![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
21. Urteil vom 3. Juni 1977 i.S. Niedermann gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Gewässerschutz: Bewilligung für Bauten ausserhalb der Bauzone bzw. des durch das generelle Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes (Art. 20 GSchG und Art. 27 AGSchV). |
2. Bei Aufteilung eines landwirtschaftlichen Heimwesens, zu welchem ein der Betriebsgrösse entsprechendes Wohnhaus gehört, entsteht in der Regel kein sachlich begründetes Bedürfnis für ein zweites standortgebundenes Wohnhaus. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Den hiegegen eingereichten Rekurs hiess der Regierungsrat des Kantons St. Gallen insofern teilweise gut, als er die grundsätzliche Zulässigkeit des Baus eines Geflügelmaststalles im übrigen Gemeindegebiet sowohl aufgrund des Gewässerschutzrechts als auch aufgrund des kantonalen Baurechts (Art. 21 Abs. 1 BauG) bejahte und die Sache in diesem Punkt zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückwies. Hingegen erklärte der Regierungsrat die Errichtung des projektierten Wohnhauses gestützt auf Art. 20 GSchG für unzulässig.
| 2 |
Gegen diese Verweigerung der Baubewilligung für das Einfamilienhaus führt Niedermann Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Sache sei zur Neubeurteilung und Genehmigung des Baugesuchs für das Wohnhaus an die Vorinstanz, eventuell an die Gemeinde Gossau zurückzuweisen.
| 3 |
![]() | |
4 | |
Der Regierungsrat hat die Baubewilligung für ein Wohnhaus - unter der Annahme der Zulässigkeit der Errichtung eines Geflügelmaststalles - in Anwendung des Gewässerschutzgesetzes verweigert. Diese Verweigerung der Baubewilligung ist eine auf öffentliches Recht des Bundes gestützte Verfügung (Art. 5 VwVG), welche gemäss Art. 97 ff. OG und gemäss Art. 10 GSchG der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
| 5 |
6 | |
a) Geht man davon aus, dass der konkrete Geflügelmaststall bewilligt werden könnte, so bleibt zu prüfen, ob ein ![]() | 7 |
Sofern Intensivtierhaltungsbetriebe trotz ihres gewerblichen oder industriellen Charakters in der Landwirtschaftszone oder im übrigen Gemeindegebiet zugelassen werden sollten, wird bei ihnen in der Regel die Notwendigkeit der Errichtung eines standortbedingten Wohnhauses ausserhalb der Bauzone zu verneinen sein. Die gewerblich-industriellen Tierhalter können in dieser Beziehung nicht den eigentlichen Bauern gleichgestellt werden, welchen ein der Betriebsgrösse entsprechendes Wohnhaus auf ihrer Liegenschaft zusteht. Wer einen Mastbetrieb ohne eigene Futterbasis betreibt, ist nicht an einen bestimmten Standort (auf dem zu bearbeitenden Land) gebunden, sondern kann - unter Beachtung der Immissionsrisiken - frei wählen, wo er seinen Betrieb errichten will. Daher darf ihm im Sinne der vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen vertretenen Auffassung wohl zugemutet werden, dass er für seine Tierhaltung einen Standort wählt, der kein Wohnhaus ausserhalb der Bauzone notwendig macht, sondern die erforderliche Überwachung von einer naheliegenden Wohnzone aus erlaubt. Wenn schon gewerblich-industrielle Mastbetriebe ausserhalb der Bauzone bewilligt werden, so ist doch in bezug auf die gleichzeitige Bewilligung von Wohnhäusern Zurückhaltung angezeigt; Tierhaltungsbetriebe sollen nicht gewissermassen "vorgeschoben" werden können, um ausserhalb der Bauzone Wohnbauten zu erstellen, deren Verwendung für den diesen Standort zur Not noch rechtfertigenden Zweck in keiner Weise gesichert wäre; denn derartige reine Intensivtierhaltungsbetriebe sind ja nicht von einer dazugehörenden Kulturlandfläche umgeben, und die Veräusserung ![]() | 8 |
Aus diesen Gründen rechtfertigt es sich, zwischen herkömmlichen Landwirtschaftsbetrieben mit Viehhaltung und Ackerbau einerseits und einem modernen Geflügelmastbetrieb anderseits in bezug auf die Standortbedingtheit des Wohnhauses einen klaren Unterschied zu machen. Während dem mehrere Hektaren Kulturland bewirtschaftenden Bauern ein Wohnhaus als standortbedingte Baute bewilligt werden kann, erscheint es angebracht, bei der nicht der Bewirtschaftung landwirtschaftlichen Bodens dienenden Geflügelmast die Notwendigkeit eines Wohnhauses unmittelbar beim Geflügelstall in der Regel zu verneinen. Die diesbezügliche Argumentation des Regierungsrates des Kantons St. Gallen verstösst nicht gegen Art. 20 GSchG und Art. 27 AGSchV, sondern sucht in zweckmässiger Weise eine rechtsmissbräuchliche Umgehung dieser Vorschriften zu verhindern.
| 9 |
Dass in seltenen Fällen bei Bewilligung des Neubaus für eine Intensivtierhaltung ausserhalb der Bauzone je nach den konkreten Umständen und den praktischen Möglichkeiten auch ein Wohnhaus zu bewilligen sein mag, soll damit nicht ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Fall erübrigt es sich aber näher abzuklären, ob die Betriebsüberwachung sich ohne Erstellung eines Wohnhauses mit technischen Mitteln befriedigend organisieren liesse; denn der Regierungsrat musste aus einem andern, noch darzulegenden Grund (lit. b) von vornherein die Bewilligung einer zweiten Wohnbaute auf dem Areal des bisherigen Landwirtschaftsbetriebes des Beschwerdeführers ablehnen.
| 10 |
b) Der Beschwerdeführer besass in diesem Gebiet ein landwirtschaftliches Heimwesen mit einem offenbar der Betriebsgrösse entsprechenden Wohnhaus. Dass für diesen, ursprünglich dem Beschwerdeführer gehörenden Bauernhof, aus irgendeinem Grunde die Bewilligung des Baus eines zweiten Wohnhauses in Frage gekommen wäre, wird nicht behauptet. Ein Landwirt kann sich nun aber nicht dadurch einen Anspruch auf Bewilligung der Erstellung eines neuen Wohnhauses ausserhalb der Bauzone verschaffen, dass er die der Betriebsgrösse angepassten bestehenden Gebäulichkeiten veräussert in der Absicht, auf einem nicht verkauften Teil seiner Liegenschaften neue Gebäude zu erstellen. Wäre dies rechtlich ![]() | 11 |
Der Einwand des Beschwerdeführers, sofern er die alten Gebäude behalten hätte, müsste jetzt dem Käufer seines Landes ein Neubau bewilligt werden, ist unzutreffend. Für den Betrieb einer Baumschule mag ein Wohnhaus zweckmässig sein, unbedingt notwendig ist es nicht. Werden die Gebäude eines Bauernhofes eigentumsmässig von einem Teil des bisher dazugehörenden Landes getrennt, so kann in der Regel auf diesem Wege nicht ein sachlich begründetes Bedürfnis für neue standortgebundene Bauten geschaffen werden. Im vorliegenden Fall ist durch den Landverkauf an einen Baumschulbetrieb objektiv keine Notwendigkeit für den Bau eines neuen Wohnhauses entstanden, sondern der bereits vorhandene Wohnraum würde für die neue Nutzung der gesamten Liegenschaften durch Baumschulanlagen und Geflügelmast genügen. Dass der Beschwerdeführer jetzt kein Wohnhaus mehr besitzt, weil er es an einen Interessenten verkaufte, der kein standortbedingtes Wohnhaus braucht, bildet keine Grundlage für die Bewilligung eines Neubaus gemäss Art. 20 GSchG. Ist das für die landwirtschaftliche Nutzung erforderliche Wohnhaus bereits vorhanden, dann kann der Eigentümer nicht durch dessen Veräusserung an einen Käufer, welchem kein standortbedingtes Wohnhaus ausserhalb der Bauzone zu bewilligen wäre, die Voraussetzung für die Erstellung einer zweiten Wohnbaute schaffen.
| 12 |
Diese zur Verhinderung der Umgehung von Art. 20 GSchG unerlässliche Richtlinie ergibt sich schon aus BGE 100 Ib 86 ff., insbesondere S. 93/94. Dort wurde der Neubau eines Wohnhauses auf einem bereits mit einem Wohnhaus versehenen Kleinheimwesen nur unter der Auflage für zulässig erklärt, dass das alte Haus, welches die bisherige ![]() | 13 |
Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Fall von dieser Regel abzuweichen. Der Beschwerdeführer hätte sein Wohnhaus behalten können. Er hat es verkauft, obschon er wusste, dass Art. 20 GSchG prinzipiell einem Neubau ausserhalb der Bauzone entgegensteht; sein Bauermittlungsgesuch war abgewiesen worden. Auch wenn in jener Gegend schon Streubauten vorhanden sind, so bedeutet dies nicht, dass die raumplanerische Grundordnung von Art. 20 GSchG nicht mehr zu beachten wäre.
| 14 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 15 |
16 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |