BGE 104 Ib 275 | |||
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44. Urteil des Kassationshofes vom 12. Dezember 1978 i.S. W. gegen Regierungsrat des Kantons Glarus | |
Regeste |
Art. 55 StGB. Probeweiser Aufschub der Landesverweisung. | |
Sachverhalt | |
A.- Der 1941 in Westberlin geborene deutsche Staatsangehörige W. wurde am 18. Mai 1972 vom Strafgericht Basel-Stadt wegen wiederholter und fortgesetzter qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und wiederholten Verweisungsbruchs zu zwei Jahren Zuchthaus und wegen wiederholter Zollübertretung und wiederholter Hinterziehung der Warenumsatzsteuer zu einer Busse verurteilt. Gleichzeitig ordnete das Strafgericht die Landesverweisung auf Lebenszeit an. Am 9. Januar 1974 wurde vom Polizeidepartement Basel-Stadt die gerichtliche Ausweisung publiziert.
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Trotz der Ausweisung reiste W. Anfang September 1976 in die Schweiz ein und verübte bis zu seiner Verhaftung am 19. September 1976 zahlreiche Einbruchdiebstähle. Am 19. April 1977 verurteilte ihn das Kriminalgericht des Kantons Glarus wegen wiederholten Diebstahls und Diebstahlsversuches, wiederholter Sachbeschädigung, wiederholten Hausfriedensbruches, wiederholten Verweisungsbruches und Verletzung von Verkehrsregeln zu drei Jahren Zuchthaus und Fr. 50.- Busse.
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B.- Am 29. Juli 1978 entliess der Regierungsrat des Kantons Glarus W. auf den 18. September 1978 bedingt aus dem Vollzug der vom Kriminalgericht ausgesprochenen Zuchthausstrafe, setzte die Probezeit auf zwei Jahre an und erteilte ihm die Weisung, seinen jeweiligen Aufenthaltsort der Staatskasse des Kantons Glarus zu melden.
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Gestützt auf eine seit 1963 bestehende Einreisesperre, die unbefristet und mit Gültigkeit für das ganze Gebiet der Schweiz verfügt worden war, ordnete die Polizeidirektion des Kantons Glarus am 18. September 1978 die sofortige Ausschaffung von W. durch die Fremdenpolizei Basel an. Seither befindet er sich wieder in der Bundesrepublik Deutschland.
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Am 5. September 1978 hatte der Vertreter des W. das Strafgericht Basel-Stadt ersucht, die von diesem Gericht am 18. Mai 1972 ausgesprochene Landesverweisung auf Lebenszeit probeweise aufzuschieben. Das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt, an welches das Gesuch überwiesen wurde, leitete es an den Regierungsrat des Kantons Glarus weiter in der Meinung, der Kanton Glarus sei zum Entscheid zuständig, weil er die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug verfügt habe. Am 21. September 1978 lehnte der Regierungsrat des Kantons Glarus das Gesuch um probeweisen Aufschub der Landesverweisung ab.
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C.- W. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, es sei der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Glarus vom 21. September 1978 aufzuheben, der Vollzug der am 18. Mai 1972 ausgesprochenen Landesverweisung für die Dauer von zwei Jahren probeweise aufzuschieben und es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen und demzufolge dem Beschwerdeführer zu gestatten, während der Dauer des Beschwerdeverfahrens in der Schweiz Wohnsitz zu nehmen oder zu Besuchszwecken in die Schweiz einzureisen.
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Der Regierungsrat des Kantons Glarus beantragt Abweisung der Beschwerde:
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Der probeweise Aufschub des Vollzuges der Landesverweisung setzt voraus, dass der des Landes Verwiesene aus dem Vollzug der Hauptstrafe bedingt entlassen wurde. Die Landesverweisung muss daher die Nebenstrafe zur Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe sein, aus welcher der Verurteilte bedingt entlassen wird.
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Wird die bedingte Entlassung aus dem Vollzug der Hauptstrafe nicht gewährt, so kann die Landesverweisung, für die der bedingte Strafvollzug nicht bewilligt worden ist, auch nicht probeweise aufgeschoben werden, so dass sie an dem Tag wirksam wird, an dem die Freiheitsstrafe verbüsst ist. Entsprechendes gilt, wenn der Verurteilte - auch wenn er bedingt entlassen und der Vollzug der Landesverweisung probeweise aufgeschoben wurde - sich während der Probezeit nicht bewährt hat; auch in diesem Falle wird die Landesverweisung mit der Verbüssung des Strafrestes wirksam (Art. 55 Abs. 4 StGB). Ist die Landesverweisung auf diese Weise rechtskräftig und vollziehbar geworden, kann auf sie nicht mehr zurückgekommen werden. Selbst die Rehabilitation ist gesetzlich nicht vorgesehen. Vorbehalten bleibt lediglich die Begnadigung.
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Eine spätere Straffälligkeit in der Schweiz mit nachfolgender bedingter Entlassung kann nicht zum Anlass genommen werden, eine früher verhängte, rechtskräftig und wirksam gewordene Landesverweisung nachträglich aufzuheben. Dies wäre ein gesetzlich nicht vorgesehener Eingriff in ein rechtskräftiges und vollstreckbares Strafurteil.
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b) Aus dem Gesagten folgt, dass die für den Vollzug einer später ausgefällten Hauptstrafe zuständige Behörde nicht befugt ist, über den probeweisen Aufschub der in einem früheren Strafverfahren ausgesprochenen Landesverweisung zu entscheiden. Will der des Landes Verwiesene eine Änderung der früheren Anordnung erwirken, so muss er sich an die Behörden wenden, die zuständig sind, hinsichtlich des Urteils, das die Landesverweisung ausgesprochen hat, nachträgliche richterliche oder vollzugsrechtliche Verfügungen zu treffen. Entsprechend wurde entschieden für die Umwandlung der Busse in Haft (VEB 18/1947 Nr. 13 S. 29 f.), für die Begnadigung (BGE 101 Ia 283 ff.) und die Löschung der Busse gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB (BGE 104 IV 66 ff.). Eine Ausnahme von der allgemeinen Zuständigkeitsregel, wie sie Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB für den Widerruf des Bedingten Strafvollzuges vorsieht, kennt das Gesetz für den probeweisen Aufschub der Landesverweisung und dessen Widerruf nicht.
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3. Auf das zweite Begehren, der Vollzug der mit Urteil des Strafgerichtes Basel-Stadt vom 18. Mai 1972 ausgesprochenen Landesverweisung auf Lebenszeit sei für die Dauer von zwei Jahren probeweise aufzuschieben, ist nicht einzutreten, da diese Frage noch nicht von einer zuständigen kantonalen Behörde geprüft wurde.
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Damit wird das weitere Begehren, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen und dem Beschwerdeführer während des Beschwerdeverfahrens die Einreise in die Schweiz zu bewilligen, gegenstandslos. Ihm hätte auch mit Rücksicht auf die fremdenpolizeiliche Einreisesperre nicht entsprochen werden können.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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