![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Juni 1979 i.S. Meuli gegen Kanton Graubünden und Eidg. Schätzungskommission, Kreis 12 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 18 EntG; Form der Entschädigung. |
Eine Sachleistung fällt auf jeden Fall nur in Betracht, wenn wesentliche Interessen des Enteigneten auf dem Spiele stehen. Der Umstand, dass der Enteigner zur Zeit der Enteignung in der Lage ist, Realersatz zu leisten, ist für sich allein nicht ausschlaggebend (E. 3). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 12. März 1979 verlangt der Enteignete, der Enteigner sei zu verpflichten, ihm nebst der Parzelle Nr. 112 als Realersatz 1782 m2 aus der Parzelle Nr. 386 abzugeben und einen Zins von 5% auf Fr. 7545.- seit dem 1. April 1962 zu bezahlen. Auf die Begründung wird, soweit notwendig, in den Erwägungen eingegangen.
| 2 |
Die ESchK verzichtet auf Vernehmlassung. Der Kanton Graubünden, vertreten durch das Bau- und Forstdepartement, schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Für den Fall der Gutheissung des Begehrens um Realersatz beantragt er, die zugesprochenen Zinsen um Fr. 2208.65 zu reduzieren.
| 3 |
Aus den Erwägungen: | |
4 | |
5 | |
![]() | 6 |
Dagegen obliegt der Schätzungskommission gemäss Art. 64 Abs. 1 lit. a EntG die Anwendung des Art. 18 EntG. Nach dieser Bestimmung kann an Stelle der Geldleistung ganz oder teilweise eine Sachleistung treten, so insbesondere, wenn infolge der Enteignung ein landwirtschaftliches Gewerbe nicht mehr fortgeführt werden kann, ferner bei der Enteignung von Wasser und Wasserkraft sowie bei Störung von Wegverbindungen und Leitungen.
| 7 |
Obwohl bei der Gesetzesberatung vor dem Nationalrat das Wort "ausnahmsweise" aus dem Text des Art. 18 EntG gestrichen wurde (Art. 15 des bundesrätlichen Entwurfes; vgl. BBl 1926 II 23 f. und 117; Sten. Bull. NR 1928, S. 627, Votum Pilet-Golaz), um eine allzu enge Auslegung der neuen Vorschrift zu vermeiden, soll der Realersatz eine Ausnahme gegenüber dem in Art. 17 EntG festgelegten Grundsatz der Geldentschädigung bilden. Dieser Schluss ergibt sich schon aus der Systematik des Gesetzes und wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Schon in seiner Botschaft vom 21. Juni 1926 hatte der Bundesrat - offensichtlich im Bewusstsein, dass die Verwirklichung dieser neuen Bestimmung auf Schwierigkeiten stossen könnte - ausgeführt, die Anwendung des Art. 18 EntG werde sich "... wohl eher und hauptsächlich im Einigungs- als im Schätzungsverfahren denken lassen" (BBl 1926 II 24). In der Botschaft (a.a.O., S. 23) und in der parlamentarischen Beratung (Sten Bull NR 1928, S. 627, Votum Pilet-Golaz) wurde schliesslich hervorgehoben, mit der Einführung dieser neuen Bestimmung werde beabsichtigt, die Kontroverse zwischen Rechtsprechung und Praxis hinsichtlich der Zulässigkeit des Realersatzes zu beenden. Die Schwierigkeiten einer breiten Anwendung dieser Bestimmung liegen im übrigen in der Natur der ![]() | 8 |
Aus diesen Gründen ist in der Lehre umstritten, ob Art. 18 EntG einen eigentlichen Rechtsanspruch des Enteigneten auf Realersatz begründet (so das deutsche Recht, vgl. §§ 100 und 101 BBauG; vgl. KUTTLER, a.a.O., S. 193), oder ob er lediglich den Behörden eine Befugnis einräumt, von der diese nach pflichtgemässem Ermessen Gebrauch zu machen haben (anscheinend für die erstgenannte Meinung: IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. Auflage, Nr. 434 N. Ia; anders: MERKER, Der Grundsatz der "vollen Entschädigung" im Enteignungsrecht, Diss. ZH 1975, S. 124 f. und dort angeführte Literaturhinweise). Der Rechtsprechung des Bundesgerichts lässt sich wenig entnehmen. Im Urteilsentwurf vom 15. Februar 1962, bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts vom 4. April 1962 i.S. Officine Idroelettriche di Blenio S.A. c. Prebenda di Ponente, wurde die Anwendbarkeit von Art. 18 EntG für den Ersatz eines Stalles verneint. Im nicht weitergezogenen Urteilsentwurf vom 3. Februar 1965 i.S. Berger c. Zürich wurde ausgeführt, dass Art. 18 EntG dem Enteigneten keinen Rechtsanspruch auf Realersatz verleihe, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen von Art. 8 oder 10 erfüllt seien. Es wurde hinzugefügt, die Schätzungskommission könne den Enteigner nicht zur Leistung von Realersatz verpflichten und der Enteignete aus der Weigerung des Enteigners, eine Sachleistung zu erbringen, keine Rechte ableiten. Demgegenüber wurde im Urteilsentwurf vom 15. Juli 1966 i.S. Kanton Zürich c. Stiftung "Im Grüene" die Frage offen gelassen, ob der Enteignete auf Grund von Art. 18 EntG einen eigentlichen Rechtsanspruch geltend machen könne. Auch im Urteil des ![]() | 9 |
3. Selbst bei dieser Annahme könnte nämlich einem solchen Anspruch kein unbedingter und absoluter Charakter zukommen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des Art. 18 EntG, der eine Kann-Vorschrift ist. Obwohl die Aufzählung in Art. 18 EntG nicht abschliessend ist, lässt sich den vom Gesetzgeber aufgeführten Beispielen entnehmen, dass die Zusprechung von Realersatz nur dann in Betracht fällt, wenn wesentliche Interessen des Enteigneten auf dem Spiele stehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zufolge der Enteignung ein landwirtschaftliches Gewerbe nicht mehr fortgeführt werden könnte. Der Gesetzgeber wollte vermeiden, dass Landwirte aus diesem Grund entwurzelt werden (BBl 1926 II 24). Der Beschwerdeführer tut nicht dar, dass die Verweigerung des vollen Realersatzes für ihn derart einschneidende Folgen hätte. Eine solche Behauptung erschiene im übrigen schon angesichts der verhältnismässig kleinen Fläche des enteigneten Landes kaum als glaubhaft, gleichgültig, ob man von der Gesamtfläche nach Ausdehnung der Enteignung (2400 m2) ausgeht, oder - was richtiger erscheint - diejenige Fläche ausser acht lässt, welche ![]() | 10 |
Der Beschwerdeführer ist der Meinung, für die Anwendung des Art. 18 EntG sei entscheidend, dass der Enteigner tatsächlich in der Lage ist, Realersatz zu leisten. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn es zutrifft, dass der Kanton Graubünden im Bann der Gemeinde Nufenen rund 1,3 ha Boden besitzt, welcher wahrscheinlich Finanzvermögen bildet (IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Nr. 129 B Ib), darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass der Kanton für die zufolge Lawinengefahr notwendige teilweise Änderung der Linienführung der N 13 voraussichtlich weitere Enteignungen von rund 4 ha wird vornehmen müssen. Es ist anzunehmen, dass er auch in jenen Verfahren Realersatz leisten muss und die dannzumal erhobenen Ansprüche ebenfalls nur teilweise decken kann. Würde diesem Umstand nicht heute schon Rechnung getragen, liefe dies auf eine durch nichts gerechtfertigte Privilegierung des Beschwerdeführers hinaus. Die ESchK hat die sich gegenüberstehenden- Interessen richtig abgewogen. Die Beschwerde ist daher vollumfänglich abzuweisen.
| 11 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |