BGE 105 Ib 234 | |||
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37. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Oktober 1979 i.S. B. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Verweigerung der Niederlassungsbewilligung bei Kantonswechsel. | |
Sachverhalt | |
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1973 wurde er wegen SVG-Vergehen und 1976 wegen fortgesetzter Vernachlässigung von Unterstützungspflichten gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau und seinen zwei Kindern, die heute im Kanton Basel-Landschaft leben, zu Gefängnisstrafen von 40 Tagen und zwei Monaten verurteilt. Am 6. September 1976 drohte ihm das Polizeidepartement des Kantons Solothurn die Ausweisung für den Fall an, dass er erneut in relevanter Weise straffällig werde oder seine (damaligen) Schulden nicht regelmässig tilgen oder neue, nicht zwingend gegebene Schulden eingehen sollte. Er beging jedoch bereits in den Monaten Mai und Juni 1977 erneut strafrechtliche Verfehlungen, weshalb er wegen wiederholter Veruntreuung und Urkundenfälschung am 30. März 1978 in Interlaken zu 50 Tagen Gefängnis verurteilt wurde.
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Am Tag nach der Verurteilung meldete sich B. in Ringgenberg nach dem Kanton Zürich ab, wo er am 26. Mai 1978 in Rümlang das Gesuch um Erteilung der Niederlassungsbewilligung einreichte. Nachdem er in der Zwischenzeit dem Strafvollzug zugeführt worden war, verweigerte die Fremdenpolizei des Kantons Zürich aufgrund seiner Vorstrafen mit Verfügung vom 7. Juli 1978 die Erteilung der Niederlassungsbewilligung und setzte zum Verlassen des zürcherischen Kantonsgebietes eine Frist an.
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Am 6. Dezember 1978 wies der Regierungsrat des Kantons Zürich einen Rekurs gegen die Verfügung der Fremdenpolizei vom 7. Juli 1978 ab. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Mit Schreiben vom 9. Februar 1979 teilte die Fremdenpolizei des Kantons Bern der Fremdenpolizei des Kantons Zürich mit, dass sie grundsätzlich bereit sei, B. bei einer allfälligen Rückkehr in den Kanton Bern die Niederlassungsbewilligung wieder zu erteilen. Sie behalte sich jedoch vor, ihm allfällig die Ausweisung anzudrohen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
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Erwägungen: | |
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Nach Art. 14 Abs. 4 ANAV kann dem Ausländer mit Niederlassungsbewilligung bei Wechsel des Kantons die neue Bewilligung verweigert werden, wenn ein Widerruf- oder Erlöschungsgrund vorliegt. Die Niederlassungsbewilligung erlischt unter anderem mit der Ausweisung (Art. 9 Abs. 3 lit. b ANAG). Nach der Rechtsprechung muss die Ausweisung nicht verfügt oder vollzogen worden sein, um die Niederlassungsbewilligung im neuen Kanton zu verweigern, sondern es genügt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt (BGE 101 Ib 225 f.). Nach Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG kann ein Ausländer aus der Schweiz oder einem Kanton ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Die Ausweisung soll indessen nur verfügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind gemäss Art. 16 Abs. 3 ANAV namentlich wichtig die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile. Die Frage der Angemessenheit einer Ausweisungsverfügung haben in erster Linie die kantonalen Behörden zu entscheiden. Das Bundesgericht prüft auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin ausschliesslich, ob die entscheidende Behörde ihr Ermessen überschritten oder missbraucht hat (BGE 98 Ib 3 f.; Art. 104 lit. a OG). Wenn eine Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. a OG zwar rechtlich begründet, aber nach den Umständen nicht angemessen erscheint, soll sie bloss angedroht werden (Art. 16 Abs. 3 ANAV). Die Niederlassungsbewilligung im neuen Kanton darf deshalb verweigert werden, wenn ein Ausweisungsgrund sowohl in rechtlicher Hinsicht (Art. 10 ANAG) als auch gemäss Ermessensabwägung (Art. 11 Abs. 3 ANAG) gegeben ist.
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Es wird häufig vorkommen, dass der frühere Niederlassungskanton seine Bewilligung nicht widerruft, so dass der Ausländer jederzeit in den früheren Kanton zurückkehren könnte. Es geht indessen nicht an, die Niederlassungsbewilligung im neuen Kanton mit der Begründung zu verweigern, dass zwar die Ausweisung aus der Schweiz nach den Umständen eine unzumutbare Härte für den Betroffenen darstellen würde, dass die Ausweisung aus dem neuen Kanton aber nicht unangemessen sei, weil der Gesuchsteller im bisherigen Niederlassungskanton bleiben könne; denn stets muss ein Ausweisungsgrund aus der Schweiz gegeben sein. Vorausgesetzt werden also Gründe, welche den Widerruf oder das Erlöschen der ursprünglichen Niederlassungsbewilligung rechtfertigen würden. In diesem Sinn ist BGE 101 Ib 225 zu präzisieren. Das bedeutet nicht, dass die Verweigerung der Niederlassungsbewilligung in einem neuen Kanton die Ausweisung aus dem bisherigen Niederlassungskanton voraussetzt. Wenn ein Kanton eine Ausweisung schon Niedergelassener nicht ausspricht, obwohl die Voraussetzungen dazu gegeben wären, kann deswegen ein andere Kanton nicht verpflichtet werden, seinerseits eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen.
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