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38. Auszug aus dem Urteil vom 19. Mai 1978 i.S. Baumann gegen Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) | |
Regeste |
Beanstandung des Inhalts einer Radiosendung - Programmbeschwerde. |
- Begriff der anfechtbaren Verfügung im Sinne von Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG. |
- Die Anordnung des Programmdienstes der SRG, dass eine bestimmte Radiosendung zu veranstalten sei, ist keine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG. | |
Sachverhalt | |
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Erwägungen: | |
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Gemäss Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
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"a) Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;
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c) Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten, oder Nichteintreten auf solche Begehren."
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Aus dieser Umschreibung ergibt sich, dass es sich um Akte handeln muss, durch die eine Behörde ein individuelles und konkretes verwaltungsrechtliches Verhältnis in Anwendung des öffentlichen Rechts des Bundes in verbindlicher Weise regelt. Die Verbindlichkeit für die Verwaltung und die Betroffenen ist ein Merkmal der Anordnungen, von denen in Art. 5 Abs. 1 VwVG die Rede ist. Sie ist der Grund dafür, dass solche Anordnungen gegebenenfalls mit förmlicher Beschwerde - Verwaltungsbeschwerde (Art. 44 VwVG) oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97 OG) - angefochten werden können. Wären sie nicht verbindlich, so könnte niemand ein genügendes Interesse an ihrer Anfechtung auf dem Beschwerdeweg haben (BGE 102 Ib 82 f.).
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2. Das EVED, das nach einem (nicht veröffentlichten) BRB vom 27. Oktober 1953 mit der Aufsicht über die Ausübung der Konzession SRG durch die Konzessionärin betraut ist, hat gemäss seiner Praxis (VPB 40/1976 Nr. 65) die ihm von Fritz Baumann eingereichte Beschwerde als Aufsichtsbeschwerde (Anzeige) im Sinne des Art. 71 VwVG behandelt. Es ist zum Schluss gekommen, dass es keinen Anlass habe, als Aufsichtsbehörde wegen der vom Anzeiger beanstandeten Radiosendung gegen die SRG einzuschreiten. Es hat also der als Aufsichtsbeschwerde aufgefassten Eingabe Baumanns keine Folge gegeben. Eine solche auf Anzeige hin getroffene Entscheidung einer Aufsichtsbehörde kann nicht eine beschwerdefähige Verfügung im Sinne des Art. 5 VwVG sein; denn sie stellt nicht einen Akt dar, durch den ein individuelles und konkretes verwaltungsrechtliches Verhältnis in verbindlicher Weise geregelt würde mit der Folge, dass jemand ein ausreichendes Interesse an der Anfechtung durch förmliche Beschwerde haben könnte. Der Beschluss einer Aufsichtsbehörde, einer Anzeige nicht Folge zu geben, kann auch nicht mit Rechtsverweigerungs- oder Rechtsverzögerungsbeschwerde gemäss Art. 70 VwVG oder Art. 97 Abs. 2 OG angefochten werden. Denn es ist von vornherein ausgeschlossen, dass durch ihn eine Verfügung "unrechtmässig" verweigert oder verzögert werden kann, da der Anzeiger keinen Anspruch darauf hat, ![]() | 8 |
Gibt das EVED einer Aufsichtsbeschwerde gegen die SRG keine Folge, so ist diese Entscheidung daher nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar.
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Im Entscheid des Generaldirektors der SRG war der Beschwerdeführer darauf hingewiesen worden, dass er den Sachverhalt dem EVED jederzeit durch eine Anzeige gemäss Art. 71 VwVG zur Kenntnis bringen könne. Demgegenüber hat Fritz Baumann in seiner an das EVED gerichteten Beschwerde die Auffassung vertreten, dass diese Eingabe als eigentliche Beschwerde entgegengenommen und beurteilt werden müsse. Das EVED hat dies abgelehnt; es hat in dem seinem Schreiben vom 21. November 1977 an den Beschwerdeführer beigelegten Untersuchungsbericht erklärt, dass im vorliegenden Fall nur die Aufsichtsbeschwerde in Betracht komme. Darin liegt eine beschwerdefähige Verfügung, denn das Departement hat damit eine Anordnung in einem Einzelfall getroffen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes (Ordnung des Beschwerdewesens) stützt und eine unter Art. 5 Abs. 1 lit. b oder c VwVG fallende Entscheidung - Feststellungsverfügung oder Nichteintretensentscheid - zum Gegenstand hat (BGE 98 Ib 57 und 70 f.).
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Gegen diese Verfügung eines Departements des Bundes ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 97, 98 lit. b OG); eine Ausnahmebestimmung der Art. 99 ff. OG steht dem Eintreten nicht entgegen. Fritz Baumann ist nach Art. 103 lit. a OG berechtigt, gegen den Entscheid des EVED, der eine förmliche Verwaltungsbeschwerde im vorliegenden Fall unzulässig erklärt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben (BGE 98 Ib 70 f.).
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5. Die Entscheidung des EVED, dass die Eingabe Baumanns vom 27. Juli 1977 nicht als förmliche Verwaltungsbeschwerde, ![]() | 14 |
a) Die Bestimmungen des VwVG finden Anwendung auf das Verfahren in Verwaltungssachen, die durch Verfügungen von Bundesverwaltungsbehörden zu erledigen sind (Art. 1 Abs. 1 VwVG). Als solche Behörden gelten auch gewisse Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, soweit sie in Erfüllung ihnen übertragener öffentlichrechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen (Art. 1 Abs. 2 lit. e VwVG).
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Eine solche Aufgabe hat der Bundesrat der SRG mit der Konzession vom 27. Oktober 1964 übertragen. Die SRG ist aufgrund der Konzession berechtigt, Einrichtungen der PTT-Betriebe zur öffentlichen Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen zu benützen. Sie ist dazu auch verpflichtet, wobei sie sich an die in der Konzession umschriebenen Grundsätze zu halten hat (Art. 1 Konzession SRG). Sie versieht einen öffentlichen Dienst, der ähnlich wie Post, Telephon und Telegraph jedermann zu den gleichen Bedingungen zur Verfügung steht (TUASON, Das Recht der schweizerischen PTT-Betriebe, 2. Aufl. 1959, S. 37; GYGI, Die Grundlagen der verfassungsrechtlichen Ordnung von Radio und Fernsehen, in Wirtschaft und Recht 25/1973, S. 17 ff.). Für den Empfang der Sendungen der SRG ist eine Konzession erforderlich, die von den PTT-Betrieben erteilt wird. Sie begründet ein öffentlichrechtliches Anstaltsnutzungsverhältnis zwischen dem Konzessionär und den PTT-Betrieben (TUASON, a.a.O., S. 65 ff.).
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Die SRG gilt demnach als Behörde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 VwVG, soweit sie in Erfüllung der ihr übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgabe "verfügt" (Art. 1 Abs. 1 lit. e VwVG).
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b) Dass die SRG Verfügungen im Sinne des Art. 5 VwVG treffen kann, hat das Bundesgericht im Urteil vom 22. November 1978 über eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Genfer politischen Bewegung "Vigilance" implicite anerkannt ![]() | 18 |
Im vorliegenden Fall steht jedoch nicht der Anspruch von Personen oder Organisationen, selber in Radio- oder Fernsehsendungen zu Gehör zu kommen, in Frage, noch geht es um die Verletzung allfälliger Persönlichkeitsrechte von Personen, die durch eine Sendung unmittelbar betroffen werden. Der Streit geht vielmehr darum, ob eine von der SRG durchgeführte Sendung den in Art. 13 Konzession SRG umschriebenen Anforderungen an die Qualität entspreche oder nicht.
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Es fragt sich deshalb, ob die Anordnung des Programmdienstes der SRG, dass eine bestimmte Sendung zu veranstalten sei, eine Verfügung im Sinne des Art. 5 VwVG darstelle. Als solche würde sich diese Anordnung an die Gesamtheit der Inhaber von Konzessionen für Radio- und Fernsehempfang, wenn nicht gar an die Gesamtheit der potentiellen Hörer oder Zuschauer, richten, müssen doch die Programme der SRG vor der Sendung in den Publikationsorganen veröffentlicht werden (Art. 15 Konzession SRG). Nicht als Adressaten der Verfügung anzusehen wären die mit der Durchführung der Sendung betrauten Angestellten der SRG und aussenstehende Personen, die in der Sendung auftreten oder deren Urheberrechte dabei zu berücksichtigen sind; denn die Beziehungen zwischen der SRG und allen diesen Personen sind nicht öffentlichrechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur.
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Die Hörer oder Zuschauer und insbesondere die Inhaber von Empfangskonzessionen haben ohne Zweifel ein allgemeines Interesse daran, dass die SRG sich bei der Gestaltung ihrer Programme an die Vorschriften hält. In den Programmkommissionen der zur SRG gehörenden Regionalgesellschaften sollen denn auch "die verschiedenen Radiohörer- und Fernsehteilnehmerschichten" vertreten sein (Art. 8 Konzession SRG). Es ist indes schon fraglich, ob überhaupt von einem öffentlichrechtlichen Verhältnis von Rechten und Pflichten zwischen der ![]() | 21 |
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