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12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. Juni 1979 i.S. Saborowski gegen Schweizerischer Schulrat (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Liste der Ausweise, die zur prüfungsfreien Zulassung oder zur Zulassung mit reduzierter bzw. umfassender Aufnahmeprüfung in das erste Semester der ETH berechtigen. |
2. Der Schweizerische Schulrat darf mit einem dem Bundesrat nicht zur Genehmigung unterbreiteten Reglement nicht eines seiner Reglemente abändern, die vom Bundesrat genehmigt worden sind (Grundsatz des Parallelismus der Rechtssetzungsformen). | |
Sachverhalt | |
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. a) Der Beschwerdeführer rügt einzig, der Entscheid des Schulrates sei deshalb rechtswidrig, weil Ziff. 2.3. der "Liste der Ausweise" mangels Gültigkeit auf ihn keine Anwendung finden dürfe. Gemäss Art. 104 lit. a OG kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden. Eine Rechtsverletzung kann auch in ![]() | 3 |
b) Der angefochtene Entscheid ist vom Schweizerischen Schulrat, der letzten Instanz einer autonomen eidgenössischen Anstalt im Sinne von Art. 98 lit. d OG ausgefällt worden (vgl. BGE 98 Ib 304 E. 1). Er kann nicht durch Beschwerde oder Klage an eine der in Art. 98 OG erwähnten Instanzen weitergezogen werden. Das Erfordernis der Letztinstanzlichkeit ist demnach erfüllt.
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c) Gemäss Art. 100 lit. k OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen die "Anerkennung oder die Verweigerung der Anerkennung schweizerischer Maturitätsausweise". Der angefochtene Entscheid bewertete das deutsche Abiturzeugnis des Beschwerdeführers als für die prüfungsfreie Zulassung ungenügend; er sprach sich somit nicht über die Anerkennung eines schweizerischen sondern eines ausländischen Maturitätszeugnisses aus. Die Anerkennung eines ausländischen Maturitätsausweises ist eine Materie, die sich, ähnlich wie die Anerkennung schweizerischer Maturitätsausweise, nicht besonders gut für eine gerichtliche Überprüfung eignet, welche die Ermessenskontrolle ausschliesst. Darum stellt sich die Frage, ob auf die Anerkennung ausländischer Maturitätsausweise Art. 100 lit. k OG analog angewandt werden sollte. In Anbetracht des Wortlautes dieser Bestimmung, die ausdrücklich nur die schweizerischen Maturitätsausweise nennt, müsste eine solche analoge Auslegung jedoch gegen den klaren Wortlaut vorgenommen werden. Dafür besteht keine genügende Veranlassung (nicht veröffentlichte Urteile Gutzwiller vom 4. Juli 1978 und Morel vom 29. Oktober 1971). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
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2. Gemäss Art. 29 und 44 des Bundesgesetzes vom 7. Februar 1854 betreffend die Errichtung einer eidgenössischen polytechnischen Schule (ETH-Gesetz; SR 414.110) und Art. 18 des Bundesbeschlusses vom 24. Juni 1970 über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (Übergangsregelung; ![]() | 6 |
"die Regulative und die Grundsätze festzustellen, nach denen die Aufnahme der Studierenden, Fachhörer und Freihörer zu geschehen hat, insbesondere auch über die Anerkennung der Ausweise ausländischer Mittel- und Hochschulen zu bestimmen".
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Gemäss Art. 105 lit. c ETH-Reglement sind die "Regulative wichtigeren Inhalts", die der Schulrat erlassen hat, vom Bundesrat zu genehmigen.
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Der Schweizerische Schulrat hat von seiner Rechtsetzungsbefugnis bezüglich der Regelung der Aufnahmebedingungen in zwei Erlassen Gebrauch gemacht:
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a) Im Reglement über die Zulassung zu den Studien an den Eidgenössischen Technischen Hochschulen vom 12. September 1975 (Zulassungsreglement; SR 414.131.5) bestimmte er, unter welchen Voraussetzungen ein Bewerber ohne Prüfung in die ETH aufgenommen wird. Vorliegend relevant ist Art. 1 lit. d. Diese Bestimmung lautet:
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"Zum Studium im ersten Semester aller Fachabteilungen der Eidgenössischen Technischen Hochschulen werden die Inhaber folgender Maturitätsausweise ohne Prüfung zugelassen:
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d) ... ausländische Maturitätsausweise, deren Anforderungen jenen einer eidgenössisch anerkannten Maturität entsprechen; der Schweizerische Schulrat bestimmt nach Anhören der Schulen, welche Maturitätsausweise unter welchen Bedingungen dieses Erfordernis erfüllen."
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Andererseits bestimmt das gleiche Reglement in Art. 2 Abs. 2 lit. b:
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"Eine reduzierte Aufnahmeprüfung haben abzulegen:
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...
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b) In der "Liste der Ausweise" vom 30. Januar 1976 legte der Schulrat für ausländische Maturitätszeugnisse u.a. folgendes fest:
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"Ziff. 1:
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Prüfungsfreie Zulassung in das erste Semester des Diplomstudiums gemäss Artikel 1 des Reglementes über die Zulassung zu den Studien an den Eidgenössischen Technischen Hochschulen:
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1.4. Maturitätsausweise mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung der folgenden Länder unter Vorbehalt des Nachweises des Bestehens der Prüfung mit mindestens den angegebenen Durchschnitten (für den Durchschnitt zählen Fächer, die jenen im Eidgenössischen Maturitätstypus C entsprechen):
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Land: Durchschnitt:
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Bundesrepublik Deutschland 1,5
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(Es folgt eine Aufzählung weiterer 12 Länder mit Angabe der jeweils erforderlichen Notendurchschnitte.)
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Ziff. 2:
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Reduzierte Aufnahmeprüfung für die Zulassung in das erste Semester des Diplomstudiums gemäss Artikel 2 Absatz 2 des Reglementes über die Zulassung zu den Studien an den Eidgenössischen Technischen Hochschulen vom 12. September 1975:
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...
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2.3. Maturitätsausweise mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung der unter 1.4 genannten Länder, deren Durchschnitt für die prüfungsfreie Aufnahme nicht genügt, sowie Maturitätsausweise nicht mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung dieser Länder, sofern sie einem eidgenössisch anerkannten Typus entsprechen."
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Gemäss dieser Regelung in der "Liste der Ausweise" berechtigen deutsche Maturitätsausweise nur dann zur prüfungsfreien Zulassung an die ETH, wenn sie mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung sind und einen bestimmten Notendurchschnitt erreichen ("Liste der Ausweise" Ziff. 1.4). Inhaber von deutschen Zeugnissen nicht mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung müssen demgegenüber mindestens eine reduzierte Aufnahmeprüfung ablegen; dazu werden sie nur zugelassen, wenn ihr Ausweis einem eidgenössisch anerkannten Maturitätstypus entspricht ("Liste der Ausweise" Ziff. 2.3).
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Die "Liste der Ausweise" ist dem Bundesrat nicht zur Genehmigung vorgelegt und auch nicht in der AS publiziert worden.
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Der Beschwerdeführer geht im Verfahren vor Bundesgericht davon aus, dass sein Abiturzeugnis dem eidgenössischen Maturitätstypus B entspricht. Er schliesst daraus, dieser Ausweis berechtige ihn zur prüfungsfreien Zulassung, weil es sich dabei um einen ausländischen Maturitätsausweis im Sinne von Art. 1 lit. d Zulassungsreglement handle; die Vorinstanzen hätten sich fälschlicherweise auf Ziff. 2.3 der "Liste der Ausweise" gestützt; die angerufene Bestimmung sei ungültig, weil sie auf einer unzulässigen Delegation des Schulrates an sich selbst beruhe und zudem inhaltlich im Widerspruch zum übergeordneten Grundsatz von Art. 1 lit. d Zulassungsreglement stehe. Ob Ziff. 2.3 der "Liste der Ausweise" aus einem der genannten Gründe auf den Beschwerdeführer keine Anwendung finden darf, ist im folgenden zu prüfen.
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Die Bestimmungen des ETH-Reglementes über die bundesrätliche Genehmigung und die Erklärung des Schweizerischen ![]() | 33 |
Dem Verweis in Art. 1 lit. d Zulassungsreglement auf die Kompetenz des Schulrates zum Erlass der "Liste der Ausweise" kommt somit bloss deklaratorische Wirkung zu. Auch ohne diesen Verweis wäre der Schulrat bereits auf Grund von Art. 7 Abs. 4 und Art. 108 Ziff. 1 lit. k ETH-Reglement kompetent, in einer "Liste der Ausweise" zu bestimmen, welche ausländischen Ausweise im einzelnen dem Erfordernis des Art. 1 lit. d entsprechen. Es liegt somit keine unzulässige Subdelegation des Schulrates an sich selber vor.
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Demgegenüber geht der Schweizerische Schulrat davon aus, dass die "Liste der Ausweise" in Ziff. 2.3 den Grundsatz von Art. 1 lit. d Zulassungsreglement nicht einschränke sondern konkretisiere; das Erfordernis einer reduzierten Aufnahmeprüfung für Inhaber ausländischer Ausweise nicht mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung in der "Liste der Ausweise" wolle für die betreffenden Studenten die Gefahr erhöhter Anlaufschwierigkeiten im Studium reduzieren.
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Die "Liste der Ausweise" führt nun aber eine solche Sonderbehandlung ausländischer Maturitätsausweise ein. Sie schliesst zum vorneherein aus, dass ein ausländisches Zeugnis, welches beispielsweise dem eidgenössisch anerkannten Typus B entspricht, jemals einen prüfungsfreien Zugang zum Studium an der ETH ermöglichen kann. Offensichtlich können nicht nur ausländische Zeugnisse mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung den schweizerischen Maturitätstypen A, B, C, D oder E gleichkommen. Damit wird der Grundsatz von Art. 1 lit. d erste Satzhälfte des Zulassungsreglementes, dass der ausländische Ausweis irgendeinem eidgenössisch anerkannten Maturitätstypus ![]() | 38 |
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Wie oben gezeigt, widersprechen sich die "Liste der Ausweise" und das Zulassungsreglement. Der generelle Ausschluss der Inhaber nicht mathematisch-naturwissenschaftlicher Zeugnisse von der prüfungsfreien Zulassung zum ETH-Studium, wie er in der "Liste der Ausweise" vom 30. Januar 1976 verankert wurde, modifiziert und ändert den Grundsatz des bereits am 12. September 1975 erlassenen Art. 1 lit. d Zulassungsreglement. Die beiden in Frage stehenden Erlasse beruhen zwar auf der gleichen Delegationsnorm und sind vom gleichen Organ beschlossen worden. Von entscheidender Bedeutung ist aber der Umstand, dass diese beiden Erlasse in je verschiedenen Verfahren zustande gekommen sind: Das Zulassungsreglement wurde vom Bundesrat genehmigt und in der AS publiziert. Diese beiden wichtigen Verfahrenselemente fehlen beim Erlass der "Liste der Ausweise". Es ist deshalb zu untersuchen, ob ein genehmigter Erlass durch einen nicht genehmigten und ein publizierter durch einen nicht publizierten abgeändert werden kann.
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a) Es stellt sich zunächst die Frage nach der rechtlichen Wirkung der Genehmigung. Die Praxis zeigt, dass die Abänderung kommunaler Erlasse, die von einem kantonalen Organ genehmigt worden sind, der erneuten Genehmigung bedarf (BGE 89 I 25, vgl. auch BGE 100 Ia 157). Gleiches gilt für die Änderung von Verordnungen der Exekutive, die von der Legislative ![]() | 41 |
b) Zum gleichen Resultat führt die Beurteilung der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Publikation der "Liste der Ausweise" in der AS. Nach Art. 4 lit. h des Rechtskraftgesetzes vom 12. März 1948 (SR 170.513.1) in Verbindung mit Art. 1 der Verordnung über die Veröffentlichung der Gesetze und anderer Erlasse des Bundes vom 8. November 1949 (SR 170.513.12) sind alle späteren Abänderungen zu Erlassen, die in der AS veröffentlicht wurden, ebenfalls zu publizieren. Die Abänderung eines Erlasses ist sogar dann zu veröffentlichen, wenn dieser Erlass ursprünglich gar ![]() | 42 |
c) Im nicht publizierten Urteil Gutzwiller vom 4. Juli 1978 hat das Bundesgericht festgestellt, dass der Notendurchschnitt von 1,5, der gemäss Ziff. 1.4 der "Liste der Ausweise" bei Maturitätszeugnissen mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung aus der Bundesrepublik Deutschland als Voraussetzung für die prüfungsfreie Aufnahme in das erste Semester der ETH verlangt wird, im Vergleich zu den Anforderungen, die an die Zeugnisse anderer Länder gestellt werden, verhältnismässig hoch ist. Dieser Durchschnitt wurde aber als gerechtfertigt betrachtet, weil er geeignet sei, einen allzu grossen Zustrom von Studenten aus der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Das Bundesgericht war der Auffassung, der Schweizerische Schulrat sei zum Erlass einer solchen Regelung aufgrund von Art. 7 der Übergangsregelung und von Art. 7 Abs. 4 sowie 108 lit. k des ETH-Reglementes berechtigt gewesen.
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Gemäss den Erwägungen des vorliegenden Entscheides darf der Schweizerische Schulrat mit der dem Bundesrat nicht zur Genehmigung vorgelegten "Liste der Ausweise" nicht das Zulassungsreglement abändern; er ist nur befugt, mit diesem Erlass festzulegen, welche ausländischen Maturitätszeugnisse unter welchen Bedingungen in bezug auf die Anforderungen den eidgenössisch anerkannten Maturitäten entsprechen (Art. 1d Zulassungsreglement). Soweit mit dem bei bundesdeutschen Maturitätszeugnissen verlangten Durchschnitt von 1,5 die Bedingung genannt wird, unter welcher diese Zeugnisse den eidgenössisch anerkannten Maturitäten gleichkommen, hat der ![]() | 44 |
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Die Vorinstanz darf bei der Bewertung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Zeugnisses im Hinblick auf eine prüfungsfreie Zulassung strengere Anforderungen an den Fächerkanon und den Notendurchschnitt stellen als bei der Prüfung der Gleichartigkeit der Ausweise im Hinblick auf eine reduzierte Aufnahmeprüfung. Der Schulrat wird im vorliegenden Fall insbesondere zu berücksichtigen haben, dass der Beschwerdeführer gemäss dem vorgelegten Zeugnis nur in einer modernen Fremdsprache geprüft worden ist, während der Maturitätstypus B zwei moderne Fremdsprachen erfordert.
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