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36. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. November 1979 i.S. Spada gegen Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Erwerb des Schweizer Bürgerrechts (Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG). | |
Sachverhalt | |
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Das Ehepaar Spada wohnt in Basel. Vom 30. November 1972 bis 10. März 1974 leistete der Ehemann in Como (Italien) seinen obligatorischen Militärdienst. In Übereinstimmung mit den fremdenpolizeilichen Vorschriften (Art. 9 Abs. 1 lit. c ANAG und Art. 10 Abs. 4 ANAV) meldete er ich bei der Fremdenpolizei für diese Zeitdauer ab und kehrte anschliessend wieder in die Schweiz zurück.
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Das Bundesgericht heisst die gegen das Urteil des Appellationsgerichts gerichtete Beschwerde gut aus folgenden
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Erwägungen: | |
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Im vorliegenden Verfahren ist einzig das Wohnsitzerfordernis des Vaters streitig. Die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung der Beschwerdeführerin als Schweizerbürgerin sind erfüllt. Das Bundesgericht überprüft diese Frage mit freier Kognition (Art. 104 lit. a OG); an die Begründung der Begehren ist es nicht gebunden (Art. 114 Abs. 1 OG).
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2. In BGE 105 Ib 63 f. hat das Bundesgericht erkannt, dass nach dem Gesetz sowohl die Mutter als auch der Vater zur Zeit der Geburt ihren Wohnsitz in der Schweiz haben müssen. Es hat damit die in der Lehre geäusserte Meinung verworfen, wonach das Wohnsitzerfordernis nur für die Mutter gelte (vgl. HEGNAUER, Wann haben Eltern zur Zeit der Geburt des Kindes ihren Wohnsitz in der Schweiz? in ZBl 1978, S. 490). Diese Rechtsprechung wurde bisher nicht der Kritik unterzogen; das Bundesgericht hat keine Veranlassung, darauf ![]() | 7 |
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"Wohnsitz der Ausländer (résidence de l'étranger; residenza dello straniero).
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1 Als Wohnsitz (résidence; residenza) im Sinne dieses Gesetzes gilt für Ausländer Anwesenheit in der Schweiz in Übereinstimmung mit den fremdenpolizeilichen Vorschriften.
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2 Kurzfristiger Aufenthalt im Ausland mit der Absicht auf Rückkehr unterbricht den Wohnsitz nicht.
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3 Dagegen gilt der Wohnsitz (résidence; residenza) als bei der Abreise ins Ausland aufgegeben, wenn der Ausländer sich polizeilich abmeldet oder während mehr als 6 Monaten tatsächlich im Ausland weilt."
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Beim Vergleich des Wortlautes von Art. 36 BüG einerseits und Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG andererseits fällt auf, dass lediglich der deutsche Text übereinstimmend in allen Bestimmungen vom "Wohnsitz" spricht, während der französische und der italienische Text in Art. 36 BüG den Begriff "résidence" bzw. "residenza" und in Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG den Begriff "domicile" bzw. "domiciliati" verwenden. Der italienische und französische Wortlaut von Art. 36 BüG legen die Annahme nahe, dass in dieser Bestimmung nicht der zivilrechtliche "Wohnsitz" gemäss Art. 23 ZGB gemeint ist. Das ergibt sich auch aus der in Art. 36 BüG gegebenen Definition, die in erster Linie "Anwesenheit" ("présence"; "presenza") in der Schweiz verlangt. Tatsächlich verwenden die Bestimmungen, auf welche sich Art. 36 BüG bezieht, auch in der deutschen Fassung nicht den Begriff des "Wohnsitzes", sondern sie sprechen lediglich von "wohnen" (Art. 15 Abs. 1, 20 Abs. 1, 22, 23, 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 lit. a und 30 Abs. 1 BüG), was dem französischen "résider" und dem italienischen "risiedere" entspricht. Aus dem Wortlaut von Art. 36 BüG ergibt sich daher, dass der bürgerrechtliche Wohnsitz in erster Linie die objektive Seite des zivilrechtlichen Wohnsitzes, also den tatsächlichen ![]() | 13 |
Beim Vergleich der beiden Bestimmungen fällt zudem auf, dass Art. 36 BüG ausschliesslich vom "Wohnsitz der Ausländer" handelt, während Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG das Wohnsitzerfordernis nicht nur für den ausländischen Vater, sondern auch für die schweizerische Mutter aufstellt. Nach dem Wortlaut von Art. 36 BüG könnte die dort enthaltene Begriffsbestimmung ohnehin nur für den Wohnsitz des Vaters massgebend sein, während der Wohnsitz der Mutter auf andere Weise bestimmt werden müsste.
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Der Vergleich des Wortlautes dieser Bestimmungen legt daher bereits die Annahme nahe, dass der Wohnsitz (résidence;, residenza) der Ausländer gemäss Art. 36 BüG nicht gleichbedeutend ist mit dem Wohnsitz (domicile; domiciliati) von Ausländern und Schweizern gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG.
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b) Eine systematische Betrachtung des Bürgerrechtsgesetzes ergibt, dass es unter I. den "Erwerb und Verlust (des Schweizer Bürgerrechts) von Gesetzes wegen" und unter II. den "Erwerb und Verlust durch behördlichen Beschluss" regelt. II.A. trägt den Titel: "Erwerb durch Einbürgerung". Unter diesem Titel werden in den Art. 12 bis 41 die folgenden Materien behandelt: "a. Ordentliche Einbürgerung" (Art. 12-17), "b. Wiedereinbürgerung" (Art. 18-25), "c. Erleichterte Einbürgerung" (Art. 26-31) und "d. Gemeinsame Bestimmungen" (Art. 32-41). Beim Art. 36 BüG handelt es sich demnach um eine gemeinsame Bestimmung des Erwerbs durch Einbürgerung. Aufgrund ihrer Stellung im Gesetz kann diese Bestimmung daher lediglich auf die ordentliche Einbürgerung, die Wiedereinbürgerung und die erleichterte Einbürgerung Anwendung finden, nicht aber auf den Erwerb und Verlust des Bürgerrechts von Gesetzes wegen (so auch OSWALD/STEINER, Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts, Zürich 1953, S. 35; BURGER, Die erleichterte Einbürgerung, Diss. Bern 1971, S. 60).
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Eine andere Frage ist, ob der Gesetzgeber mit der in Art. 36 BüG verwendeten Formulierung "als Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes gilt..." die Bedeutung der Bestimmung weiter fassen wollte, als es deren Stellung im Gesetz nahelegen würde; diese Frage kann indessen nicht mit der systematischen Auslegungsmethode beantwortet werden.
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c) Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften deutet darauf hin, dass zur Bestimmung des Wohnsitzes gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG nicht Art. 36 BüG massgebend ist.
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Art. 36 BüG wurde im Jahre 1952 erlassen und seither nicht mehr geändert. In seiner Botschaft vom 9. August 1951 führte der Bundesrat zu den "Gemeinsamen Bestimmungen" aus, diese würden die ordentliche Einbürgerung, die Wiedereinbürgerung und die erleichterte Einbürgerung betreffen (BBl 1959 II 701). Bereits daraus ist zu schliessen, dass die "Gemeinsamen Bestimmungen" auf den Erwerb des Bürgerrechts von Gesetzes wegen keine Anwendung finden. Der Bundesrat begründete seinen Vorschlag zu Art. 36 (damals Art. 34) BüG wie folgt: "Alle Bewerber um das Bürgerrecht sind Ausländer, unterstehen also der Fremdenpolizeigesetzgebung. Deshalb stellt Art. 34 für die Bestimmung des Wohnsitzes auf die fremdenpolizeilichen Vorschriften ab. Das bringt Klarheit ohne neuen "Wohnsitzbegriff" (BBl 1951 II 702).
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Im Gegensatz zu Art. 36 BüG wurden die Art. 5 Abs. 1 lit. a und 57 Abs. 6 BüG erst im Jahre 1976 erlassen. Wie das Bundesgericht in BGE 105 Ib 55 E. 3d ausgeführt hat, stützt sich Art. 5 Abs. 1 lit. a und ebenso die Übergangsbestimmung in Art. 57 Abs. 6 BüG auf die in Art. 44 Abs. 3 BV enthaltene Gesetzgebungskompentenz, welche der Gesetzgeber so weit als möglich ausschöpfen wollte. Es ist daher anzunehmen, dass der neu erlassenen Gesetzesbestimmung die gleiche Bedeutung zukommt wie der ihr zugrunde liegenden Verfassungsbestimmung. Der im Jahre 1928 erlassene Art. 44 Abs. 3 BV lautet:
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"(Die Bundesgesetzgebung) kann bestimmen, dass das Kind ausländischer Eltern von Geburt an Schweizerbürger ist, wenn seine Mutter ![]() | 22 |
Die Entstehungsgeschichte von Art. 44 Abs. 3 BV (vgl. dazu VON SALIS/BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht I, Nr. 326) weist darauf hin, dass der Begriff des "Wohnsitzes" ("domicile"; "domicilio") absichtlich dem Begriff des "Aufenthaltes" ("résidence"; "residenza") vorgezogen wurde. In seiner Botschaft von 1920 schlug der Bundesrat vor, Art. 44 BV in der Weise zu ändern, dass das Kind ausländischer Eltern, die in der Schweiz wohnen, kraft Gebietshoheit Schweizerbürger wird, wenn seine Mutter von Geburt Schweizerin war, oder wenn der Vater oder die Mutter in der Schweiz geboren ist. Das Kind sollte nach diesem Vorschlag von Geburt an das Bürgerrecht der Gemeinde erwerben, in der die Eltern zur Zeit seiner Geburt ihren Wohnsitz haben (BBl 1920 V 1 f.). In einer auf Wunsch des Ständerates erarbeiteten Ergänzungsbotschaft von 1922 änderte der Bundesrat seinen Vorschlag in zwei Punkten: Er ersetzte das Wohnsitzerfordernis der Eltern in der Schweiz zur Zeit der Geburt des Kindes durch das Erfordernis der Geburt des Kindes in der Schweiz und sah für das eingebürgerte Kind nicht mehr das Bürgerrecht der Wohnsitzgemeinde der Eltern vor, sondern das Bürgerrecht der Gemeinde, wo die Mutter durch Abstammung heimatberechtigt war (BBl 1922 III 661). Zur Begründung dieser Änderungen führte der Bundesrat unter anderem aus, die Frage des Domizils sei nicht in allen Fällen derartig liquid und abgeklärt, um eine so wichtige Rechtsfolge wie die Staatsangehörigkeit daran zu knüpfen; müssten solche Fragen später geprüft werden, so fehlten dafür sehr leicht wichtige und sichere Belege. Stelle man dagegen auf den Geburtsort ab, so handle es sich um eine Tatsache, über welche die Zivilstandsregister formgültig Aufschluss geben (BBl 1922 III 672). Im Jahre 1923 entschied sich die Ständeratskommission gemäss dem bundesrätlichen Vorschlag für den Geburtsort Schweiz und gegen das Wohnsitzerfordernis der Eltern in der Schweiz. Auch der Nationalrat zog im Jahre 1925 das Erfordernis des schweizerischen Geburtsortes demjenigen des Wohnsitzes der Eltern vor. In einem der verschiedenen Gegenanträge im Nationalrat wurde auch vorgeschlagen, das Schweizer Bürgerrecht an die zehnjährige ununterbrochene Niederlassung beider Eltern im ![]() | 23 |
Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 44 Abs. 3 BV ist daher zu entnehmen, dass man das Erfordernis des "Wohnsitzes" in der Schweiz demjenigen der "Niederlassung" und auch demjenigen des Geburtsortes in der Schweiz vorzog und dass man sich der Schwierigkeiten bewusst war, welche dieses Kriterium in einzelnen Fällen bereiten kann.
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d) Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG und auch der diesen Bestimmungen zugrunde liegende Art. 44 Abs. 3 BV wollen dem Kind eines ausländischen Vaters und einer Schweizerin ![]() | 25 |
e) Sowohl der Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 57 Abs. 6 BüG als auch der Vergleich mit andern Bestimmungen, die Systematik des Gesetzes, die Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Bestimmungen weisen also darauf hin, dass der Wohnsitzbegriff grundsätzlich zivilrechtskonform anzuwenden ist (vgl. dazu IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung I, S. 159). Es finden daher die Art. 23 f. ZGB Anwendung. Das bedeutet, dass sich die Eltern zur Zeit der Geburt nicht nur in der Schweiz aufhalten, sondern auch beabsichtigen müssen, dauernd in der Schweiz zu verbleiben. Auf der andern Seite bleibt der einmal begründete Wohnsitz bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes bestehen (Art. 24 ZGB) und er geht z.B. bei einem Aufenthalt an einem Orte zum Zwecke des Besuches einer Lehranstalt ![]() | 26 |
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Da der Vater der Beschwerdeführerin seinen Wohnsitz demnach in der Schweiz begründete (Art. 23 ZGB) und während seines Italienaufenthaltes zur Leistung des obligatorischen Militärdienstes nicht aufgab (Art. 24 ZGB), ist das Wohnsitzerfordernis des Vaters im Zeitpunkt der Geburt des Kindes erfüllt. Die Beschwerdeführerin muss daher als Schweizerbürgerin anerkannt werden.
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