen seien zu verurteilen, ihm Fr. 16'500.-- nebst Zins zu 5% seit dem 12. März 1975 als Schadenersatz zu bezahlen.
| 3 |
Die SBB beantragen, die Klage sei abzuweisen resp. es sei auf die Klage mangels Zuständigkeit nicht einzutreten. Eventuell sei die Klage nur in der Höhe von Fr. 1'000.-- zuzusprechen.
| 4 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
5 | |
b) Der Kläger ist der Auffassung, die SBB hafteten nach Art. 3 VG für den ihm entstandenen Schaden, da ihm der ![]() | 6 |
Trifft die Auffassung der SBB zu, so ist bezüglich ihrer Haftung das Verantwortlichkeitsgesetz nicht anwendbar, und die Ansprüche des Klägers sind durch die Zivilgerichte zu beurteilen. Die Zuständigkeitsvorschrift von Art. 41 lit. c zweiter Satz OG ist nicht anwendbar, einerseits da der Streitwert die geforderten Fr. 20'000.-- nicht erreicht, und anderseits da die Beklagte die Zuständigkeit des Bundesgerichtes nicht anerkennt.
| 7 |
Demnach ist vorfrageweise zu prüfen, ob die Beziehungen zwischen dem Schliessfachbenützer und den SBB privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind.
| 8 |
2. Gleich wie andere öffentliche Anstalten des Bundes unterstehen auch die SBB teils dem öffentlichen, teils dem privaten Recht. Massnahmen auf dem Gebiete der Bahnpolizei beispielsweise sind öffentlich-rechtlicher Natur, während die Abgabe eines Bahnbillets einen Akt des Privatrechts darstellt, wie überhaupt die Personen-, Gepäck- und Güterbeförderung per Bahn in der Schweiz als privatrechtliche Tätigkeit angesehen wird; sie erfolgt aufgrund bahnrechtlicher Frachtverträge. Dementsprechend stützen sich das Bundesgesetz über den Transport auf Eisenbahnen und Schiffen vom 11. März 1948 (TG) und das Transportreglement (TR) auf Art. 64 BV (BGE 87 II 117; Kommentar GAUTSCHI, N 3c zu Art. 455 OR). Art. 31 TG verweist hinsichtlich der Haftungsbeschränkung für befördertes Reisegepäck auf das Transportreglement. Die blosse Aufbewahrung von Handgepäck hinter dem Handgepäckschalter stellt allerdings keine Beförderung dar, ebenso nicht das Zurverfügungstellen eines Schliessfaches; aber auch bei diesen Diensten handelt es sich um privatrechtliche, kommerzielle Tätigkeiten (Kommentar GAUTSCHI, N. 9a zu Art. 472 OR). Die SBB treten den Personen, die die Handgepäckaufbewahrung oder ein Schliessfach benutzen, nicht hoheitlich gegenüber, sondern als Vertragspartner im Rahmen eines Rechtsverhältnisses mit Leistung und Gegenleistung. Gleichgültig, ob Handgepäck am Schalter gegen einen ![]() | 9 |
10 | |
a) Der Kläger weist in erster Linie darauf hin, dass die "Benutzungsgebühr" hoheitlich durch einen Tarif festgelegt sei. Werde aber die Gebühr nach Grundsätzen des öffentlichen Rechts festgesetzt, so müsse die Verantwortung des Bundes und seiner Beamten für Fehlhandlungen bei solchen Rechtsgeschäften ebenfalls nach öffentlichem Recht beurteilt werden.
| 11 |
Indessen können Tarife sowohl für den hoheitlichen als auch für den privatrechtlichen Tätigkeitsbereich der Verwaltung aufgestellt werden. Der "Tarif" der ETHZ, der bestimmt, zu welchem Preis in der Mensa Mahlzeiten abgegeben werden, betrifft ganz eindeutig eine privatrechtliche Tätigkeit der Verwaltung (BGE 100 Ib 329). In ähnlicher Weise schliesst der Umstand, dass Eisenbahntarife hoheitlich festgelegt werden, nicht aus, dass die Beziehungen zwischen Bahn und Benützer, mit Einschluss der Haftung nach EHG, nach unbestrittener Auffassung dem Privatrecht unterstehen. Dies muss, wie erwähnt, auch für die kommerziellen Nebengeschäfte der SBB gelten.
| 12 |
b) Der Kläger glaubt, Art. 11 VG komme nur dort zur Anwendung, wo die Beamten rein zivilrechtlich tätig seien, und dies treffe hinsichtlich der hier zu beurteilenden Amtshandlung des Bahnbeamten Küng nicht zu. Wenn die SBB einerseits ihre zivilrechtliche Haftung wegbedingten, und ![]() | 13 |
Die SBB selbst qualifizieren die Beziehungen zum Schliessfachinhaber als Mietvertrag, nicht etwa als Hinterlegungsvertrag, da sie den Gegenstand, der im Schliessfach aufbewahrt wird, nicht kennen. Dem ist zuzustimmen (BGE 95 II 544; Kommentar OSER/SCHÖNENBERGER, N 13 zu Art. 253; Kommentar GAUTSCHI, Vorbemerkungen zum Hinterlegungsvertrag, N 3c (2), N 9a zu Art. 472 OR). Normalerweise haftet der Vermieter nicht für Sachen, die dem Mieter aus der gemieteten Sache weggenommen werden; eine Freizeichnung wäre diesbezüglich nicht erforderlich. Die Besonderheit liegt jedoch im Umstand, dass die SBB zu jedem Schliessfach einen zweiten Schlüssel besitzen und insofern Mitgewahrsam an den eingeschlossenen Gepäckstücken erhalten. Durch die Herausgabe des Schliessfachinhaltes an einen unbefugten Dritten wird an sich durchaus eine adäquate Ursache für den Schaden gesetzt, und die Frage ist berechtigt, wieweit sich die SBB von einer Mitverursachung des Schadens freizeichnen können.
| 14 |
Der Schliessfachinhaber wird im allgemeinen vermuten, die SBB besässen einen Reserveschlüssel, damit das Fach bei Verlust seines Schlüssels geöffnet werden könne. Diese Möglichkeit wird allerdings dem Schliessfachmieter nicht bekanntgegeben. Die Vermutung des Klägers, höchstens die Polizei könne das Schliessfach öffnen, ist deshalb nicht ohne weiteres haltlos, ebenso nicht seine Auffassung, das Öffnen des Faches mit dem zweiten Schlüssel komme einem öffentlich-rechtlichen Eindringen in den von ihm gemieteten Raum gleich.
| 15 |
Das Argument dringt trotzdem nicht durch. Richtig ist, dass einem Teil der Bahnbeamten polizeiliche Befugnisse zugewiesen sind, und nach Art. 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend Handhabung der Bahnpolizei vom 18. Februar 1878 stehen die betreffenden Beamten innerhalb des polizeilichen Geschäftskreises den Angehörigen der kantonalen Polizeikorps gleich. Die von den Bahngesellschaften mit derartigen ![]() | 16 |
c) Schliesslich hält der Kläger die öffentlich-rechtliche Haftung für gegeben, weil die SBB die zivilrechtliche Haftung wegbedungen hätten; es könne nicht der Sinn von Art. 11 Abs. 2 VG sein, dem Geschädigten den Zugriff auf den schuldigen Beamten zu verwehren, wenn nicht gleichzeitig der Bund die eventuelle Haftung übernehme.
| 17 |
Diese Auffassung trifft nicht zu. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 11 VG steht dem Geschädigten auch dann kein Anspruch gegen den fehlbaren Beamten zu, wenn der Bund als Subjekt des Zivilrechts auftritt. In diesen Fällen haftet der Bund nach dessen Bestimmungen, d.h. er haftet nach Zivilrecht, soweit ihn nach dessen Normen eine Haftung trifft. Muss der Bund nach Art. 101 OR für seine Hilfspersonen nicht einstehen, so rechtfertigt sich auch die Haftungsbefreiung der Beamten und Angestellten.
| 18 |
Die öffentlich-rechtliche und die privatrechtliche Haftungsordnung stehen unabhängig nebeneinander. Deshalb ist ausschliesslich der Zivilrichter zuständig, zu prüfen, ob und wie Sich die Haftung der SBB unter Berücksichtigung eines allfälligen Verschuldens des Beamten und eines Mitverschuldens des Klägers beurteilt, wie weit die Haftung durch eine Freizeichnungsklausel rechtsgültig wegbedungen werden konnte, und ob gegebenenfalls die Haftung der SBB - gleich wie bei der Handgepäckaufbewahrung - auf Fr. 1'000.-- beschränkt ist.
| 19 |
20 | |
d) Aus diesen Gründen ist auf die Klage nicht einzutreten. Es bleibt dem Kläger unbenommen, seine Ansprüche bei den Basler Zivilgerichten geltend zu machen. Sollte er aus irgendeinem Grunde glauben, die Verjährungsfrist betrage weniger als zehn Jahre, so wäre die Vorschrift von Art. 139 OR zu beachten.
| 21 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 22 |
23 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |