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24. Auszug aus dem Urteil vom 1. April 1977 i.S. Hunziker gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Verfahren; Art. 97 ff. OG. |
Tierseuchenverordnung (TSV). |
1. Die Anordnung der in Art 21 Ziff. 16 TSV vorgeschriebenen Massnahmen durch die kantonalen Behörden erfordert nicht die Zustimmung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes gemäss Art. 54 Abs. 2 Tierseuchengesetz (E. 3). |
2. Gesetzmässigkeit von Art. 21 Ziff. 16 TSV (E. 4 u. E. 5). | |
Sachverhalt | |
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"15 Die Kantone sind ermächtigt, die Abgabe von Tierkörpern als Tierfutter für Fleischfresser oder zur Herstellung von Tierfutterkonserven zuzulassen.
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Sie haben die hierzu erforderlichen sichernden Bedingungen festzulegen und die Art der Tierkörper zu bezeichnen, die zum vorgesehenen Zweck abgegeben werden dürfen. Die Bestimmungen von Artikel 22 sowie der Fleischschaugesetzgebung bleiben vorbehalten.
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16 1) Zur Fütterung an andere Tiere dürfen nur Tierkörper aus Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetrieben verwertet werden, sofern sie vor dem Einbringen in den Tierhaltungsbetrieb durch Hitze sterilisiert worden sind.
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2) Die Sterilisationsanlagen müssen vom Kantonstierarzt bewilligt sein, wobei die Bestimmungen der Artikel 21.6-21.8, mit Ausnahme der Genehmigung durch das Veterinäramt, sinngemäss anwendbar sind. Sie müssen baulich und personell von Tierhaltungsbetrieben vollständig getrennt sein. Der Transport hat vom einzelnen Liefer- zum Sterilisationsbetrieb direkt, unter Einhaltung der Vorschriften von Artikel 21.18 Absätze 1 und 2, zu erfolgen." Nach Art. 21 Ziff. 18 TSV hat der Transport von Tierkörpern so zu erfolgen, dass eine Seuchengefahr möglichst ausgeschlossen ist; insbesondere darf kein Material nach aussen gelangen. Abs. 2 schreibt vor, dass für den Transport nach Tierkörperbeseitigungsanlagen nur geeignete Behälter oder Spezialwagen verwendet werden dürfen. Für die Anpassung an die Bestimmungen von Art. 21 Ziff. 16 hat der Bundesrat eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 1977 eingeräumt (Art. III Abs. 2 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 2. Juni 1975; AS 1975, 996).
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Gestützt auf den revidierten Art. 21 TSV verbot das Veterinäramt des Kantons St. Gallen Erwin Hunziker mit Verfügung vom 29. Oktober 1975 ab sofort das Abholen von Kadavern umgestandener oder totgeborener Tiere aus Tierhaltungsbetrieben. Im Rahmen der vom Bundesrat eingeräumten Übergangsfrist gestattete es ihm, seinen Sammeldienst bei den von ihm schon vor der Revision der Verordnung angegangenen Metzgereien im Kanton St. Gallen noch bis Ende 1977 durchzuführen. Bei allen anderen Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetrieben des Kantons wurde ihm das Abholen von Material nur unter der Bedingung erlaubt, dass Art. 21 Ziff. 16 Abs. 2 TSV eingehalten werde.
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Erwin Hunziker führte hiegegen Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen, welche am 22. Juni 1976 abgewiesen wurde. Er erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, der Entscheid des Regierungsrates und die Verfügung des kantonalen Veterinäramtes vom 29. Oktober 1975 seien aufzuheben. Er beanstandet, dass Dr. W. Krapf, der Leiter des kantonalen Veterinäramtes, nicht in den Ausstand getreten ist, obwohl er Präsident der Tiermehlfabrik Ostschweiz AG in Bazenheid (SG) ist. Der Beschwerdeführer erblickt darin eine Verletzung der kantonalen Ausstandsvorschriften, welche zugleich einen Verstoss gegen Art. 4 BV darstelle. Weiter rügt er eine Verletzung von Art. 54 Abs. 2 Tierseuchengesetz (TSG) bzw. von Art. 62 Abs. 1 TSV. In ![]() | 8 |
Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement erklärt, es schliesse sich im wesentlichen den Ausführungen des Regierungsrates an und verzichtet auf ergänzende Bemerkungen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab u.a. aus folgenden.
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Erwägungen: | |
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a) Mit dieser Rüge macht der Beschwerdeführer geltend, die kantonalen Ausstandsbestimmungen seien nicht eingehalten worden. Im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann indessen nur eine Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden und nicht auch eine solche von kantonalem Recht (Art. 104 OG). Unter den Begriff des Bundesrechts fallen aber auch die verfassungsmässigen Rechte des Bundes (BGE 100 Ib 147 E. II/1; BGE 96 I 187). Der Beschwerdeführer erblickt in der Verletzung der kantonalen Ausstandsvorschriften zugleich eine Verletzung von Art. 4 BV. Es ist somit zu prüfen, ob eine Verletzung von Art. 4 BV vorliegt.
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b) Gemäss Art. 7 Abs. 1 VRP haben Beamte von sich aus in den Ausstand zu treten, u.a. wenn sie "Organe einer an der Angelegenheit beteiligten Person sind oder in der Sache Auftrag erteilt haben" (lit. b) oder "wenn sie aus anderen Gründen befangen erscheinen" (lit. c).
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Die Tiermehlfabrik Bazenheid ist eine Tierkörperbeseitigungsanlage im Sinne der TSV. Sie ist als gemischtwirtschaftliches Unternehmen organisiert. Der Kanton St. Gallen ist mit fünf Prozent am Aktienkapital beteiligt. Dr. W. Krapf ist nicht als Privatmann, sondern aufgrund seiner Funktion als Kantonstierarzt vom Kanton in den Verwaltungsrat abgeordnet ![]() | 14 |
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"Massnahmen eines Kantons, die den Verkehr mit andern Kantonen betreffen,
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sind nur mit Zustimmung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes
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zulässig." Durch diese Vorschrift soll verhindert werden, dass die Kantone gegeneinander Sperren verhängen und Verkehrsbeschränkungen einführen, die seuchenpolizeilich nicht unbedingt erforderlich ![]() | 18 |
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b) Gemäss Art. 9 TSG obliegt es Bund und Kantonen, zur Bekämpfung der in Art. 1 TSG genannten Tierkrankheiten alle Massnahmen zu treffen, die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und der Erfahrung zur Verhinderung einer Ausdehnung der Krankheit und zum Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren angezeigt erscheinen. Art. 10 TSG ermächtigt den Bundesrat, in Ausführung von Art. 9 TSG sichernde Vorschriften aufzustellen. Er hat danach insbesondere auch die unschädliche Beseitigung der Kadaver und ![]() | 20 |
c) Art. 10 TSG in Verbindung mit Art. 9 TSG räumt dem Bundesrat für die zu erlassenden Bekämpfungsvorschriften einen grossen Spielraum des Ermessens ein. Insbesondere umschreibt die Bestimmung die Art der zu treffenden Bekämpfungsmassnahmen nicht näher; es gilt in dieser Hinsicht einzig die Richtlinie des Art. 9 TSG, wonach alle Massnahmen zu ergreifen sind, "die nach dem jeweiligen Stande der Wissenschaft und der Erfahrung zur Verhinderung einer Ausdehnung der Krankheit und zum Schutze der Gesundheit von Menschen und Tieren angezeigt erscheinen". Diese weitgehende Regelungsbefugnis ist vom Gesetzgeber bewusst gewählt worden, um eine rasche Anpassung der Gesetzgebung an veränderte Verhältnisse zu erleichtern und zu ermöglichen, dass die Fortschritte der Wissenschaft ohne Verzug in den Dienst der Seuchenbekämpfung gestellt werden können (FRITSCHI/NABHOLZ/RIEDI a.a.O. S. 16 zu Art. 9; Botschaft des Bundesrates vom 3. September 1965, BBl 1965 II S. 1061). Das dem Bundesrat mit Rücksicht auf den oft raschen Wandel der Verhältnisse und der Erkenntnisse der Wissenschaft eingeräumte weite Ermessen entspricht somit dem Willen des Gesetzgebers, und diese Delegation ist nach Art. 113 Abs. 3 BV für das Bundesgericht verbindlich. Sie bedeutet, dass das Bundesgericht bei der Überprüfung der Gesetzmässigkeit der Bestimmung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen darf; es hat bloss zu prüfen, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengen oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig sind (BGE 101 Ib 145 E. 2 mit Hinweisen). Die seuchenpolizeiliche Ermessensfrage wirft zudem Probleme auf, deren Lösung tiermedizinisches Fachwissen und technische Erfahrung in der Seuchenbekämpfung voraussetzen. Das Bundesgericht kann daher in dieser Hinsicht jedenfalls nicht über die Zweckmässigkeit einer Massnahme befinden.
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b) Die Verfütterung von Tierkörpern gibt nach der Ansicht der massgeblichen tiermedizinischen Fachstellen seuchenpolizeilich zu grössten Bedenken Anlass. Die vom Beschwerdeführer beanstandete Regelung der TSV stützt sich in dieser Hinsicht auf Erfahrungen, die seit dem Inkrafttreten der 1967 letztmals revidierten TSV gemacht wurden (Bericht des EVD a.a.O.; Referat des st. gallischen Kantonstierarztes in TVF-Information Nr. 1, 1975, S. 5 f.).
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Der Einwand des Beschwerdeführers, die Verfütterung von Tierkadavern sei seuchenpolizeilich weniger gefährlich als diejenige von Küchenabfällen gemäss Art. 22 Ziff. 1 lit. a TSV, für welche eine freizügigere Regelung gilt, trifft nicht zu. Diese Ansicht findet keine Bestätigung in den massgeblichen Fachkreisen. Soweit von tiermedizinischer Seite die Verfütterung von Hotelabfällen als nicht weniger bedenklich eingestuft wird als diejenige von Abfällen aus Schlachthöfen und Metzgereien, wird vielmehr eine entsprechende Anpassung der Behandlung der Hotelabfälle an die Bestimmungen über die Tierkörperbeseitigung gefordert. Auf jeden Fall kann daraus inbezug auf die geltende Regelung nicht die Folgerung gezogen werden, die freizügigere Regelung des Art. 22 TSV sei auch auf die Verwertung von Schlachtabfällen oder von Tierkadavern im Sinne von Art. 21 Ziff. 1 lit. a und b TSV anzuwenden.
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Aus der unterschiedlichen Regelung der Abgabe von Tierkörpern als Tierfutter für Fleischfresser (Art. 21 Ziff. 15 TSV) lässt sich ebenfalls nichts zugunsten der Argumentation des Beschwerdeführers ableiten. Eine allfällige Anpassung könnte auch hier höchstens im Sinne einer Angleichung der Regelung ![]() | 26 |
c) Angesichts der bedeutenden Seuchengefahr und der von ihr bedrohten öffentlichen Gesundheit ist es sachlich auch gerechtfertigt, strenge Vorschriften für den Transport der zur Verwertung zugelassenen Tierkörper von den Lieferbetrieben zum Verwertungsbetrieb aufzustellen. Art. 21 Ziff. 16 TSV schreibt in dieser Hinsicht vor, dass der Transport vom einzelnen Liefer- zum Sterilisationsbetrieb direkt zu erfolgen hat. Dadurch werden eigentliche Sammeltouren, wie sie der Beschwerdeführer unternimmt, ausgeschlossen. Angesichts der leicht möglichen Ansteckung ist diese Massnahme gerade im Hinblick auf einen Sammeldienst in ländlichen Gegenden zweifellos geeignet, die Gefahr eines Seuchenausbruchs oder einer Seuchenverschleppung in möglichst niedrigem Rahmen zu halten; sie lässt sich angesichts der Bedeutung der dadurch geschützten Rechtsgüter auch schwerlich als unverhältnismässig bezeichnen. Es kann sich höchstens fragen, ob die Vorschrift deshalb ungerechtfertigt ist, weil nach der Verordnung ein entsprechender Sammeldienst durch die Tierkörperbeseitigungsanlagen zugelassen wird. Indes muss der Sammeldienst einer Tierkörperbeseitigungsanlage hauptsächlich kommunale Sammelstellen anfahren (Art. 21 Ziff. 10 und 11 TSV), welche in aller Regel ausserhalb der Siedlungen liegen und nicht in direkter Nachbarschaft von landwirtschaftlichen Betrieben stehen. Demgegenüber geht der Sammeldienst des Schweinemastbetriebes die Lieferbetriebe direkt an. Im Hinblick auf die Ansteckungsgefahr erscheint es daher jedenfalls sachlich nicht als ungerechtfertigt, den Transport eines Schweinemastbetriebes als gefährlicher zu veranschlagen als denjenigen einer Tierkörperbeseitigungsanlage.
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d) Art. 21 Ziff. 16 Abs. 1 und 2 kann sich demnach inbezug auf die vom Beschwerdeführer beanstandete Regelung auf sachliche Gründe stützen und erscheint damit, soweit die Bestimmung nach dem Gesagten der Überprüfung durch das Bundesgericht zugänglich ist, weder willkürlich noch sprengt er den Rahmen der gesetzlichen Delegation.
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